Medical Tribune
10. Mai 2023Molekulare Bildgebung und Analysen gewinnen an Bedeutung

Auf der Suche nach der individuell besten mCRPC-Therapie

Wie viel Präzisionsmedizin ist beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) möglich? Diese Frage diskutierten zwei Experten am diesjährigen EAU-Kongress. Dabei wurde deutlich: Die PSMA-­basierte Bildgebung verbessert Staging und Therapieplanung und die molekularpathologische Charakterisierung nimmt Fahrt auf.

Digitale Illustration einer DNA
cosmin4000/GettyImages

Zu den relevanten Mutationen zählen Veränderungen in den DNA-Reparaturgenen wie BRCA1/2 oder ATM.

Stagings zur Überwachung des Ansprechens seien für die optimale Therapie von Männern mit ­mCRPC fundamental, konstatiert Prof. Dr. ­Boris ­Hadaschik vom Universitätsklinikum Essen (1). «Die Bildgebung ist ein Biomarker.» ­Basis des diagnostischen Vorgehens stellen die aktuellen EAU-Guide­lines dar.

Eine laufende Behandlung sollte nicht aufgrund der Veränderung nur eines Parameters wie eines PSA-­Anstiegs, der beim mCRPC im Krankheitsverlauf an Bedeutung verliere, modifiziert werden. Sondern nur, wenn zwei der drei Kriterien – PSA-Anstieg, radiografischer oder symptomatischer Progress – vor­liegen. Prof. ­Hadaschik wies darauf hin, dass die Evidenz aus klinischen Studien, die Therapieentscheidungen zugrunde liegt, noch auf konventio­neller Bildgebung beruht.

PSMA-basierte Bildgebung ermöglicht besseres Staging

Die für ein Restaging von der EAU empfohlenen Methoden seien Knochenszintigrafie und CT. Dabei bezeichnen Experten die PSMA-PET/CT als das «genauere Verfahren» im Falle eines intendierten Therapiewechsels. Prof. Hadaschik: «Es ist klar, dass man im PSMA-PET/CT mehr sieht. Aber es stellt sich die Frage, ob dies das klinische Outcome verändert, sodass dieses Verfahren derzeit nur im Rahmen klinischer Studien verwendet werden sollte.»

Er sei jedoch «ein grosser Fan der ­PSMA-PET/CT» im Kontext solcher Studien oder «bei gut reflektierter Datenbasis», denn sie ermögliche eine bessere Beurteilung des Ansprechens als Knochenszintigrafie und CT. Die proPSMA-Studie habe die grössere Sensitivität und Spezifität der PSMA-PET/CT belegt. Das Verfahren führe sowohl im Falle eines metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinoms als auch eines als m0CRPC/nmCRPC eingestuften Tumors meist zu einem Upstaging. Beim mCRPC sei allerdings auch ein Downstaging möglich, betonte der Referent. Die PSMA-PET/CT sei generell spezifischer und leichter zu interpretieren.

Erhalten Patienten mit ­mCRPC eine Radioligandentherapie, so diene eine zweite PSMA-PET/CT als Biomarker für das Ansprechen und als prognostischer Biomarker für das OS, wie eine internationale multizentrische Studie ergab. Der darin etablierte RECIP-Score sei ein Schritt in die richtige Richtung, so Prof. Hadaschik. «Es wurde ausserdem demonstriert, dass eine PSMA-PET/CT beim mCRPC ein besserer prognostischer Marker für das Outcome ist als der PSA-Wert.» So erwies sich die ­PSMA-PET/CT in einer retrospektiven Beobachtungsstudie nicht nur als prädiktiv für die Res­ponse. Auch das per PSMA-PET/CT beurteilte Ansprechen galt als prognostisch hinsichtlich des PFS (2).

Die prognostische Relevanz der präziseren Risikostratifizierung sei vielversprechend, allerdings müsse man u.a. auch die Lebensqualität der Betroffenen miteinbeziehen. Prof. Hadaschik: «Wir wissen noch nicht, ob wir den Patienten schaden, wenn wir Veränderungen in der Bildgebung zu früh detektieren.»

US-amerikanischer Experte zieht ernüchternde Bilanz

Prof. Dr. ­Christopher P. ­Evans, University of California in Sacramento, bemühte sich zunächst um die Quantifizierung des Nutzens, der sich derzeit aus einer auf genomischen Analysen basierenden Tumortherapie ziehen lässt (3). Insgesamt fiel seine Bilanz eher ernüchternd aus.

Er verwies auf eine Metaanalyse klinischer Studien, in denen Krebsmedikamente geprüft wurden, die zwischen 2003 und 2021 von der FDA eine Zulassung erhalten hatten. Der Überlebensvorteil durch die neuen Substanzen fiel recht gering aus. Auch in der prospektiven klinischen Studie ­MOSCATO 01 profitierte nur ein Bruchteil der Patienten mit fortgeschrittenen Krebskrankungen von der molekular­basierten Therapie.

Bei 948 von 1.035 eingeschlossenen Patienten wurde eine Biopsie für die molekulare Gewebeanalyse durchgeführt. 411 von ihnen wiesen eine therapeutisch adressierbare Alteration auf, 199 erhielten eine passende zielgerichtete Behandlung. In der Gruppe der urologischen Tumoren hatten 10 von 28 Erkrankten von einer molekular getriebenen Therapie hinsichtlich des PFS profitiert. Dies entsprach aber nur 6,3 Prozent aller uro-onkologischen Studienteilnehmer.

Zahlreiche genetische Treiber

Das fortgeschrittene mCRPC wird durch weit mehr genetische Treiber beeinflusst, als eine reine Exom-Untersuchung detektieren kann. Die Analyse des gesamten Genoms und Transkriptoms von 101 kastrationsresistenten Prostatakarzinom-Metastasen ergab strukturelle Varianten, die wichtige Regulatoren der Tumorgenese und -progression verändern. Diese führen zum Beispiel zu einer erhöhten Expression des Androgenrezeptors (AR) und bestimmten Defekten in der DNA-Reparatur (4). «Dies macht deutlich: Wenn man nicht das ganze Genom sequenziert, wird man viele relevante genetische Alterationen nicht entdecken», betont Prof. Evans.

Androgenrezeptor ist am häufigsten methyliertes Gen

Zudem gebe es einen hohen epigenetischen Einfluss, so der Referent. In einer Studie fanden die Autoren den AR als das am häufigsten methylierte Gen. Dies sei etwas, was man normalerweise nicht im Zuge der Präzisionsmedizin erfasst. Auch die Entwicklung neuer therapeutisch adressierbarer Alterationen unter einer anti­tumoralen Behandlung sei nicht so stark wie erhofft, berichtete Prof. Evans weiter. Nur bei 8,8 Prozent der 250 Teilnehmer einer Studie detektierten die Autoren durch eine zweite Biopsie der behandelten Metastase eine neue Therapie­indikation.

Wo übersetzen sich genomische Analysen also in einen therapeutischen Mehrwert für mCRPC-Patienten? Hier verweist der Referent zum einen auf Personen mit Mismatch-Repair-Defizienz (MMR) bzw. hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), für die in den USA Pembrolizumab tumor­agnostisch zugelassen ist. Zwar wiesen nur etwa drei Prozent aller CRPC eine MSI-H auf, so Prof. Evans, dann aber seien die Erfolgsaussichten der Immuntherapie hoch.

Ausserdem relevant seien Veränderungen, die DNA-Reparaturgene ­betreffen wie BRCA1/2, ATM, CHEK2, PALB2, RAD51D. Knapp 12 Prozent der Männer mit metastasierten Prostata­karzinomen tragen mindes­tens eine Alteration dieser Gene in der Keimbahn, berichtete der Experte. Hier kommt der Wirkmechanismus von PARP-Inhibitoren wie Olaparib zum Tragen.

ctDNA-Analyse zu Prognosezwecken nutzen

Prof. Evans wies darauf hin, dass sich das Tumorgenom eines ­mCRPC auch anhand einer mittels Liquid Biopsy gewonnenen Probe bestimmen lasse. Die ctDNA-Evaluation auf Alterationen von 72 derzeit relevanten Genen er­gab eine sehr hohe Konkordanz mit der Gewebeanalyse einer Metastase.

Eine Untersuchung der ctDNA von 202 noch nicht mit Enzalutamid und Abirateron vorbehandelten mCRPC-Patienten verdeutlichte, dass Defekte in BRCA2 und ATM sowie TP53-Inaktivierung zu einem schlechteren klinischen Outcome bzw. schnellen Resistenzentwicklung unter AR-­Inhibitoren führen (5). Auch die Menge der zirku­lierenden ctDNA war hoch prognostisch, so Prof. Evans. Hohe ctDNA-Level korrelieren mit schlechteren Ergebnissen unter AR-gerichteter Therapie.

Der Referent hebt auch die Relevanz der richtigen Sequenz von Abirateron und Enzalutamid hervor. Während Enzalutamid auch in der Zweitlinie wirkte, war das für Abirateron nicht der Fall.

Doppelt so viele «hallmarks of cancer»

Im Zeitraum von 2000 bis 2022 habe sich das Verständnis und das Wissen um die Tumorbiologie mehr als verdoppelt, sagte Prof. Evans.