Medical Tribune
14. Sept. 2025Mehr als innere Stärke

Welche Faktoren junge Menschen vor Depression schützen

Weltweit sind junge Menschen einem steigenden Risiko für Depressionen ausgesetzt. Doch die Forschung in diesem Bereich fokussiert zu einseitig auf die innere Widerstandskraft. Als Ressource zumindest ebenso bedeutsam sind äussere Faktoren.

Eine Gruppe fröhlicher junger Erwachsener.
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Welche Einflussgrössen schützen junge Erwachsene vor einer Depression? Dieser Frage ging ein internationales Team um Prof. Dr. Linda­ Theron­ von der Universität Pretoria­ im Rahmen eines systematischen Reviews nach (1). Eingeschlossen in die Analyse waren 139 seit dem Jahr 2000 publizierte Studien mit insgesamt über 17.000 Teilnehmern im Alter von 18 bis 29 Jahren. In allen Arbeiten taucht der Begriff der Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des Einzelnen gegenüber Stress, auf.

In 70 Prozent der Studien bezog sich Resilienz auf Persönlichkeitsmerkmale und individuelle Strategien zur Bewältigung von belastenden oder krisenhaften Lebensumständen. Hierzu zählten etwa eine optimistische Grundeinstellung, ein gutes Selbstwertgefühl sowie eine generelle kognitive Flexibilität.

Einige Studien kamen zu dem Schluss, dass zudem Faktoren wie ein stabiles soziales Umfeld und familiäre Unterstützung vor Depressionen schützen können.

Bildungschancen und andere Aspekte werden ignoriert

Nur sehr wenige Arbeiten behandelten den Effekt von gesellschaftlichen Einflussgrössen. So wurden etwa Bildungschancen der jungen Leute, wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit sowie die kulturelle Zugehörigkeit eher selten berücksichtigt.

In nur sechs Studien waren protektive Faktoren aus mindestens drei derartigen Dimensionen zugleich berücksichtigt worden. Diese wenigen Untersuchungen zeigten den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Depressionsrisiko und fehlenden Ressourcen auf indi­vidueller, sozialer und institutioneller Ebene.

Kaum Daten aus Ländern mit niedrigerem Einkommen

Auffallend ist, dass sich die demografische und geografische Realität nicht in den Studiendaten widerspiegelt, betont das Autorenteam. Denn die allermeisten Studienergebnisse bezögen sich auf Nordamerika und andere wirtschaftlich starke Regionen. Erkenntnisse zu Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, in denen aber global gesehen 90 Prozent der jungen Menschen leben, gebe es kaum. Frauen sind in den Studien prinzipiell überrepräsentiert, wohingegen Menschen mit LGBTQ+-Zugehörigkeit und andere Minderheiten kaum vertreten sind.

Naheliegenderweise sind es aber insbesondere die Menschen aus einkommensschwachen Ländern und Angehörige von Minderheiten, die besonderem psychischen Druck und damit einem erhöhten Depressionsrisiko ausgesetzt sind, schreiben Prof. Theron und sein Team. Das Nichtberücksichtigen dieser realen Belastungen, die Resilienz überhaupt erst notwendig machen, ist ein grundlegendes strukturelles Problem der Forschung, heisst es weiter. Notwendig seien daher Studien, die persönliche, ökonomische, soziale und gesellschaftliche Apekte sowie deren Zusammenspiel berücksichtigen. Nur anhand derartiger Untersuchungen könnten effektive Massnahmen zur Depressionsprävention bei jungen Menschen entwickelt werden.

Resilienz auf Charaktereigenschaften und individuelle Fähigkeiten zu beschränken, ist nach Ansicht der Studiengruppe zu einfach gedacht. Mit dieser Betrachtungsweise werde die Depressionsprävention einseitig in den Verantwortungsbereich des Einzelnen geschoben.