Medical Tribune
10. Mai 2015Analkarzinome können mittlerweile gut behandelt werden

Gute Prognose beim Analkarzinom

Das Analkarzinom ist mit 5 % aller gastrointestinalen Malignome kein sehr häufiger Tumor. Früher wurde er eigentlich nur bei älteren Personen diagnostiziert, während man ihn heute häufig auch bei jüngeren Patienten findet, schreiben Dr. Johannes Jongen von der Proktologischen Praxis Kiel und seine Kollegen.

Ähnlich wie das Zervixkarzinom entwickelt sich das zu 80–90 % mit humanen Papillomviren (HPV) assoziierte Analkarzinom in der Regel über Vorstufen zum Krebs. Zunächst kommt es auf dem Boden langjähriger HPV-Infektionen zu analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) und über mehrere präkanzeröse Stufen entwickelt sich das invasive Karzinom.

Analkarzinom mit HPV assoziiert

Zusätzliche Risikofaktoren stellen Rauchen, Immunsuppression, HIV-Infektion oder der Befall mit Condylomata acuminata dar. Daher sollte man Risikopatienten regelmässig proktologisch untersuchen, um eine eventuelle Tumorentwicklung früh zu erkennen. Dazu gehören dann evtl. auch Anozytologie, HPV-Typisierung und die Proktoskopie.

In den meisten Fällen jedoch wird das Analkarzinom per Zufallsbefund entdeckt. Beschwerden macht der Krebs in der Regel nicht, manchmal bemerken die Patienten über längere Zeit eine "Hämorrhoide" oder bei der gynäkologischen oder koloskopischen Untersuchung findet sich ein Knoten. Das Karzinom kann sich aber auch in inspektorisch unauffälligem Gewebe verstecken und wird dann nur zufällig bei der his­tologischen Aufbereitung von Marisken, Hämorrhoiden, Fisteln oder Fissuren entlarvt.

Daher betonen die Autoren, wie wichtig es ist, alles entnommene Gewebe auch histologisch untersuchen zu lassen. Häufig weckt schon die Inspektion des Anus den Verdacht auf ein Karzinom. Rektale digitale Untersuchung und Proktoskopie sind ebenfalls von Bedeutung. Die Biopsie sichert schliesslich die Diagnose.

Histologie auch bei Hämorrhoiden und Fisteln

Differenzialdiagnostisch kommen das Keratoakanthom und ein in den Analkanal wachsendes distales Adenokarzinom des Rektums infrage. Mittels Sonographie, CT/MRT des Beckens, Oberbauch- und Thorax-CT erfolgt das Staging. Ausserdem wird der Tumormarker SCC (Squamous Cell Carcinoma) bestimmt. Zu unterscheiden ist vor allem das Analrand- vom Analkanalkarzinom, erklären die Autoren. Die Grenze bildet dabei der Übergang zwischen unverhorntem Plattenepithel des Anoderms und verhorntem Plattenepithel der Haut um den Anus.

Während Analrandkarzinome ausschliesslich in die inguinalen Lymphknoten metastasieren, sieht man beim Analkanalkarzinom Absiedlungen auch in den pararektalen und parailiakalen Lymphabflussgebieten. Daher geht das Analkanalkarzinom mit einer etwas schlechteren Prognose einher.

R0-Exzision anstreben

Bei kleinen gut differenzierten Analrandkarzinomen (pT1, pT2) empfehlen die Experten die lokale chirurgische Resektion. Wenn die R0-Exzision möglich ist, ohne den Schliessmuskel zu schädigen, reichen anschliessend engmaschige Kontrollen. Bei pT2-Stadien allerdings sind sich die Fachgesellschaften nicht ganz einig. Während man in den USA zur grosszügigen lokalen Exzision rät, bevorzugen die europäischen Fachgesellschaften eine Radio­chemotherapie (RCT).

Für grössere Tumoren, die nicht mit ausreichendem Sicherheitsabstand exzidiert werden können, gilt sie in allen Leitlinien als Therapie der Wahl. Die Chemotherapie erfolgt mit Mitomycin C und 5-Fluorouracil. Beim Versuch, das nebenwirkungsträchtige Mitomycin durch Cisplatin zu ersetzen, verschlechterten sich die Ergebnisse. Die Bestrahlung kommt bei kleinen Tumoren manchmal als lokale Brachytherapie zum Einsatz.

SCC dient als Rezessivmarker

Für die Nachsorge sind regelmässige klinische, digital-rektale Untersuchungen, Proktoskopie, Rektoskopie und endoanale Sonographie ratsam. Ein MRT/CT vom Becken und der abdominale Ultraschall eignen sich zur Suche nach Metastasen. Als Tumormarker dient der SCC.

In den ersten Monaten nach der Operation kann es schwierig sein, zwischen narbiger Induraton und Resttumor zu unterscheiden. Auch ist nach der Radiochemotherapie noch längere Zeit mit einer Regression des Krebses zu rechnen. Innerhalb der Regressionsphase führen Biopsien dann oft zu schweren lokalen Nebenwirkungen. Die Indikation zur Biopsie innerhalb der ersten sechs Monate wird daher sehr streng gestellt.

Das Analkarzinom hat insgesamt eine gute Prognose. T1-Tumoren gehen mit einer bis zu 100%igen Überlebensrate einher. In den Stadien T2 und T3 liegen sie bei 80 bis 90 %. Im Gegensatz zur früher üblichen radikalen Operation mit der Notwendigkeit einer Stomaanlage ist die Lebensqualität der Krebspatienten heute meist sehr gut. Allerdings birgt die Bestrahlung ein gewisses Inkontinenzrisiko, geben die Kollegen zu bedenken.

Quelle:Text und Abb.: Johannes Jongen, Jonas Schumacher, Peter Niehoff, Volker Kahlke, "Seltener Tumor mit guter Prognose: das Analkarzinom - Wichtig ist die frühzeitige Diagnose", Klinikarzt 2014: 43: 568–573, © Georg Thieme Verlag, Stuttgart