Medical Tribune
18. Apr. 2024Brustkrebs

Kein höheres Rezidivrisiko ohne komplette Axilladissektion

Eine neue Studie bestätigt die Sicherheit einer weniger radikalen Chirurgie bei nodal-negativen Brustkrebs-Patienten mit Makrometastasen in einem oder mehreren Sentinel-Lymphknoten. Die Frauen hatten dabei fünf Jahre nach der OP auch ohne komplette Axilladissektion ein vergleichbares Rezidivrisiko.

Auch bei bis zu zwei Makrometastasen der Sentinel-Lymphknoten bringt eine komplette Axilladissektion wenig.
Axel Kock/stock.adobe.com
Auch bei bis zu zwei Makrometastasen der Sentinel-Lymphknoten bringt eine komplette Axilladissektion wenig. Das ist das Ergebnis einer grossen und hochwertigen klinischen Studie.

Die internationale SENOMAC-Studie rekrutierte 2.540 Patienten mit klinisch nodal-negativer Brustkrebserkrankung, die bis zu zwei Makrometastasen in den Sentinel-Lymphknoten aufwiesen. Die eine Hälfte der primär operierten Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhielt eine komplette Axilladissektion, der anderen Hälfte entnahmen die Forscher lediglich die Sentinel-Lymphknoten.

In der im New England Journal of Medicine veröffentlichten Analyse hatten beide Gruppen fünf Jahre nach Tumor-Entfernung ein vergleichbares Rezidivrisiko. Patienten mit kompletter Axilladissektion entwickelten jedoch etwa dreimal häufiger schwere Funktionsstörungen der Arme. Aufgrund der umfangreichen Studiendaten an einem heterogenen Patientenkollektiv plädieren die Autoren dazu, betroffene Frauen weniger radikal zu operieren.

Weglassen der kompletten Axilladissektion auch bei Makrometastasen

Brustkrebsmetastasen siedeln sich häufig in die Lymphknoten der Achselregion (axilläre Lymphknoten) ab. Aber auch wenn keine Metastasen in den axillären Lymphknoten auffallen, wird bei der Entfernung des Tumors auch meist eine Biopsie der nächstgelegenen axillären Lymphknoten (Sentinel-Lymphknoten) unternommen.

Finden sich in den Sentinel-Lymphknoten einzelne Tumorzellen oder Metastasen mit einer Grösse von unter zwei Millimetern (Mikrometastasen), bringt eine Entfernung der axillären Lymphknoten (komplette Axilladissektion) keine zusätzlichen Vorteile für das Überleben der Patienten – das ist das Ergebnis früherer Untersuchungen. Die Axilladissektion ist oft mit einem gestörten Lymphfluss verbunden. Dieser kann zu schmerzhaften und funktionseinschränkenden Lymphödemen im Arm der krebsbetroffenen Körperhälfte führen.

Sind die Metastasen allerdings grösser als zwei Millimeter, wird die komplette Axilladissektion bis heute meist durchgeführt. Die SENOMAC-Studie wollte nun klären, ob ein Weglassen der Axilladissektion auch bei Makrometastasen der Sentinel-Lymphknoten möglich ist, wenn andere postoperative Behandlungen (z.B. Bestrahlung oder Chemotherapie) durchgeführt werden.

Die Forscher schlossen dazu 2.540 Patienten aus fünf Ländern ein. Bei ihnen lag die Diagnose eines klinisch nodal-negativen primären Brustkrebs (T1-T3) mit einer bis zwei Makrometastasen (>2mm) der Sentinel-Lymphknoten vor. Die besondere Stärke der Studie lag in der Heterogeneität der untersuchten Population, die auch seltenere Subgruppen aufwiesen, darunter

  • Mastektomierte Patienten
  • Patienten mit extrakapsulärer Sentinel-Lymphknotenausdehnung,
  • Patienten mit T3-Tumoren
  • betroffene Männer

Zwei Drittel in der radikal operierten Gruppe hatten eigentlich mehr als zwei Metastasen

Die eingeschlossenen Teilnehmer erhielten entweder eine brusterhaltende Operation mit anschliessender Bestrahlung der gesamten Brust, oder eine Mastektomie. Zusätzlich führten die Forscher randomisiert entweder eine komplette Axilladissektion (1.205 Teilnehmer) oder eine Biopsie der Sentinel-Lymphknoten (1.335 Teilnehmer) durch. Im Zuge der beiden Behandlungsvarianten wurden im Durchschnitt 15 bzw. zwei Lymphknoten entfernt.

Fast alle Patienten erhielten ausserdem eine adjuvante Therapie (Bestrahlung, Chemotherapie oder antihormonelle Behandlung) nach den gültigen Empfehlungen des jeweiligen Landes. Eine Bestrahlung, die auch die Achselregion umfasste, erhielten fast 90 Prozent der Teilnehmer aus der Gruppe mit den Sentinel-Lymphknoten-Biopsien, und knapp 85 Prozent in der Gruppe mit der Axilladissektionen.

Bei mehr als einem Drittel der Patienten, die randomisiert eine Axilladissektion erhielten, wurden im Zuge der postoperativen Pathologie zusätzliche Metastasen als die ursprünglich maximal zwei in den Sentinel-Lymphknoten gefundenen entdeckt. Das galt wahrscheinlich auch für Patienten, die keine Axilladissektion erhielten. Dennoch traten Rezidive in beiden Gruppen in der Studie etwa gleich häufig auf, mit einer Fünfjahres-Rate des rezidivfreien Überlebens von 89,7 versus 88,7 Prozent nach Sentinel-Lymphknoten-Biopsie bzw. kompletter Axilladissektion (HR 0,89; 95%-KI: 0,66-1,19; p<0,001 für Nichtunterlegenheit).

Das deutet laut den Autoren darauf hin, dass bei den weniger radikal Operierten die durchgeführten postoperativen Behandlungen ausreichten, um verbleibende Tumorzellen zu eliminieren.

Dreimal mehr schwere Funktionsstörungen nach Axilladissektion

Gleichzeitig zeigte eine vorhergehende Veröffentlichung aus der SENOMAC-Studie, dass 13 Prozent der Patienten mit Axilladissektionen schwere Störungen der Funktion des Armes auf der betroffenen Körperhälfte erlitten, verglichen mit 3,7 Prozent bei jenen, bei denen nur die Sentinel-Lymphknoten entfernt wurden.

Primärer Endpunkt der Studie ist das Gesamtüberleben – dessen Ergebnisse noch ausständig sind. Die Autoren schliessen aber bereits aufgrund der vorliegenden Ergebnisse darauf, dass man bei Patienten mit klinisch nodal-negativem Brustkrebs und bis zu zwei Makrometastasen der Sentinel-Lymphknoten auf eine Axilladissektion verzichten kann. «In diesen Fällen ersetzt eine Strahlentherapie in der Achselhöhle die Axilladissektion, was zu weniger Komplikationen in den betroffenen Armen führt», sagt Dr. Jana de Boniface, Abteilung für Molekularmedizin und Chirurgie am Karolinska Institutet, die die Studie geleitet hat.