Infektionen in der Schwangerschaft gezielt erkennen und vermeiden
Infektionen während der Schwangerschaft sind selten, können aber schwere Folgen für das ungeborene Kind haben. Am Basler Sommersymposium Gynäkologie erläuterte ein Experte aktuelle Schweizer Empfehlungen und zeigte, wie Prävention, gezielte Diagnostik und richtige Beratung Risiken senken – ohne unnötige Angst zu erzeugen.

Bereits bei der ersten Schwangerschaftskontrolle sollten Ärzte über Infektionen wie Toxoplasmose, Listeriose, Parvovirus und Zytomegalievirus (CMV) aufklären, betonte Prof. Dr. Leonhard Schäffer, Chefarzt an der Klinik für Geburtshilfe und Pränataldiagnostik am Kantonsspital Baden.
In der Schweiz wird bei den meisten Infektionskrankheiten kein allgemeines Screening in der Schwangerschaft empfohlen. Stattdessen liegt der Fokus auf gezielter Prävention durch Beratung und Hygienemassnahmen.
Toxoplasmose – Risiko auf dem Teller
Toxoplasmose wird durch den einzelligen intrazellulären Parasiten Toxoplasma gondii verursacht. Die Übertragung erfolgt vor allem über rohes oder unzureichend gegartes Fleisch, seltener über Katzen. Infizierte Katzen scheiden Oozysten, ein widerstandsfähiges Umweltstadium des Erregers, etwa 21 Tage lang aus, entwickeln danach Immunität und sind nicht mehr ansteckend. Allerdings bleiben Oozysten in der Umwelt noch wochen- bis monatelang infektiös. Auch rohe Meeresfrüchte, kontaminierte Rohkost und Wasser können Infektionsquellen sein.
Über 90 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch. Die Folgen einer kongenitalen Infektion können gravierend sein und umfassen Chorioretinitis, Hydrozephalus, zerebrale Kalzifikationen, Mikrozephalie, Krampfanfälle oder kognitive Einschränkungen.
Die Übertragungsrate steigt von etwa 13 % im ersten Trimenon auf bis zu 80 % am Ende der Schwangerschaft (1). Entscheidend ist eine frühzeitige Behandlung, idealerweise innerhalb von drei Wochen ab Infektion. Im ersten Trimenon wird Spiramycin empfohlen, ab dem zweiten Trimenon Pyrimethamin und Sulfadiazin kombiniert mit Folinsäure.
Pyrimethamin und Sulfadiazin sind potenter als Spiramycin, plazentagängig und können die Blut-Hirn-Schranke passieren. Insgesamt ist die mütterliche Seroprävalenz in der Schweiz seit den 1980er-Jahren von etwa 50 % auf 20 % (2010) signifikant gesunken (2). Hauptfaktoren für diesen Rückgang sind vor allem eine optimierte Lebensmittelverarbeitung, veränderte Essgewohnheiten und ein besseres Bewusstsein für Toxoplasmose.
Trotz des 2008 abgeschafften Screenings nahm die Zahl der Erkrankungen weiter ab. Heute steht die Primärprävention im Vordergrund: Schwangere sollten nur gut durchgegartes (> 67 °C) oder tiefgefrorenes Fleisch (–20 °C für drei Tage) verzehren. Zudem sollten sie Rohmilchprodukte, rohe Eier oder unzureichend gewaschene Rohkost meiden und bei Gartenarbeit oder der Entsorgung von Katzenkot Handschuhe tragen.
Risiko für Listerien-Infektion bis 20-fach erhöht
Listeria monocytogenes ist ein gram-positives, fakultativ anaerobes Bakterium, das ubiquitär in der Umwelt vorkommt und extrem widerstandsfähig ist. Listerien vermehren sich in Temperaturbereichen von 0–45 °C, hohen Salzkonzentrationen (10–12 %) und unter aeroben sowie anaeroben Bedingungen.
Die häufigste Infektionsquelle für Schwangere stellen Lebensmittel wie Rohmilchprodukte, verarbeitete Fleischwaren (insbesondere Geflügel) und Rohkost dar. Auch Schmierinfektionen durch kontaminierte Küchenflächen (Biofilm in Abwaschbecken oder Kühlschrank) und nosokomiale Infektionen sind möglich (3).
Schwangere haben, vermutlich durch die verminderte zelluläre Immunität, ein 10- bis 20-fach höheres Risiko, an Listeriose zu erkranken. Mütterliche Symptome sind oft unspezifisch mit grippeähnlichen Beschwerden, Fieber, gastrointestinalen Symptomen und Myalgien. Das Risiko für Aborte in der Frühschwangerschaft beträgt 65 % und für Frühgeburtlichkeit 40 %. Listeria verursacht wahrscheinlich keine kongenitalen Fehlbildungen. Die Therapie besteht aus hochdosiertem Ampicillin oder Amoxicillin (6–12 g/d) für 14 bis 21 Tage. Eine Blutkultur bestätigt die Diagnose (3).
«Die Inkubationszeit kann bis zu zwei Monate dauern. Bei potenziellem Kontakt mit Listerien sollten man die Patientin beobachten. Treten Fieber und typische Symptome auf, sollte man unbedingt sofort behandeln und eine Blutkultur anlegen», so der Referent. Sein Rat: «Manchmal ist es besser, für neun Monate auf Sushi zu verzichten und stattdessen ein gutes Fondue zu geniessen, denn der erhitzte Käse sei unbedenklich.»
Parvovirus B19 bleibt oft unbemerkt
Parvovirus B19 ist eine saisonale Tröpfcheninfektion mit unspezifischen Symptomen, die meist Kleinkinder betrifft. Die Inkubationszeit beträgt 7 bis 14 (–21) Tage. Ein typisches Symptom bei Kindern sind die sogenannten «slapped cheeks» und Fieber. Sobald das Exanthem auftritt, sind betroffene Kinder nicht mehr kontagiös. Bei Erwachsenen treten Myalgien und Arthralgien auf, 50 % der Infektionen verlaufen asymptomatisch.
Frauen mit Hämoglobinopathien können hämolytische Krisen entwickeln. Etwa 65 % der Schwangeren sind immun. Während Epidemien steigt die Serokonversionsrate von 1–2 % auf bis zu 14 %. Das höchste Infektionsrisiko besteht bei engem Kontakt zu Kindern unter sechs Jahren, insbesondere im eigenen Haushalt, wo die Übertragungsrate bis zu 55 % erreichen kann.
Ein Routine-Screening auf kürzlich aufgetretene Parvovirus-B19-Infektionen wird nicht empfohlen, sollte aber allen Frauen mit Risiko angeboten werden. Prof. Schäffer rät, bei der ersten Kontrolle im ersten Trimenon eine Blutprobe als Rückstellprobe in der Serothek einzufrieren – für spätere Tests auf Parvovirus oder Toxoplasmose im Falle eines Verdachts bzw. einer Exposition während der Schwangerschaft. Durch Bestimmung von IgG und IgM kann im weiteren Verlauf eine Infektion bestätigt oder ausgeschlossen werden.
Die feto-maternale Transmissionsrate liegt bei 30–50 %. Infektionen vor der 20. Schwangerschaftswoche erhöhen das Risiko für einen intrauterinen Fruchttod (3–11 %) oder fetale Anämie (3–4 %), wobei 50 % spontan reversibel sind. Entwickelt sich ein fetaler Hydrops in der 10. bis 23. SSW (Peak 2–6 Wochen nach Infektion), liegt die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Regredienz bei 5 % (4). Frühe Zeichen für Hydrops können ein initialer Aszites, hyperechogener Darm, Myokarditis und Perikarderguss sein.
Bei Infektion vor der 28. SSW sind wöchentliche Ultraschall- und Dopplerkontrollen über zwölf Wochen notwendig. «90 % der akuten mütterlichen Infektionen führen nicht zu schweren fetalen Erkrankungen – das muss man den Frauen sagen, um Ängste zu nehmen», so Prof. Schäffer.
Kongenitales Zytomegalievirus: Prävention ist einfach
Die kongenitale Infektion mit Zytomegalievirus (CMV) ist die häufigste kongenitale Virusinfektion in Europa und Hauptursache für fetale Gehörschäden sowie lebenslange neurologische Beeinträchtigungen. Etwa 4 von 1000 Geburten sind betroffen. Rund 90 % der mütterlichen Infektionsfälle verlaufen symptomlos. Eine Reinfektion oder Reaktivierung der Erkrankung ist möglich. In der Schweiz sind etwa 50 % der Schwangeren seronegativ und damit für Primärinfektionen gefährdet. In Afrika sind über 90 % der Frauen seropositiv (5).
Hauptinfektionsquelle sind Kleinkinder im Haushalt, weshalb vor allem Schwangere mit Kleinkindern unter 3 Jahren gescreent werden sollten. Von der Infektion der Mutter bis zur Übertragung auf das ungeborene Kind dauert es 6–8 Wochen. Eine Primärinfektion im ersten Trimenon ist am gefährlichsten und kann schwere fetale ZNS-Schäden verursachen. Infektionen im zweiten oder dritten Trimenon führen zu milderen neurologischen oder Gehörschäden (6).
Ein Screening auf CMV sollte so früh wie möglich (< 14. SSW) erfolgen. Die Interpretation der Serologie kann komplex sein. Zusatzanalysen mittels CMV-IgM-Western Blot, Elisa, PCR oder IgG-Aviditätstests können notwendig werden. IgM, der Antikörper, der als erste Antwort auf eine Infektion gebildet wird, ist oft falsch-positiv (zu 80 % keine Primärinfektion) und kann bis zu 2 Jahre persistieren.
Positives CMV-IgM kann sowohl auf eine Primärinfektion, eine Persistenz oder eine unspezifische Kreuzreaktion hinweisen. Erst mit dem Nachweis einer Serokonversion mit positivem IgG im Verlauf gilt die Diagnose einer CMV-Primärinfektion als gesichert. Aviditätstests helfen, frische von älteren Infektionen zu unterscheiden. Rückstellproben aus einer Serothek erleichtern den Vergleich.
Aufklärung statt Routine-Screening
Die Prävention ist einfach: Gute Händehygiene mit Wasser und Seife nach Kontakt mit kindlichen Sekreten kann eine CMV-Infektion effektiv verhindern. Für beruflich exponierte Schwangere ist es ratsam, Hygieneregeln strikt einzuhalten (Desinfektion, Handschuhe tragen, ggf. Mundschutz). Eine Metaanalyse zeigte, dass eine orale Hochdosistherapie mit Valaciclovir (4 × 2 g/Tag) die vertikale Transmission des Zytomegalievirus (CMV) bei Schwangeren mit primärer perikonzeptionell oder im ersten Trimenon erworbener CMV-Infektion signifikant um 65–70 % senken kann (7).
Die Behandlung war insgesamt gut verträglich und Nebenwirkungen traten selten auf (2,1 %) mit Nausea, Kopfschmerzen und transienter Niereninsuffizienz. Die Schweizer Empfehlungen für Infektionen in der Schwangerschaft setzen vor allem auf Prävention durch Aufklärung und auf gezielte Diagnostik statt grundsätzlich flächendeckender Tests. Entscheidend sind Hygieneinstruktionen in der Frühschwangerschaft, der Verzicht auf riskante Lebensmittel, das Aufbewahren von Rückstellproben im Labor (insbesondere bei Parvovirus B19) für eine spätere Abklärung, das Angebot zum CMV-Screening insbesondere bei Risikopopulationen sowie eine sorgfältige Interpretation der Serologie.
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- Wallon M et al. Congenital toxoplasma infection: monthly prenatal screening decreases transmission rate and improves clinical outcome at age 3 years. Clin Infect Dis. 2013; 56(9): 1223–31. doi: 10.1093/cid/cit032.
- Rudin C et al. Decline of Seroprevalence and Incidence of Congenital Toxoplasmosis Despite Changing Prevention Policy-Three Decades of Cord-blood Screening in North-western Switzerland. Pediatr Infect Dis J. 2018; 37(11): 1087–1092. doi: 10.1097/INF.0000000000001978.
- Kraus Jr V, Cižmárová B, Birková A. Listeria in Pregnancy-The Forgotten Culprit. Microorganisms. 2024; 12(10): 2102. doi: 10.3390/microorganisms12102102.
- Jiménez Cruz J et al. Ongoing outbreak of maternal parvovirus B19 infections in Germany since end of 2023: consequence of COVID-19 pandemic? Ultrasound Obstet Gynecol. 2025; 5(4): 456–61. doi: 10.1002/uog.29197.
- Chandrasekaran P et al. Prenatal and postnatal antiviral therapies for the prevention and treatment of congenital cytomegalovirus infections. Curr Opin Infect Dis. 2024; 37(6): 494–505. doi: 10.1097/QCO.0000000000001067.
- Chatzakis C et al. Timing of primary maternal cytomegalovirus infection and rates of vertical transmission and fetal consequences. Am J Obstet Gynecol. 2020; 223(6): 870–883.e11. doi: 10.1016/j.ajog.2020.05.038.
- Chatzakis C et al. The effect of valacyclovir on secondary prevention of congenital cytomegalovirus infection, following primary maternal infection acquired periconceptionally or in the first trimester of pregnancy. An individual patient data meta-analysis. Am J Obstet Gynecol. 2024 Feb; 230(2): 109–117.e2. doi: 10.1016/j.ajog.2023.07.022.
 
Basler Sommersymposium Gynäkologie 2025 – Infektionen in der Schwangerschaft – aktuelle Empfehlungen in der Schweiz. 5. Juni 2025
