Medical Tribune
8. Dez. 2025Diagnostik und Management in der hausärztlichen Praxis

Parotitis: Wen behandeln, wen zuweisen?

Patienten mit einer Parotitis können sehr rasch sehr schwer erkranken, insbesondere wenn die Entzündung eitrig ist. Hausärzten kommt beim Management dieser Patienten eine zentrale Bedeutung zu. Sie schätzen den klinischen Schweregrad ein, planen weitere diagnostische Schritte und beginnen eine geeignete Therapie. Eine aktuelle Publikation gibt ihnen nun einen Leitfaden für die Praxis an die Hand.

Entzündete Ohrspeicheldrüse bei einem 78-jährigen Mann mit Parotitis.
Science Photo Library/Dr. P. Marazzi

Die Parotitis ist klinisch bedeutsam: Das Spektrum an möglichen Ursachen ist gross und reicht von Infektionen über obstruktive Hindernisse, z. B. durch Steine oder Tumoren, bis hin zu chronischen Autoimmun­erkrankungen. Da die Betroffenen zum Teil schwer erkranken, ist die hausärztliche Beurteilung so entscheidend. Eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung helfen, Komplikationen zu vermeiden und frühzeitig eine geeignete Behandlung einzuleiten.

Eine akute eitrige Parotitis betrifft typischerweise ältere Patienten, schreiben Dr. Anthony Pham, Sunshine Coast University Hospital, Australien, und Kollegen. Innerhalb weniger Stunden bis Tage entwickeln sich ausgeprägte Schmerzen, begleitet von einer deutlichen Schwellung an Wange und Hals. Häufig treten Fieber sowie Probleme bei der Nahrungsaufnahme auf, bedingt durch Schluckschmerzen und eine eingeschränkte Mund­öffnung.

Der Erreger ist in über 80 % der Fälle Staphylococcus aureus, seltener sind Streptokokken, Haemophilus influenzae oder Anaerobier (z. B. Fusobacterium). Risikofaktoren für eine eitrige Parotitis sind z. B. kürzlich durchgeführte Operationen, ein Diabetes oder eine Immunsuppression. Auch eine Dehydratation und intensive körperliche Anstrengung begünstigen die Erkrankung, da sie den Speichelfluss reduzieren.

Ein normaler Speichelfluss ist wesentlich, denn er verhindert einerseits die Bildung von Speichelsteinen (Sialolithen), andererseits das retrograde Aufsteigen von Bakterien. Zudem enthält Speichel Amylase für die Verdauung, unterstützt die Geschmackswahrnehmung und trägt zur Zahngesundheit bei.

Bei beidseitiger Schwellung an Mumps denken

Ist die Parotis beidseitig geschwollen, liegt der Verdacht auf eine virale oder systemische Ursache (z. B. Sarkoidose, SLE) nahe. Systemische Symptome sind Müdigkeit, Myalgien, Arthralgien und Nachtschweiss. Sind zusätzlich auch die Augen und Schleimhäute trocken, deutet dies auf ein Sjögren-Syndrom hin. Gezielte Blutuntersuchungen (z. B. Anti-dsDNA, ANCA, ANA) helfen, systemische Ursachen aufzudecken.

Bei beidseitiger Parotitis und Fieber besteht der Verdacht auf Mumps. 40–50 % der Mumps-Patienten zeigen begleitende Atemwegssymptome, bei etwa 10 % besteht eine aseptische Meningitis und 20–30 % der Männer entwickeln eine Orchitis. Mumps lässt sich mittels spezifischer IgM-Antikörper im Serum oder PCR-Diagnostik aus einem Wangenabstrich nachweisen. Andere virale Parotitis-Erreger sind z. B. EBV, CMV, Influenza oder Paramyxoviren.

Wiederkehrende einseitige Schwellungen und ein reduzierter Speichelfluss – insbesondere nach Mahlzeiten – sprechen für eine obstruktive Ursache, z. B. eine Sialo­lithiasis oder Neoplasie. Wichtig ist, auch an Risikofaktoren zu denken: Rauchen und Gicht fördern die Bildung von Speichelsteinen.

Auch Medikamente können eine Rolle spielen: Eine arzneimittelinduzierte Parotitis, z. B. durch Clozapin, ist zwar selten, jedoch reduzieren zahlreiche Substanzen den Speichelfluss deutlich, z. B. Antipsychotika, Anticholinergika, Antidepressiva, Antihistaminika oder Parkinson-Medikamente.

Eiter mikrobiologisch untersuchen lassen

Bei einer Parotitis ist das Gesicht asymmetrisch und diffus geschwollen, gerötet, überwärmt und druckschmerzhaft. Die Parotispapille liegt in der Wangenschleimhaut gegenüber dem zweiten oberen Prämolaren und kann ebenso geschwollen und gerötet sein. Bei einer bakteriellen Infektion tritt Eiter aus der Papille aus, wenn der Untersucher Druck auf die Parotis ausübt. Wichtig: Vorhandenen Eiter immer mikro­biologisch untersuchen lassen, um die Antibiotika-Therapie ggf. anpassen zu können. Denn Staphylococcus aureus ist zwar der häufigste Erreger, aber Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) und Anaerobiern nehmen zu.

Zur klinischen Untersuchung gehört es auch, die Art der Schwellung zu beurteilen: Bei einer Entzündung ist die Drüse diffus geschwollen, während fokale und umschriebene Parotismassen für Abszesse, Lymphknoten oder Neoplasien sprechen. In diesem Fall ist eine weiterführende Bildgebung mittels CT oder MRT nötig, um maligne Ursachen auszuschliessen. Weitere Malignitätszeichen sind Hautveränderungen über der Parotismasse sowie eine Beteiligung des N. facialis. Ein Trismus besteht, wenn sich der Mund weniger als drei Fingerbreiten öffnet. Untersuchende sollten ausserdem nach peritonsillären Schwellungen oder paraöspophagealen Abszessen suchen.

Eine Bildgebung ist für die Diagnose der akuten Parotitis nicht erforderlich. Sie ist jedoch hilfreich, um eine Sialolithiasis, Neoplasien sowie sekundäre Komplikationen zu erkennen, die möglicherweise eine stationäre Behandlung erfordern. Ein Ultraschall eignet sich dabei als erste Methode und entdeckt Steine ab einem Durchmesser von ≥ 3 mm.

Virale Parotitiden sind meist selbstlimitierend

Erstlinien-Therapie bei akuter eitriger Parotitis ist eine zehntägige Behandlung mit einem gegen Staphylokokken wirksamen Antibiotikum, z. B. Flucloxacillin 500 mg viermal täglich. Bei MRSA-Risiko oder Penicillin-Allergie sind Clindamycin oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol mögliche Alternativen. Bessern sich die Symptome nach 48–72 Stunden nur minimal, müssen die Patienten dringend ins Spital.

Zur Förderung des Speichelflusses eignen sich eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Sialogoga wie Zitronensaft oder Pfefferminz­pastillen, warme Kompressen und Parotis-Massagen. Bei Trismus können kurzfristig Steroide und Analgetika Linderung verschaffen.
Virale Parotitiden sind meist selbstlimitierend. Hier helfen symp­tomatische Massnahmen: viel trinken und Speichelfluss anregen. Mumps-Patienten sollten fünf Tage nach Symptombeginn zu Hause bleiben, um die Übertragung zu reduzieren. Eine spezifische Behandlung gibt es nicht. In der Schweiz besteht im Gegensatz zu anderen Ländern wie z. B. Deutschland keine Meldepflicht für Mumps.

Sofortiges Handeln bei Warnsignalen

Klinisch stabile Patienten können ambulant behandelt werden. Schwer kranke und instabile Patienten müssen jedoch umgehend ins Spital, um ihnen eine intravenöse Antibiotika-Therapie zu ermöglichen oder sekundäre Komplikationen zu behandeln. Sofortiges Handeln ist gefragt, wenn folgende Warnsignale auftreten:

  • Fieber > 38°C, Tachykardie, Hypotonie, Vigilanzminderung
  • stark eingeschränkte Halsbeweglichkeit, Schluckstörungen sowie ein schwerer Trismus
  • mittel- bis hochgradige Dehydratation
  • fluktuierende oder klar umschriebene Parotismasse
  • neu aufgetretene Fazialisparesen
  • Fistelbildungen, Hautulzerationen sowie bildgebende Hinweise auf Abszesse

Zudem ist es empfehlenswert, sozial isolierte oder besonders vulnerable Patienten grosszügig stationär zuzuweisen.

Ein HNO-Spezialist sollte Patienten mit fokalen Parotismassen oder Neoplasie-Verdacht möglichst rasch weiter abklären. Hausärzte sollten Patienten ebenfalls an eine HNO-Fachabteilung schicken, wenn zwei oder mehr Entzündungsepisoden auf derselben Seite aufgetreten sind, wenn eine Sialolithiasis mit mindestens einer Parotitis-Episode besteht oder wenn eine beidseitige oder rezidivierende Parotitis ohne klare infektiöse bzw. obstruktive Ursache vorliegt.