Medical Tribune
22. Sept. 2023Antikörper-Wirkstoff-Konjugat könnte die Praxis ändern

Ovarialkarzinom: Mirvetuximab Soravtansin verlängert Überleben

Die Ergebnisse der MIRASOL-Studie bestätigen bereits zuvor veröffentlichte Daten: Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirvetuximab Soravtansin verlängerte gegenüber einer Standardchemotherapie sowohl PFS als auch OS von Patientinnen mit platinresistentem Ovarialkarzinom. Dadurch könnte sich ein neuer Standard etablieren.

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirvetuximab Soravtansin bot Frauen mit fortgeschrittenen Ovarialkarzinomen einen Überlebensvorteil.
Love Employee/stock.adobe.com

«Practice changing» nennt Studienautorin Professor Dr. ­Kathleen N. ­Moore, Stephenson Oklahoma Cancer Center, Oklahoma City die Ergebnisse der MIRASOL-Studie zur Behandlung des fortgeschrittenen platinresistenten Ovarialkarzinoms am ASCO (1).

Erstmals Überlebensvorteil durch neue Substanz: Mirvetuximab Soravtansin

Denn einen Überlebensvorteil für diese Patientinnen konnte bislang konnte keine der neuen Substanzen im Rahmen einer randomisierten Phase-III-Studie erzielen. Mit Mirvetuximab Soravtansin gelang dies aber nun erstmals. Voraussetzung ist dabei eine hohe Folatrezeptor-alpha (FRα)-Expression. Das betrifft immerhin bis zu 40 Prozent der Patientinnen aus diesem Kollektiv (siehe Kasten unten)

Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Mirvetuximab Soravtansin ist bereits seit November 2022 in den USA nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen. Grundlage bildete die einarmige Phase-II-Studie SORAYA. Darin hatten Teilnehmerinnen mit fortgeschrittenem platinresistentem Ovarialkarzinomen und hoher FRα-Expression eine hohe Responserate mit vergleichsweise langer Ansprechdauer erzielt. Um die beschleunigte Zulassung zu rechtfertigen, wurde danach die Phase-III-Studie ­MIRASOL verlangt.

Deutlicher Unterschied nach gut einem Jahr Follow-up

Insgesamt 453 Frauen mit fortgeschrittenem High-Grade platinresistenten Ovarialkarzinoms wurden eingeschlossen. Bei ihnen mussten eine hohe FRα-Expression – definiert als PS2-positive staining intensity ≥ 2 auf ≥ 75 Prozent der Tumorzellen nachgewiesen worden sein.

Die Probandinnen erhielten darauf hin 1:1 randomisiert Mirvetuximab Soravtansin oder eine Standard-Chemotherapie nach Wahl des Behandlers (Paclitaxel, pegyliertes liposomales Doxorubicin oder Topotecan). Primärer Endpunkt war das durch Prüfärzte validierte progressionsfreie Überleben. Unter den wichtigsten sekundären Endpunkten wurden das objektive Ansprechen und das Gesamtüberleben untersucht.

Zwölf Frauen im Mirvetuximab Soravtansin-Arm hatten eine komplette Response

Die jetzt vorgestellten Ergebnisse basierten auf einem medianen Follow-up von 13,1 Monaten. Dabei sah man, dass die Gabe von Mirvetuximab Soravtansin das relative Progressionsrisiko um 35 Prozent reduzierte. Das mediane PFS lag bei 5,62 Monaten mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat vs. 3,98 Monate unter Chemotherapie (HR 0,65; p < 0,0001).

Auch die objektive Ansprechrate lag im Prüfarm mit 42 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Kontrolle (16 %; OR 3,81; p < 0,0001). In der Studie erzielten zwölf Frauen (5 %) eine komplette Response vs. keine unter der Chemotherapie.

HR 0,67 beim Gesamtüberleben

Aber auch das relative Sterberisiko reduzierte sich unter Mirvetuximab Soravtansin: Es war mit dem ADC um 33 Prozent höher als mit einer Chemotherapie, mit einem medianen OS von 16,46 Monaten vs. 12,75 Monate (HR 0,67; p = 0,0046). Der PFS- und OS-Vorteil wurde jeweils durch ein unabhängiges Review bestätigt. Es ergab sich ausserdem unabhängig davon, ob die Patientinnen mit Bevacizumab vor­behandelt waren (PFS: HR 0,64; OS: HR 0,74) oder nicht (PFS: HR 0,66; OS: HR 0,51).

Neue Sicherheitssignale traten laut der Referentin nicht auf. Im Vordergrund standen bekannte Nebenwirkungen wie verschwommenes Sehen, Keratopathie und Übelkeit. Diese liessen sich klinisch gut handhaben. Auch Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen gab es mit 16 vs. neun Prozent im Chemotherapie-Arm deutlich häufiger.

Stark vorbehandeltes Studienkollektiv

«Fast die Hälfte der Betroffenen (46 %) hatten in der Studie bereits drei vorangegangene Therapien erhalten. Und rund 62 Prozent waren mit Bevacizumab und ca. 55 Prozent mit einem PARP-Inhibitor vorbehandelt», erinnert Prof. ­Moore in ihrer Präsentation. «Jetzt öffnet Mirvetuximab Soravtansin eine neue Perspektive für diese intensiv vorbehandelten Frauen mit FRα-positivem fortgeschrittenem platinresistentem Ovarialkarzinom.»

Die Ergebnisse bestätigten das ADC in den USA als neuen Standard für besagte Patientinnen. Vor Therapiebeginn muss die hohe FRα-Expression nachgewiesen, und im Verlauf überprüft werden.

Expression von Folatrezeptor-alpha

Mirvetuximab Soravtansin ist das erste Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das gezielt an das Folatrezeptor-alpha-Molekül bindet, das von etwa 90 Prozent der Ovarialkarzinome exprimiert wird. Bis zu 40 Prozent der platinresistenten epithelialen Tumoren weisen eine hohe FRα-Expression auf.