Medical Tribune
15. März 2023EAU 2023

Wackelt die digitale rektale Untersuchung beim Prostatakarzinom?

Eine Studie am EAU zeigt, dass die gängigste Untersuchung zur Prostatakrebsvorsorge, die digitale rektale Untersuchung (DRU), bei jüngeren Männern nur schlechte Ergebnisse beim Tumorscreening liefert. Und auch bei der aktiven Surveillance scheint die DRU gegenüber anderen Detektionsverfahren keinen Mehrwert mehr zu bieten.

Die DRU könnte bald ihren Stellenwert bei der Prostatakarzinomvorsorge verlieren.
nisara Tangtrakul/gettyimages

Die digitale rektale Untersuchung (DRU) dient, wie auch die Bestimmung des PSA-Wertes, im Zuge der Prostatakrebsvorsorge dazu, Tumoren so früh wie möglich zu erkennen, da im Frühstadium die Aussichten einer Therapie wesentlich besser sind. Aber ist sie zu diesem Zweck auch sinnvoll? Das bezweifeln mittlerweile viele Experten. Eine neue Studie am EAU 2023 untermauert ihre Position.

Von 57 Männern mit auffälliger DRU hatten nur drei tatsächlich Krebs

Die PROBASE-Studie rekrutierte insgesamt 46.495 Männer im Alter von 45 Jahren an mehreren deutschen Zentren. Die eine Hälfte der Männer erhielt bereits zu Studieneintritt einen PSA-Test, bei der anderen Hälfte wurde mit 45 Jahren zuerst eine DRU durchgeführt, und erst mit 50 Jahren der PSA-Wert kontrolliert.  

Von den ersten 6.537 Probanden, die in die zweiten Gruppe eingeschlossen wurde, verliefen die DRUs zu 99 Prozent unauffällig. Nur insgesamt 57 Männer aus der Gruppe, die zuerst eine DRU, und dann erst mit 50 Jahren einen PSA-Test erhielten, wurden mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom weiterführend biopsiert. «Und nur bei drei Männern wurde dabei tatsächlich ein – in allen Fällen geringgradiger – Tumor gefunden», berichtet Erstautorin Agne Krilaviciute, PhD, vom Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ in Heidelberg, am EAU (1).

«Gleichzeitig wissen wir aber auch aus der Auswertung der Patienten, die zuerst eine PSA-Untersuchung bekamen (2), dass die Detektionsrate eines Prostatakarzinoms mit PSA-Testungen im Alter von 45 Jahren viermal höher liegt,» sagt Dr. Krilaviciute im Rahmen ihrer Präsentation am Kongress der Europäischen Vereinigung für Urologie (EAU). Und auch in der am EAU präsentierten Kohorte fanden die Autoren bei 21 weiteren Männern Tumoren, die im Rahmen der DRU nicht aufgefallen waren.

Frühe Tumoren nicht so beschaffen, dass sie tastbar sind

Einen Grund für das Versagen der DRU bei jungen Männern vermuten die Forscher darin, dass die Gewebsveränderungen der Prostata zu subtil sein könnten, um sie mit dem Finger zu ertasten. Professor Peter Albers, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Letztautor der Studie, gibt an, dass in einer MRI-Untersuchung mehr als 80 Prozent der Tumore in der Studie so lokalisiert waren, dass sie in der digitalen Untersuchung prinzipiell zu ertasten gewesen sein müssten. «Und trotzdem wurden sie im Rahmen der DRU nicht erkannt.» Er vermutet, dass die Tumoren im Frühstadium zu klein sein könnten, und ihre Gewebssteifigkeit zu gering, um sie ertasten zu können.

In der Studie entsprach die Mehrheit der Prostatakarzinome in dem eher jungen Patientenkollektiv nach International Society of Urological Pathology (ISUP) dem Grad 1 (Gleason-Score 3+3=6) oder Grad 2 (Gleason 3+4=7). Die DRU konnte in der Studie nur bei rund 12 Prozent der Fälle Prostatakarzinome dieser Kategorien detektieren.

Vorsorge, aber keiner geht hin?

Auch andere Studien haben bereits Zweifel an der Sinnhaftigkeit der digitalen rektalen Untersuchung aufgeworfen, und das nicht nur beim Screening, sondern auch bei der aktiven Überwachung von Männern mit Prostatakarzinomen. So war etwa das Ergebnis einer kürzlich abgehaltenen internationalen Konsensuskonferenz, dass die digitale rektale Untersuchung bei der aktiven Überwachung von Männern mit Prostatakarzinomen augelassen werden kann, wenn stattdessen andere Techniken, wie Biomarker oder die MRT zur Verfügung stehen (3).

Abgesehen von der schlechten Performance der DRU beim Prostata-Screening schreckt die oft etwas unangenehme Untersuchung laut Prof. Albers viele Männer davon ab, an einem Screening-Programm teilzunehmen. «Wenn wir stattdessen einen PSA-Test machen, könnten mehr Männer gewillt sein, an einer Vorsorge teilzunehmen.»

Referenzen

  1. Krilaviciute A. Digital Rectal Examination (DRE) is not useful as a solitary screening tool for prostate cancer in young men – Results from the PROBASE trial. European Association of Urology Annual Congress (EAU 2023). Abstract A0899. Presented March 9, 2023.
  2. Arsov C et al. A randomized trial of risk-adapted screening for prostate cancer in young men-Results of the first screening round of the PROBASE trial. Int J Cancer. 2022 Jun 1;150(11):1861-1869. doi: 10.1002/ijc.33940. Epub 2022 Feb 17. PMID: 35076933.
  3. Moore CM et al. Best Current Practice and Research Priorities in Active Surveillance for Prostate Cancer-A Report of a Movember International Consensus Meeting. Eur Urol Oncol. 2023 Jan 27:S2588-9311(23)00002-0. doi: 10.1016/j.euo.2023.01.003. Epub ahead of print. PMID: 36710133.