Medical Tribune
15. Dez. 2015Die Onkologen vor eine besondere Herausforderung

Das rezidivierte Glioblastom bleibt ein Sorgenkind der Neuro-Onkologen

Glioblastome gehören zu den häufigsten bösartigen Hirntumoren. Früher oder später kommt es im Verlauf der Erkrankung zum Rezidiv, das die Onkologen vor eine besondere Herausforderung stellt. Grosse Erwartungen werden an die immunmodulierenden Therapien gestellt, aber die sind noch Zukunftsmusik. Derzeit spielt die Anti-Angiogenese eine Rolle. Eine aktuelle Studie konnte eine Verlängerung des PFS zeigen.

Wie häufig sind Glioblastome und ihre Rezidive in unseren Breiten? Gibt es eine Häufung im Alter?

Dr. Conen: In der Schweiz werden jährlich etwa 600 Patienten mit bösartigen Hirntumoren neu diagnostiziert. Die meisten Hirntumoren werden im Alter um die 60 Jahre diagnostiziert. Aber etwa 30 % der Patienten sind jünger.

Gibt es Warnhinweise, die auf ein Glioblastom hinweisen?

Dr. Conen: Die klassischen Symptome sind Anfälle, wie neu aufgetretene Epilepsie oder neurologische Ausfälle wie akute Lähmungserscheinungen. Diese Situationen erfordern immer eine sofortige Bildgebung. Unspezifischere Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Übelkeit machen die Diagnose manchmal schwieriger.

Inwieweit spielen der IDH1/2- oder MGMT-Status eine Rolle für den Therapieentscheid beim rezidivierenden Glioblastom?

Dr. Conen: Der IDH- und der MGMT-Promoter-Status sind prognostisch relevant und werden daher am Unispital Basel in der Routine bei Erstdiagnose bestimmt. Bei über 65-jährigen Patienten haben zwei grössere Studien gezeigt, dass der MGMT-Status auch ein prädiktiver Marker für eine alkylierende Chemotherapie ist. Hier sollte man nach meiner Meinung den Marker routinemässig für den primären Therapieentscheid einsetzen. Im Rezidiv orientieren wir uns am MGMT-Status bei der Frage, ob eine alkylierende Chemotherapie (erneut) wirksam sein könnte oder nicht. MGMT nicht methylierte TumorpatientInnen erhalten eher keine solche. Man entscheidet sich dann eher für die Bevacizumab-Therapie.

Welche Rolle spielt Bevacizumab beim Glioblastom an Ihrer Institution?

Dr. Conen: Aufgrund der Studienlage ist Bevacizumab als Standard-Erst­linientherapie beim Glioblastom bei uns nicht empfohlen. Wir verwenden es im Einzelfall in der Rezidivsituation, was für uns möglich ist, weil Bevacizumab für diese Indikation in der Schweiz zugelassen ist. Bevacizumab hat sicher seine Berechtigung bei bestimmten PatientInnen. Wir sehen immer wieder gute Resultate wie z. B. die Erholung von neurologischen Symptomen bei grossen ödeminduzierenden Tumoren. Aber es ist bislang noch nicht die Patientengruppe gefunden worden, von der wir mit Gewissheit sagen können, dass sie profitiert oder nicht.

Am Jahreskongress der American Society of Neuro-Oncology wurden soeben die Update-Daten von EORTC 26101, einer grossen randomisierten Studie beim rezidivierten Glioblastom, vorgestellt. In dieser Studie mit 437 Patienten in 44 Zentren wurde das alkylierende Zytostatikum Lomustin gegen Lomustin plus Bevacizumab verglichen. Unter Lomustin plus Bevacizumab war das progressionsfreie Überleben verlängert, nicht aber das Gesamtüberleben.

Wir warten auch noch auf den Abschluss der von der Klinik für Neurologie vom UniversitätsSpital Zürich unter der Leitung von Professor Dr. Weller durchgeführten ARTE-Studie, in der Bevacizumab plus Strahlentherapie versus Strahlentherapie alleine in der Erstlinientherapie bei über 65-jährigen neu diagnostizierten Patienten mit Glioblastom geprüft wird.

Die Herausforderung bleibt, die PatientInnen zu identifizieren, die von Bevacizumab tatsächlich profitieren. Beide erwähnten Studien können uns dabei helfen und sind sehr wichtig.

Wie sehen Sie die künftige Entwicklung beim Glioblastom?

Dr. Conen: Die grosse Hoffnung gilt der Immunmodulation. In diesem Zusammenhang laufen bereits die ersten Phase-I-, Phase-II- und -III-Studien. Es sind noch einige neue Substanzen wie Tyrosinkinase-Inhibitoren in der Pipeline, die möglicherweise vielversprechend sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Winfried Powollik