Medical Tribune
8. Okt. 2012Sprachstörungen nach einem Schlaganfall

Frühe Sprachtherapie bei Apoplex nutzlos?

Eine insultbedingte Aphasie oder Dysarthrie beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden und Selbstbild des Patienten – die Störung belastet auch private und berufliche Kontakte. Unklar war bisher, ob eine professionelle Kommunikationstherapie in den ersten vier Monaten nach einem Schlaganfall wirksamer ist als ähnlich häufige Sozialkontakte. Um diese Frage zu klären, starteten britische Kollegen die ACT-NoW*-Studie.

Aufmerksamkeit so gut wie Therapeut zur Verbesserung der Sprachfähigkeit

170 Schlaganfall-Patienten, im Schnitt 70 Jahre alt, nahmen an der Untersuchung teil. Die Probanden wurden innerhalb von zwei Wochen nach Klinikaufnahme randomisiert einer von zwei Gruppen zugeordnet. Die Interventionsgruppe erhielt von ausgebildeten Therapeuten eine Sprach- und Sprechtherapie, die individuell auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten abgestimmt wurde. Über einen Zeitraum von bis zu 16 Wochen fanden wöchentlich bis zu drei Therapiesitzungen statt.

Die Patienten der Kontrollgruppe bekamen ähnlich häufig Besuche von angestellten "Nichttherapeuten", die über sehr gute soziale Fähigkeiten verfügten. Diese Personen waren geschult worden, den Patienten Aufmerksamkeit entgegenzubringen, jedoch auf jede intuitive Form von Kommunikationstherapie zu verzichten. Dies berichtet die Arbeitsgruppe um Dr. Audrey Bowen vom Centre for Stroke Research der University of Manchester im "British Medical Journal".

Frühe Sprachtherapie überlegen beim Schlaganfall?

Nach sechsmonatiger Intervention hatte sich die funktionelle Kommunikationsfähigkeit in beiden Gruppen verbessert. Die Studienautoren vermuten, dass dieser Erfolg einerseits durch spontane Erholungsprozesse im Gehirn zustande kam und andererseits durch wiederholte Übung von Alltagskommunikation erzielt wurde – sei es mit einem Therapeuten oder einem Besucher.

Interessanterweise erzielten die ausgebildeten Sprachtherapeuten in ihren Sitzungen keinen grösseren Effekt als die sozial geschulten Nichttherapeuten.

Kommunikation ist das beste Heilmittel

Möglicherweise bringt eine Sprachtherapie bei Hirninsult-Patienten mehr Nutzen, wenn sie später erfolgt, kommentieren Professor Dr. Anthony G. Rudd und Professor Dr. Charles Wolfe vom King's College in London die Studie in derselben Ausgabe der Fachzeitschrift.

Ihrer Ansicht nach sollte man Schlaganfall-Patienten auf jeden Fall dazu ermutigen, möglichst viel zu kommunizieren – sei es mit einem Therapeuten oder mit einem anderen Gesprächspartner.

* Assessing Communication Therapy in the North West
Audrey Bowen et al., BMJ 2012; 345: online first;
Anthony G. Rudd et al.; BMJ 2012; a.a.O.