Selen – essenzieller Radikalfänger für Schilddrüse, Immunsystem und Zellschutz
Selen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement – und in Mitteleuropa eher knapp. Daher kann es in der Bevölkerung leicht zu einer Unterversorgung kommen. Das Spurenelement erfüllt jedoch zentrale biologische Funktionen, von der antioxidativen Abwehr bis zur Schilddrüsengesundheit.

Selen ist Bestandteil zahlreicher selenocysteinhaltiger Proteine, die zentrale Aufgaben im Redoxhaushalt übernehmen. Zu den wichtigsten zählen Glutathionperoxidasen, welche reaktive Sauerstoffspezies wie Wasserstoffperoxid entschärfen, sowie Thioredoxin-Reduktasen, die essenzielle Reduktionsprozesse in Zellen und Geweben ermöglichen. Das Resultat: Schutz vor oxidativem Stress und stabile immunologische Abläufe.
Eine besondere Bedeutung hat Selen für die Schilddrüse. Dort entstehen bei der Hormonproduktion Sauerstoffradikale, die das Gewebe schädigen könnten. Selenhaltige Enzyme neutralisieren diese und schützen vor degenerativen Veränderungen. Zudem ist das Spurenelement essenziell für die Umwandlung von T4 in das aktive T3. Bei Hashimoto-Thyreoiditis gilt Selen als Standard in der adjuvanten Therapie (typisch: 200 µg/Tag für ca. drei Monate).
Auch in der Onkologie zeigen präklinische und frühe klinische Daten protektive Effekte: Durch die antioxidative Wirkung können DNA-Schäden im Anfangsstadium einer Tumorerkrankung reduziert werden (1,2).
Health Claims gemäss EU-Verordnung
Selen trägt bei zu (3):
- Erhaltung normaler Haare und Nägel
- Normaler Spermabildung
- Normaler Funktion des Immunsystems
- Normaler Schilddrüsenfunktion
- Schutz der Zellen vor oxidativem Stress
Mangel – oft unspezifisch, aber folgenreich
Ein Selenmangel zeigt sich vor allem durch erhöhte Infektanfälligkeit. Häufig treten unspezifische Symptome wie Müdigkeit und depressive Verstimmungen auf. In Studien wurde besonders bei Chronic-Fatigue-Patienten häufig ein Mangel dokumentiert. Auch Vegetarier und Veganer sind aufgrund der geringen Zufuhr tierischer Lebensmittel gefährdet.
Klassische Selenmangelerkrankungen sind selten, aber eindrücklich (1,2):
– Keshan-Krankheit (juvenile Kardiomyopathie)
– Kaschin-Beck-Krankheit (Knorpeldegeneration)
– Weissmuskelkrankheit (nutritive Rhabdomyolyse)
Eine Überdosierung kann rasch toxisch werden: typisch sind Haarausfall, brüchige Nägel, ein knoblauchartiger Geruch, sowie gastrointestinale Beschwerden. Sehr hohe Dosen (mehrere Gramm) können zu Kammerflimmern, Herzversagen bis hin zum Tod führen.
Vorkommen und Bedarf
Die Selenkonzentration in Lebensmitteln hängt stark vom Bodengehalt ab. Reich an Selen sind:
– Fleisch, Fisch, Innereien
– Nüsse (v. a. Paranüsse)
Der Bedarf ist erhöht bei:
– Schwangerschaft und Stillzeit
– Vegetarischer/veganer Ernährung
– Autoimmunthyreoiditis, HIV, Krebs, ARDS
– Rauchern, Leistungssportlern und Polytraumen
Für gesunde Erwachsene gelten 30–70 µg/Tag als sicher.
Indikationen aus der Praxis
Selen wird häufig eingesetzt:
- Begleitend in der Onkologie
- Präventiv oder adjuvant bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, rheumatischen Erkrankungen
- Bei erhöhter Infektanfälligkeit
- Bei Autoimmunthyreoiditis
- Bei unspezifischen Mangelsymptomen wie Müdigkeit, Allergieneigung, Myopathien oder Schilddrüsenbeschwerden
Praktische Hinweise für die Verordnung
- Regelmässige Vollblutkontrollen: insbesondere bei hochdosierter oder langfristiger Einnahme.
- Auf die Verbindung achten:
- Selenmethionin – am besten zu den Mahlzeiten
- Natriumselenit – ca. 2 Stunden nach dem Essen
- Bei klinischem Verdacht auf Malabsorption frühe Spiegelbestimmung erwägen.
- Mikronährstoff-Coach: Wien, Österreich: Verlagshaus der Ärzte, 2020
- Gröber, Uwe: Mikronährstoffe: Metabolic Tuning – Prävention – Therapie ; mit 134 Tabellen, 3. Aufl., Weinheim, Deutschland: Beltz Verlag, 2011.
- Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012
- Gröber, Uwe: Arzneimittel und Mikronährstoffe – Medikationsorientierte Supplementierung, 4. Aufl., Stuttgart, Deutschland: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2018