Medical Tribune
6. Juni 2023Bei welchen Frauen mit frühem HER2+ Brustkrebs de-eskaliert werden kann

ASCO 2023: Bei metabolischem Ansprechen genügt die duale HER2-Blockade

Ein Ansprechen auf Trastuzumab und Pertuzumab im PET-Scan könnte eine von drei Patientinnen mit frühem HER2-positivem Brustkrebs identifizieren, die ohne Sicherheitseinbussen die Chemotherapie auslassen können. Das legt die PHERGain-Studie nahe, die mit ihren 3-Jahres-iDFS-Daten ihren zweiten primären Endpunkt erreicht.

Frauen mit gutem metabolischem Ansprechen auf die HER2-Blockade könnte die Chemotherapie möglicherweise erspart werden.
Portra/gettyimages

«Die zielgerichteten Therapien gegen HER2 haben die Prognose von Patientinnen mit HER2-positivem Brustkrebs dramatisch verbessert. Und das sowohl im metastasierten als auch in den frühen Stadien», sagt PHERGain-Erstautor Dr. Javier Cortes, PhD, Leiter des International Breast Cancer Center (IBCC) in Barcelona am ASCO 2023 (1).

Eine der grössten Herausforderungen beim frühen Brustkrebs besteht aktuell darin, Frauen zu identifizieren, bei denen die Therapie de-eskaliert werden kann, ohne, dass sich ihre Prognose verschlechtert. Gleich mehrere Studien beschäftigten sich damit, welche Kriterien auf eine gute Chemo-freie Prognose beim frühen HER2-positiven Brustkrebs hinweisen (2, 3). Die vorliegende PHERGain-Studie nahm das metabolische Tumoransprechen auf zwei Zyklen Trastuzumab/Pertuzumab als Entscheidungskriterium.

Design ermöglichte Switchen von Nonresponderinnen

In die nicht-komparative randomisierte Phase-II-Studie eingeschlossen wurden Frauen mit invasivem frühem Brustkrebs im Stadium I bis IIIA. Bei diesem musste die HER2-Positivität zentral bestätigt sein, und eine Tumorgrösse von mindestens 15 mm (cT1-3) vorliegen. Rund die Hälfte der Patientinnen hatte zudem zumindest einen betroffenen Lymphknoten (cN0-2). Patientinnen mit Metastasen waren ausgeschlossen.*

Die 356 Probandinnen wurden zu Beginn in zwei Gruppen randomisiert:

In der Standardgruppe A erhielten 71 eingeschlossene Patientinnen zwei Zyklen einer kombinierten Behandlung aus HER2-Blockern und Chemotherapie (Trastuzumab, Pertuzumab, Docetaxel, Carboplatin, TCHB), gefolgt von einem 18F-FDG-PET und vier weiteren Zyklen TCHB, unabhängig vom Tumoransprechen im PET-Scan. Sie unterzogen sich im Anschluss einer chirurgischen Tumorentfernung, sowie einer Erhaltungstherapie mit Trastuzumab/Pertuzumab.

In der experimentellen Gruppe B erhielten 285 ursprünglich randomisierte Patientinnen zwei Zyklen Trastuzumab und Pertuzumab. Danach wurde ein 18F-FDG-PET-Scan durchgeführt. Bei 227 (79,6%) der Patientinnen konnte darin ein Ansprechen der anti-HER2-Therapie nachgewiesen werden. Sie führten sechs weitere Zyklen aus Trastuzumab und Pertuzumab fort. Die 58 (20,4%) Non-Responderinnen erhielten hingegen sechs Zyklen TCHB. Im Anschluss fand die Operation statt.

Teilnehmerinnen beider Gruppen wurden zusätzlich mit einer endokrinen Therapie behandelt, sofern diese angezeigt war.

«Kaplan-Meier-Linie bei Patientinnen ohne Chemotherapie mit pCR»

Von den 227 Patientinnen aus der Gruppe B, die ein Ansprechen im PET-Scan gezeigt hatten, erreichten 86 (37,9%) eine pCR (4).** Nun verzeichnete die vorliegende Auswertung ein 3-Jahres-iDFS von 95,4 Prozent (95%-KI: 92,8-98,0%; p>0,001). Die Studie erreichte damit ihren zweiten primären Endpunkt (Nullhypothese: 3-Jahres-iDFS ≤89%).

Bei insgesamt acht der 267 Teilnehmerinnen der Gruppe B entdeckte man innerhalb der medianen Nachbeobachtungszeit von 43,3 Monaten Fernmetastasen. Zwei Frauen erlitten einen lokalen Rezidiv, eine Frau hatte einen ipsilateralen Tumor.

In der Subgruppe der Frauen ohne Chemotherapie, die eine pCR erreicht hatten, waren jedoch nach drei Jahren noch 98,8 Prozent rezidivfrei (95%-KI: 96,3-100%). «Das ist keine Kaplan-Meier-Kurve, das ist eine Kaplan-Meier-Linie», kommentiert Präsentator Dr. Cortes. Nur eine der 86 Patientinnen hatte ein regionales Rezidiv. Fernmetastasen wies jedoch keine der Patientinnen auf.

Zwischen den Gruppen A und B gab es nominal keine statistischen Unterschiede beim

  • 3-Jahres-iDFs
  • 3-Jahres-Fernmetastasenfreien Überleben (DDFS)
  • 3-Jahres-Ereignisfreien Überleben (EGS), und
  • 3-Jahres-Gesamtüberleben.

Weniger Nebenwirkungen mit Chemo-freiem Regime

In der Gruppe B traten wesentlich weniger behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse der Grade drei und vier auf als in der Gruppe A, in der die Chemotherapie von Beginn an standardmässig zum Einsatz kam (23,9 vs. 61,8%; p<0,001). Am eindeutigsten fiel dies aber in jener Subgruppe aus, die über die gesamte Behandlungszeit ohne Chemotherapie auskam (1,2%). Nur eine Patientin in dieser Gruppe hatte eine Nebenwirkung des Grades 3 von der anti-HER2-Behandlung (Neutropenie).

«Dass es weniger Nebenwirkungen gibt, ist zwar nicht überraschend, hebt aber den Benefit der Patientinnen hervor, die ohne Chemotherapie auskommen», sagt Dr. Cortes. Der Experte ist sich sicher: «Mit unserer Strategie lässt sich möglicherweise eine von drei Patientinnen mit frühem HER2-positivem Brustkrebs identifizieren, die sicher die mit Toxizitäten verbundene Chemotherapie auslassen kann.»

*Frauen, bei denen im Laufe der Studie durch das PET/CT Metastasen gefunden wurden, konnten in der Studie bleiben. Sie wurden in einer exploratorischen Gruppe zusammengefasst, deren Resultate noch ausständig sind.

**Die jetzige Auswertung berücksichtigte alle Patientinnen in der Gruppe B, egal, ob sie eine Chemotherapie nach dem PET-Scan erhalten hatten.