Medical Tribune
21. Okt. 2025PSMA-PET, intensivierte Hormontherapie und neue zielgerichtete Behandlungen

Moderne Therapiestrategien beim Prostatakarzinom

In der Schweiz ist das Prostatakarzinom die häufigste Tumorerkrankung des Mannes. Das diagnostische und therapeutische Management entwickelt sich dabei rasant. Am WebUp Update Urologie stellte Dr. Basil Kaufmann, Oberarzt der Klinik für Urologie am Universitätsspital Zürich, die aktuellen Therapiestandards vor.

Untersuchung der Prostata durch den Urologen: Symbolbild zur Diagnose von Erkrankungen wie Krebs oder Adenom.
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Sowohl in der Schweiz als auch global ist das Prostatakarzinom eine grosse Belastung. Mit der steigenden Lebenserwartung wird die Krankheitslast in den kommenden Jahren weiterhin zunehmen. Hinsichtlich der Mortalität steht es nach dem Lungen-, Kolorektal-, Pankreas- und Mammakarzinom an fünfter Stelle.

Viele Patienten mit Prostatakarzinom sterben jedoch an Komorbiditäten, allen voran kardiovaskulären Erkrankungen. Selbst beim metastasierten Prostatakarzinom ist die Todesursache in über 20 % der Fälle nicht auf das Prostatakarzinom zurückzuführen. «Es ist daher wichtig, dass wir auch Begleiterkrankungen optimal behandeln», betonte der Referent.

Hormonelle Achse im Fokus

Das Prostatakarzinom wird heute zunehmend als biologischer Krankheitszustand verstanden, der durch das Ansprechen auf hormonelle Therapie definiert ist. «Wir schauen beispielsweise, ob der Patient noch auf die Therapie anspricht, wenn wir den Testosteronspiegel senken», erläuterte der Experte. Patienten, die nicht die ansprechen, gelten als kastrationsresistent, Patienten, die ansprechen als kastrationssensitiv. «Diese zweidimensionale Betrachtung erlaubt es uns, die weitere Therapie richtig zu steuern.»

Die Androgendeprivationstherapie (ADT) bildet seit über 70 Jahren das Fundament der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. «Wir hemmen die Testosteronproduktion und senken damit dessen Spiegel. Testosteron ist bekanntlich der Treibstoff des Prostatakrebses.»

Zur ADT eignen sich Medikamente, die die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse beeinflussen, wie LHRH-Agonisten oder -Antagonisten. Substanzen wie Abirateron hemmen das Enzym CYP17A1 und damit die Androgensynthese in Nebennieren, Hoden und Tumorzellen. Antiandrogene der zweiten Generation (z. B. Enzalutamid, Apalutamid, Darolutamid) blockieren den Androgenrezeptor gezielt und sind zentraler Bestandteil der intensivierten Hormontherapie. Präparate der ersten Generation (z. B. Bicalutamid) werden heute nur noch vereinzelt, etwa zur Flare-up-Prophylaxe, eingesetzt.

Alleinige ADT nicht ausreichend beim mPC

Eine alleinige Androgendeprivationstherapie (ADT) wird beim metastasierten Prostatakarzinom heute nicht mehr als ausreichend angesehen, da die meisten Patienten innerhalb weniger Jahre Resistenzen entwickeln. Ursachen sind unter anderem die intratumorale Heterogenität und adaptive Veränderungen im Androgenrezeptor-Signalweg. Beim metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) gilt daher die Kombination aus ADT und einem modernen Androgenrezeptor-gerichteten Wirkstoff wie Enzalutamid, Apalutamid, Darolutamid oder Abirateron als neuer Behandlungsstandard. «Mehrere grosse Phase-III-Studien wie LATITUDE, STAMPEDE, TITAN oder ARASENS haben gezeigt, dass eine solche Therapieintensivierung das Gesamtüberleben und die Progressionskontrolle signifikant verbessert», erläuterte der Experte. In Fällen mit hoher Tumorlast kann zusätzlich Docetaxel erwogen werden, wenngleich dies mit erhöhter Toxizität einhergeht.

Reale Daten belegen jedoch, dass eine intensivierte Behandlung im metastasierten Stadium oft schwierig umzusetzen ist: Nur 60–65 % der Patienten erhalten sie. Gründe sind u.a. die hohen Kosten, Nebenwirkungen, Komorbiditäten, mangelnde Therapietreue oder eingefahrene Behandlungsmuster.

Bildgebung der nächsten Generation: PSMA-PET

Fortschritte gibt es bei der molekularen Bildgebung: Die Prostata-spezifisches Membran-Antigen-Positronen-Emis­sions-Tomografie (PSMA)-PET, verbesserte die Genauigkeit des Stagings stark, denn sie bietet im Vergleich zu konventionellen Verfahren wie CT oder Knochenszintigrafie eine deutlich höhere Sensitivität und Spezifität.

«Im fortgeschrittenen Stadium sind etwa 80–85 % der Prostatakrebsfälle stark PSMA-positiv», berichtete der Referent. «Die PSMA-PET beeinflusst auch das weitere Management der Patienten. Denn wir können nun Metastasen lokalisieren und diese auch gezielt behandeln.» Ein weiterer Vorteil: Diese Bildgebungsmethode ermöglicht es auch, geeignete Patienten für die PSMA-gesteuerte Radioligandentherapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom auszuwählen. «Dass sich mit der PSMA-PET aber auch das Überleben verbessert, konnte bislang noch nicht bestätigt werden», so der Experte.

Molekulare Diagnostik und zielgerichtete Therapien

Ziel der der genomischen Testung ist es, Mutationen möglichst früh zu erkennen, um die richtige Therapie einleiten zu können. «Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom haben in 10 % der Fälle eine Keimbahnmutation», erläuterte der Urologe. Besonders oft treten dabei Defekte im DNA-Reparaturweg auf. BRCA2-Mutationen sind dabei mit 40–50 % innerhalb der HRR-Mutationen am häufigsten. Dr. Kaufmann empfahl, bei allen Prostatakarzinom-Patienten im metastasierten Tumorstadium Keimbahntestungen durchzuführen – unabhängig von der Familienanamnese.

«Wir sollten aber nicht nur die Keimbahn testen, sondern auch den Tumor selbst», so der Experte. Zum Beispiel mittels Metastasenbiopsie oder Bestimmung von zirkulierender Tumor-DNA im Blut (liquid biopsy). Die meisten therapeutisch relevanten Mutationen könnten durch Testung des Primärtumors gefunden werden, so Dr. Kaufmann. In 2–3 % der Fälle bestehen Mikrosatelliteninstabilitäten, die gut auf eine Immuncheckpoint-Inhibitoren ansprechen. Defekte im DNA-Reparaturweg, insbesondere BRCA2-Mutationen, eignen sich die sog. PARP-Inhibitoren (z. B. Olaparib, Rucaparib), die den Reparaturmechanismus von DNA-Schäden in Krebszellen blockieren.

Neue Zielstrukturen und Therapiekonzepte in Sicht

Zum Abschluss seines Vortrags sprach der Referent über einige neue zielgerichtete Technologien in der Behandlung der Prostatakrebses. Dabei gibt es drei Hauptkategorien, an denen derzeit intensiv geforscht wird: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, bispezifische T-Zell-Antikörper und die Radioligandentherapie. Vielversprechende Zielstrukturen sind u. a. PSMA und CD46. Letzteres ist in Prostatakarzinomzellen stark überexprimiert, auch bei neuroendokriner Transformation, was diesen Ansatz besonders interessant macht.

Die Radioligandentherapie ist in der Klinik bereits sehr verbreitet. Hier binden radioaktive Liganden wie Lutetium an ein PSMA-bindendes Molekül. Vorteil dieser Therapie ist es, dass man nicht nur die Tumorzellen zerstören, sondern auch die betroffenen Körperstellen exakt lokalisieren und somit den Therapieerfolg beurteilen könne, erläuterte der Referent. Diese Therapie sei mittlerweile Standard bei vorbehandelten Patienten im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium. Der Referent wies auch auf weitere Entwicklungen bei dieser Therapieform hin. Es gibt z.B. Versuche mit neuen Isotopen, einer adaptiven Dosierung und unterschiedliche Kombinationen, unter anderem mit Checkpoint-Inhibitoren oder PARP-Inhibitoren.