Medical Tribune
10. Dez. 2025

Geburtseinleitung: Wie, wann, warum?

Die Geburtseinleitung hat sich als fester Bestandteil der modernen Geburtshilfe etabliert. Ihre Anwendung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Sie dient dazu, Risiken für Mutter und Kind zu minimieren und eine sichere Geburt zu ermöglichen. Dabei spielen sowohl medizinische als auch individuelle Faktoren eine Rolle.

Mutter mit ihrem Neugeborenen im Kreisssaal
nataliaderiabina/stock.adobe.com

In der Schweiz leiten Ärzte rund 33 % der Geburten ohne geplanten Kaiserschnitt ein (1). Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen werden Gebärende immer älter und gesundheitlich vorbelasteter, zum anderen wächst die Evidenz für die Vorteile der Einleitung.

Mechanisch vs. medikamentös

Die Geburtseinleitung kann mechanisch und/oder medikamentös erfolgen. Mechanische Verfahren wie Ballonkatheter (z.B. Cook Cervical Ripening Balloon® oder Foley) üben Druck auf die Zervix aus. Dadurch werden endogene Prostaglandine freigesetzt, die zur Zervixreifung führen. Der Vorteil von Ballonkathetern liegt in der geringen Gefahr einer Überstimulation.

Studien zeigen, dass 20–30 % der Schwangeren allein durch den Ballonkatheter spontan in die Geburt gehen (2). Kontraindikationen sind vorzeitiger Blasensprung, unklare vaginale Blutungen, Frühgeburtlichkeit und Polyhydramnion. Zu den weiteren mechanischen Methoden gehören Eipollösung und Amniotomie. Im Low-risk-Kollektiv kann die Patientin mit Ballonkatheter auch ambulant geführt werden.

Zu den medikamentösen Verfahren zur Stimulation der Zervix und der Uteruskontraktilität zählt die Gabe von Oxytocin und Prosta­glandinen (Misoprostol, Dinoproston). Diese sind wirksam, bergen im Vergleich zu den mechanischen Methoden jedoch ein höheres Risiko für Überstimulationen und kommen daher im stationären Setting zum Einsatz. Seit 2022 ist erstmals eine zugelassene Misoprostol-Variante (Angusta®) für die medikamentöse Einleitung in der Schweiz verfügbar. Zuvor erfolgte der Einsatz von Misoprostol in diesem Kontext off-label.

«Die Kombination aus Ballonkatheter und Misoprostol führt am schnellsten zur Geburt und weist zugleich ein niedriges Risikoprofil auf», erklärte Dr. Annkathrin Butenschön, Oberärztin an der Frauenklinik am Universitätsspital Basel (2). Dieses Verfahren führt zu kürzeren Hospitalisierungen, gesteigerter Patientenzufriedenheit und einer höheren Erfolgsquote.

Bei einem Bishop-Score unter 6 und in Abwesenheit von Kontraindikationen ist die Indikation für einen Ballonkatheter gegeben. Patientinnen dürfen mit dem Ballon nach Hause gehen, solange sie gut erreichbar sind und nicht zu weit vom Spital entfernt wohnen. Nach 12 Stunden beginnt der behandelnde Arzt für 6 bis 12 Stunden überlappend mit der medikamentösen Einleitung durch Prostaglandine bzw. für 1–2 Stunden mit Oxytocin bei Status nach Sectio. Ein wichtiges Element der klinischen Praxis ist die Patientenaufklärung. Sie umfasst Ablauf, Risiken und Alternativen der Einleitung und organisatorische Aspekte wie die Distanz zum Krankenhaus oder die Möglichkeit eines ambulanten Vorgehens (3).

Optimalen Termin frühzeitig bestimmen

Die häufigste Indikation für eine Geburtseinleitung ist die Termin­überschreitung. Von einer Übertragung spricht man ab Schwangerschaftswoche (SSW) 42 + 0. Gemäss den Leitlinien sollen Behandler eine Einleitung ab SSW 41 + 0 anbieten und ab SSW 41 + 3 empfehlen (4). Entscheidend ist die exakte Terminbestimmung, die bereits in der Frühschwangerschaft erfolgen sollte.

Bei Gestationsdiabetes gilt ein gestuftes Vorgehen: Diätetisch gut eingestellte Frauen sollen bei SSW 40 + 0 eingeleitet werden, insulinpflichtige Patientinnen zwischen SSW 39 + 0 und 39 + 6 Wochen. Schlecht eingestellte Verläufe erfordern bereits eine Einleitung zwischen SSW 38 + 0 und 39 + 0. Daten zeigen, dass eine Einleitung das Risiko für Makrosomien und höhergradige Dammrisse reduziert (5).

Kindsgrösse von Bedeutung

Auch die Grösse des Kindes spielt eine entscheidende Rolle. Small for Gestational Age (SGA) bezeichnet ein Gewicht (EFW) und/oder einen Abdomenumfang (AC) zwischen der 3. und 10. Perzentile, bei gleichzeitig unauffälligen fetalen und maternalen Dopplerwerten sowie unauffälligem Fruchtwasser. In diesen Fällen legt die aktuelle Datenlage eine Entbindung ab SSW 39 + 0 nahe.

Eine späte Fetal Growth Restriction (FGR) liegt vor, wenn das fetale Wachstum pathologisch verzögert ist, definiert als AC/EFW < 3. Perzentile oder AC/EFW < 10. Perzentile in Kombination mit einem Pulsatilitätsindex (PI) der A. umbilicalis > 95. Perzentile und/oder einem Abfallen des AC/EFW um > 50 %. Bei Verdacht auf FGR richtet sich der Zeitpunkt der Geburtseinleitung nach den aktuellen Befunden. Beispielsweise wird bei einem AC/EFW < 3. Perzentile und gleichzeitig unauffälliger fetaler Dopplersonographie die Geburtseinleitung ab SSW 36 + 0 bis 37 + 0 empfohlen (6).

Hypertensive Erkrankungen während der Schwangerschaft stellen weitere Einleitungsindikationen dar. Bei Präeklampsie ist ein Abwarten bis SSW 37 + 0 vertretbar, wenn kein schwerer Verlauf vorliegt. Bezüglich der Gestationshypertonie wird heute in internationalem Konsens auch die Prolongation der Schwangerschaft bis zum errechneten Termin als Option angesehen. Ein Grund hierfür liegt im veränderten Hypertonie-Management. «Gemäss den neuen Empfehlungen therapieren wir bereits ab 140/90 mmHg anstatt wie früher ab 160/110 mmHg», informierte Dr. Butenschön (7).

Risikokonstellationen, die für eine Einleitung sprechen

Besondere Beachtung verdienen auch Gewicht und Alter der Mutter. Bei Adipositas besteht das Dilemma, dass einerseits das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod ansteigt, andererseits die Patientinnen schlechter auf medikamentöse Einleitungsverfahren ansprechen. «Für Frauen mit einem BMI über 35 kg/m2­ bieten wir ab SSW 40 + 0 eine Einleitung an», so die Referentin. Ab 40 Jahren steigt das Risiko für Komplikationen. «Bei Frauen über 40 Jahre empfehlen wir die Einleitung am errechneten Termin», erklärte Dr. Butenschön, «auch wenn die Zahl der nötigen Einleitungen sehr hoch ist, um einzelne fetale Todesfälle zu verhindern. Das muss man mit den Patientinnen gut besprechen.»

Makrosome Kinder, definiert durch ein Schätzgewicht über der 95. Perzentile, profitieren von einer Einleitung ab SSW 38 + 0. Dadurch wird das Risiko für Schulterdystokien gesenkt und die Wahrscheinlichkeit für einen spontan vaginalen Verlauf erhöht, ohne die neonatale Morbidität zu steigern. Allerdings zeigt die Datenlage keinen signifikanten Effekt auf Sectioraten, Plexusparesen oder Asphyxien (8).

Weitere Indikationen für eine Geburtseinleitung sind Oligo­hydramnion, Schwangerschaftscholestase, Mehrlingsschwangerschaften oder der ausdrückliche Wunsch der Schwangeren. Die ARRIVE-Studie untersuchte über 6000 Nulliparae mit Einlingsschwangerschaften in Schädellage. Sie zeigte, dass eine elektive Einleitung in SSW 39 + 0 die Sectiorate senken kann, ohne Erhöhung der neonatalen Komplikationsrate (9). Dieses Wissen sollte in die Beratung der Schwangeren einfliessen.