Medical Tribune
5. Juli 2013Therapie für Beckenschmerzen

Nervenstimulation vertreibt den chronischen Beckenschmerz

Der nicht maligne chronische Beckenschmerz (Chronic Pelvic Pain Syndrome, CPPS) stellt für den behandelnden Arzt oft eine grosse Herausforderung dar. Früher hielt man das Phänomen für ausschliesslich prostata- und harnblasenassoziiert. Inzwischen ist bekannt, dass multiple Faktoren, wie chemische Reizmittel, endokrine und muskuläre Faktoren, aber auch immunologische und neurologische Einflüsse das CPPS mit verursachen.

menschlichen Becken Knochen mit Gelenkschmerzen
iStock/Kintarapong

Bessere Sexualfunktion mit perkutaner Stimulation?

Die Therapieoptionen sind vielfältig, von Antibiotika, Antiphlogistika und ∝-Blockern über 5∝-Reduktasehemmer, intravesikale Instillationen bis hin zu verschiedenen Operationen. Eine schweizerische Arbeitsgrupppe hat die Studienlage nun zu eher unkonventionellen Behandlungsformen, wie Neurostimulation, -modulation und Akupunktur, durchforscht.

Zunächst nahmen die Forscher eine Arbeit zur transkraniellen Stimulation mittels Strom unter die Lupe. Bei den sieben Patienten der Studie wurde an zwei Tagen placebokontrolliert 20 Minuten lang 1 mA Strom appliziert. Es kam zu einer signifikanten Reduktion des Schmerzes. Zur Therapie mit Magnetfeldern liegen keine Daten vor, schreiben Matthias Walter und Kollegen von der Universitätsklinik Balgrist der Universität Zürich in "Der Urologe".

Für die tiefe Hirnstimulation liegen fast ausschliesslich Daten zur Wirkung auf Blasenfunktionsstörungen vor. Ob die Methode auch für das chronische Beckenschmerzsyndrom Erfolg versprechend ist, lässt sich daraus nicht ablesen, urteilen die Autoren.

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) dagegen hat man in einer kleinen Studie geprüft. Alle 24 Patienten erhielten Antibiotika und in drei Armen zusätzlich entweder TENS, Analgetikum oder Placebo. Unter der TENS-Behandlung registrierten die Forscher eine signifikante Verbesserung der Beschwerden.

Nervenstimulation und Nervenmodulation – worin unterscheiden sie sich?

• Die Neurostimulation beeinflusst die Nervenfunktion des Neurons direkt und es kommt direkt zu einer Wirkung am Zielorgan (z. B. zur Kontraktion des Detrusors durch eine Stimulation der Vorderwurzeln).

• Die Neuromodulation stimuliert nachgeschaltete Neurone. Am Zielorgan wirkt die Stimulation dann nur indirekt.

Nicht ganz einheitlich waren die Ergebnisse zweier Studien zur perkutanen tibialen Nervenstimulation (PTNS). Während in der ersten Untersuchung die Schmerzen bei neun von 15 CPPS-Patienten unter der Therapie um mindestens die Hälfte zurückgingen, war der Erfolg in der zweiten Studie deutlich geringer. Hier gaben nur sieben von 33 Teilnehmern eine Schmerzreduktion von mehr als 50 % an. Andere Autoren zeigten für die PTNS eine Verbesserung der Sexualfunktion.

Akupunktur als sichere Zweitlinientherapie

Bei der sakralen Neuromodulation wird nach einer erfolgreichen Testphase der Neuromodulator gluteal implantiert und die Stimulation von aussen gesteuert. In den Indikationen Blasen- und Darmfunktionsstörungen ist dieses Therapieverfahren etabliert. Der Effekt auf den chronischen Beckenschmerz wurde aber nur selten untersucht. Die Züricher Kollegen stellten die Ergebnisse von 20 Studien, mit allerdings oft kleinen Fallzahlen, zusammen. Sie kommen auf eine durchschnittliche Erfolgsrate von 91 %.

Therapeuten sollten beim CPPS auch an die Akupunktur denken. In sechs Studien zeigte sich eine signifikante Besserung der Beschwerden. Da in keinem Fall Nebenwirkungen auftraten, handelt es sich hierbei um eine sichere Zweitlinientherapie, so das Urteil der Autoren. 

Quelle: Matthias Walter et al., Urologe 2012; 51: 1683-1691