Medical Tribune
20. Nov. 2023«Längstes bisher beobachtetes Überleben»

ES-SCLC: Triplet Chemotherapie, Antiangiogenese und Checkpoint-Inhibition wirksam

Die Kombination aus Checkpoint-Blockade und Chemotherapie zeigt bisher keine signifikante Verbesserung der Situation beim kleinzelligen Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium (ES-SCLC). Allerdings könnte sich dies ändern, wenn ein Angiogenese-Hemmer hinzugefügt wird. Zumindest deuten Phase-III-Daten aus China darauf hin, die auf der IASLC World Conference on Lung Cancer 2023 vorgestellt wurden.

VEGFR-Inhibitoren wie Anlotinib sorgen dafür, dass die für die Tumorbildung notwendige Angiogenese gehemmt wird.
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Beim fortgeschrittenen kleinzelligen Lungenkarzinom (extensive-disease small cell lung cancer, ES-SCLC) sind Immunsuppression, Neoangiogenese und Vaskularisierung wesentliche Merkmale der Tumormikroumgebung.

Diese sind auch für den begrenzten Nutzen von Immuntherapien bei dieser Krankheit verantwortlich. Bisher führte die Kombination aus Immun- und Chemotherapie lediglich zu einer Verlängerung des Überlebens um durchschnittlich zwei Monate.

Chinesische Studie untersuchte Triplet statt Etoposid-Carboplatin

Eine mögliche Lösung könnte die Reprogrammierung des Mikroumfelds und die Normalisierung der Tumorgefässe in Kombination sein. Hierbei vermutet man synergistische Effekte und die Erleichterung der Infiltration von Immunzellen. Chinesische Onkologen haben dies in einer Phase-3-Studie untersucht, in der sie den neuartigen PD-L1-Inhibitor Benmelstobart mit dem Angiogenese-Inhibitor Anlotinib und einer Etoposid-Carboplatin-Chemotherapie kombinierten (1).

Die Chemotherapie war zu Beginn der Studie der gültige Standard in der Erstlinienbehandlung von ES-SCLC. Die Patienten erhielten entweder

  • vier Zyklen Etoposid/Carboplatin plus Placebo (Kontrollgruppe),
  • Etoposid/Carboplatin plus Benmelstobart, bzw.
  • Anlotinib oder Etoposid/Carboplatin plus Anlotinib allein.

Nach Abschluss der Chemotherapie erhielten die Patienten entweder Placebo, Benmelstobart plus Anlotinib oder Anlotinib allein bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis inakzeptable Toxizitäten auftraten. Die primären Endpunkte waren das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben, ermittelt von einem unabhängigen Komitee.

Kombination bei Endpunkten hoch signifikant überlegen

In der jetzt vorgestellten Auswertung verglich man die ersten Daten von 246 Personen im Benmelstobart/Anlotinib-Arm und 247 Patienten in der Kontrollgruppe. Die Kombination war sowohl beim progressionsfreien Überleben (median 6,9 Monate vs. 4,2 Monate; HR 0,32; p < 0,0001) als auch beim Gesamtüberleben (median 19,3 Monate vs. 11,9 Monate; HR 0,61; p = 0,0002) signifikant überlegen. Ähnliche Ergebnisse wurden bei der objektiven Ansprechrate (81,3 vs. 66,8 %) und der Dauer des Ansprechens (median 5,8 Monate vs. 3,1 Monate) erzielt.

Therapiebedingte Nebenwirkungen traten bei 93,1 bzw. 87,0 Prozent der Teilnehmer unter der Kombination bzw. der alleinigen Chemotherapie auf. 4,5 bzw. 1,6 Prozent der Patienten starben an den Toxizitäten. Neutropenien, Thrombozytopenien und Leukopenien traten am häufigsten in beiden Gruppen auf, während immunvermittelte Nebenwirkungen im Kombinationsarm mit 42,7 vs. 19,1 Prozent deutlich häufiger auftraten.

CPI und Chemotherapie alleine weniger wirksam bei ES-SCLC

Laut Prof. Dr. Ying Cheng vom Jilin Cancer Hospital, Changchun, handelt es sich um die bisher längsten Überlebenszeiten, die bei neu diagnostiziertem ES-SCLC beobachtet wurden. Zudem weisen sie ein akzeptables und handhabbares Sicherheitsprofil auf. Eine weiterenPhase-3-Studie, die ebenfalls Prof. Cheng vorstellte, prüfte den PD1-Antikörper Tislelizumab in Kombination mit Etoposid-Platin bei 457 Patienten mit neu diagnostiziertem ES-SCLC randomisiert gegen die alleinige Chemotherapie. Hier war die Wirkung deutlich geringer: Das Gesamtüberleben betrug unter Tislelizumab im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie median 15,5 Monate vs. 13,5 Monate (HR 0,75; p = 0,0035) und das progressionsfreie Überleben median 4,8 Monate vs. 4,3 Monate (HR 0,63; p < 0,0001). Das Sicherheitsprofil war ähnlich wie in der ersten Studie.

Ähnliche Ergebnisse erzielte bereits vor einigen Jahren die Phase-3-Studie IMpower133. Hier erhielten 403 Patienten mit ES-SCLC entweder den PD-L1-Inhibitor Atezolizumab in Kombination mit Etoposid-Carboplatin oder nur die Chemotherapie. Die Immuntherapie verlängerte das mediane Gesamtüberleben von 10,3 Monaten auf 12,3 Monate (HR 0,76; p = 0,0154). Der Effekt war unabhängig von der PD-L1-Expression und der Tumormutationslast.

Dr. Stephen Liu von der Georgetown University in Washington D.C. präsentierte die Fünf-Jahres-Daten dieser Studie sowie die Ergebnisse einer Phase-4-Studie, in die Patienten aus der Verumgruppe nach dem Ende von IMpower133 wechseln konnten (3). Nach fünf Jahren waren noch elf Teilnehmer aus dem experimentellen Arm am Leben (12 %), während im Kontrollarm bereits nach zwei Jahren nur noch 16 Patienten überlebten.

Dies zeigt, dass die Blockade der PD1-/PD-L1-Immuncheckpoint-Achse beim ES-SCLC das Überleben verlängert, bei einigen Patienten sogar über einen längeren Zeitraum. Die Ergebnisse sind zwar noch nicht zufriedenstellend, aber dennoch besser als zuvor, so Prof. Liu.

Vielversprechende neue Therapieoption beim ES-SCLC

Prof. Dr. Martin Wermke von der Technischen Universität Dresden stellte eine neue Behandlungsstrategie beim ES-SCLC vor. In einer Phase-1-Studie wurde der bispezifische Antikörper BI 764532 getestet, der den inhibitorischen Notch-Liganden DLL3 auf der Oberfläche von SCLC und neuroendokrinen Karzinomen erkennt und gleichzeitig das CD3-Antigen auf zytotoxischen T-Zellen bindet. Dadurch werden die beiden Zelltypen in engen Kontakt gebracht, sodass die T-Zelle die Tumorzelle erkennen und zerstören kann. Die Substanz wurde bei 90 Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren, darunter 47 mit SCLC, in drei verschiedenen Dosisexpansions-Schemata getestet und war bisher gut verträglich. Die Wirksamkeit, die in Phase-1-Studien nur ein sekundärer Endpunkt ist, war vielversprechend mit einer Ansprechrate von 26 Prozent (Dosis ≥ 90 g/kgKG) bei stark vorbehandelten Patienten, von denen drei Viertel mindestens zwei Vortherapien erhalten hatten. Die maximale tolerierte Dosierung wurde noch nicht erreicht.

Quelle: Wermke M. IASLC WCLC 2023; OA01.05