Medical Tribune
29. Mai 2023Von hoffnungslos zu hoffnungsvoll

Immuntherapien und Biomarker steigern die Prognose des Mesothelioms

Lange Zeit wurde das maligne Pleuramesotheliom mit Chemotherapien behandelt – mit den Immuntherapeutika ist für bestimmte Patienten nun eine weitere Option verfügbar. Doch es gibt noch viel Potenzial nach oben, hiess es am European Lung Cancer Congress 2023.

Rasterelektronenmikroskopie eines Schnitts durch ein Pleuramesotheliom.

In Bezug auf die Behandlung des malignen Pleuramesothelioms hat die Ära der Immuntherapie uns neue Hoffnung gegeben, sagt Professor Dr. ­Paul ­Baas, The Netherland Cancer Institut in Amsterdam (1).

Klarer Unterschied zwischen Histologien

Als «grosse Errungenschaft» bezeichnet der Referent die Phase-III-Studie ­CheckMate 743 mit Nivolumab + Ipilimumab in der Erstlinie von nicht-resezierbaren malignen Tumoren. Das Vierjahres-OS betrug mit der Kombination 17 Prozent gegenüber elf Prozent unter Chemotherapie und das mediane OS verbesserte sich auf 18,1 Monate (vs. 14,1 Monate; HR 0,73).

Betrachtet man die verschiedenen Histologien, so wird deutlich, dass Patienten mit epitheloiden Tumoren ein medianes OS von 18,2 Monaten vs. 16,7 Monate (Nivolumab + Ipilimumab vs. Chemotherapie) erreichten und solche mit nicht-epitheloider Pathologie ein medianes OS von 18,1 vs. 8,8 Monate. Zwischen 2013 und 2017 erhobene Real-World-Daten aus Grossbritannien legen nahe, dass Personen mit sarkomatoidem Mesotheliom seltener eine Chemotherapie erhielten als solche mit epitheloidem und biphasischem Tumor.

Teilnahme an Pleuramesotheliom-Studien muss sich verbessern

Ein weiteres Ergebnis: Ältere Patienten mit schlechterem Performancestatus hatten eine hohe Chance, mit Best Supportive Care behandelt zu werden. «Im Moment schneiden wir hier nicht gut ab», bemängelte Prof. Baas. Laut den Daten waren 83 Prozent der Betroffenen männlich und älter. Die meisten begannen ihre Therapie­reise mit einer Platinkomponente. Nur drei Prozent nahmen an einer Studie teil. Anhand der Daten könne man verfolgen, wie sich die Strategien im Laufe der Zeit verändern – auch in Bezug auf Immuntherapien. «Die Teilnahme an Studien muss sich verbessern», appelliert Prof. Baas.

Derzeitige Entwicklungen umfassen z.B. Studien, in denen man Kombinationen aus Chemo- und Immuntherapie prüft. Darüber hinaus gibt es epigenetische Ansätze, Untersuchungen zu neuen und alten Medikamenten, CAR-T-Zellen sowie Vakzinen. Als Beispiel für eine «alte» Substanz nennt Prof. Baas Doxorubicin, das zwar gut wirke, aber mit vielen Nebenwirkungen einherginge. Mittlerweile ist bekannt, dass die Substanz nicht nur DNA-schädigend wirkt, sondern die Chromatinstruktur verändert, indem sie Histone entfernt. Letzteren Effekt hat auch u.a. Aclarubicin, das eine ähnliche Struktur wie Doxorubicin aufweist.

Aclarubicin sei möglicherweise die bessere Substanz, so der Referent: Sie führe nur zu einer Histon-Eviction und nicht zu DNA-Schäden, wirke aber dennoch. Die Kardiotoxizitäten fielen im Mausmodell wesentlich geringer aus als die von Doxorubicin. «In Zukunft werden wir Substanzen wie Aclarubicin wahrscheinlich in der Zweitlinie verwenden», vermutete der Referent.

Ein Blick über den westlichen Tellerrand hinaus

Nicht vergessen dürfe man die Patientenbetreuung, mahnte Prof. Baas. In der westlichen Welt sei diese gut. In der restlichen Welt sieht die Lage jedoch anders aus: Man wisse nur wenig über Inzidenz und Prävalenz, ausserdem fehlten unter anderem Daten zur Primärversorgung. «Zuallererst braucht es eine Akzeptanz und Anerkennung der Erkrankung», fordert der Referent. Viele Länder seien allerdings nicht dazu bereit, Asbest zu verbieten. «Die Regierungen müssen aufwachen», so Prof. Baas.

Neue Targets und Biomarker

Als vielversprechenden Ansatzpunkt bezeichnet Prof. Baas das oftmals beim Mesotheliom deletierte Tumorsuppressorgen BAP1. Dieses beeinflusse Transkription, DNA-Reparatur, Zellzykluskontrolle und zelluläre Differenzierung. Auch Biomarker für Immuntherapien entwickeln sich weiter. Da die Tumormutationslast im Falle des Mesothelioms nicht sehr hoch ist, fokussiert man sich unter anderem auf Chromothripsis und Chromoplexie.