Medical Tribune
8. Juli 2025Unterschätztes Risiko Jodmangel

Wie viel Jod brauchen wir wirklich?

Trotz der Verwendung von jodiertem Speisesalz sind mehr als 87 Prozent der Bevölkerung mit Jod unterversorgt – insbesondere Schwangere und Stillende. Eine ausreichende Zufuhr von Jod ist jedoch essenziell für die Bildung der Schilddrüsenhormone.

Grosse Teile der Bevölkerung haben eine Unterversorgung mit Iod.
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Wie Jod auf Hormonproduktion und Stoffwechsel wirkt

Die Synthese der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) benötigt ausreichende Mengen Jod. Das mit der Nahrung aufgenommene Jodid wird mithilfe der Thyreoperoxidase zu Jod oxidiert. Danach erfolgt die Jodierung der Tyrosinreste, wodurch Monoiod- und Diiodtyrosin entstehen. Durch Kopplung zweier Diiodtyrosine wird T4 gebildet. Das bioaktive T3 ist das Endprodukt aus der Kopplung von Diiodtyrosin und Monoiodtyrosin oder wird aus T4 unter Abspaltung von Jod gebildet. Dieser Prozess ist selenabhängig.

T3 bindet anschliessend an den Rezeptor der Zielzelle, wodurch die für Schilddrüsenhormone typischen Wirkungen ausgelöst werden. Dazu zählen der Einfluss auf den Energiestoffwechsel, den Wärmehaushalt, die Glykogensynthese und die Lipolyse. Das Wachstum und die Organentwicklung, vor allem des Gehirns und der Knochen, werden ebenfalls gesteuert. Da dies bereits im Mutterleib beginnt, ist schon während der Schwangerschaft auf eine ausreichende Versorgung mit Jod zu achten.

Antioxidativer Schutz: Ein zusätzlicher Nutzen von Jod

Interessant ist die Tatsache, dass Jod den körpereigenen antioxidativen Schutz unterstützt. Jod hilft, Sauerstoffradikale zu neutralisieren, und schützt Sulfhydryl-Gruppen vor der Oxidation. Somit sind Effekte auf Immunfunktionen, den Stoffwechsel und entzündliche degenerative Erkrankungen möglich.

Vielfältige Funktionen im Körper

Jod ist unerlässlich für die Produktion der Schilddrüsenhormone und unterstützt die normale Funktion der Schilddrüse. Darüber hinaus spielt es eine Rolle für das Nervensystem, den Energiestoffwechsel und die Erhaltung gesunder Haut. Auch die kognitive Leistungsfähigkeit – also die Fähigkeit zu denken, zu lernen und sich zu konzentrieren – kann durch eine ausreichende Jodversorgung positiv beeinflusst werden.

Empfohlene Tageszufuhr und Besonderheiten bei Hashimoto

Die tägliche Jodzufuhr soll laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Jugendliche und Erwachsene 200 μg/Tag betragen, bei Schwangeren 230 μg und bei Stillenden 260 μg pro Tag. Diese Mengen gelten auch für Hashimoto-Patienten. Werte über 300 μg Iod sollten allerdings vermieden werden, da sie zu einer Erhöhung der entzündlichen Aktivität der Schilddrüse führen können.

Interaktionen mit Eisen und Selen: Auf den Gesamtstatus achten

Die Jodaufnahme kann bei bestehendem Eisenmangel gestört sein. Besonders bei Jodmangel und Schilddrüsenunterfunktion ist es daher wichtig, den Eisenstatus zu bestimmen.

Treten Jod- und Selenmangel gleichzeitig auf, kann der Selenmangel eine durch den Jodmangel ausgelöste Hypothyreose verstärken, da weniger T4 in T3 umgewandelt wird. Ausserdem fällt in dieser Situation durch TSH-Stimulation vermehrt Wasserstoffperoxid an. Das für die Entgiftung notwendige Enzym ist aber selenabhängig. Folglich wird das Schilddrüsengewebe vermehrt geschädigt.

Natürliche Jodquellen in der Ernährung

Jod ist enthalten in Meeresfischen wie Steinbutt, Hering und Thunfisch sowie in Krustentieren. Weitere wesentliche Mengen finden sich in jodiertem Speisesalz. In Fertigprodukten ist dieses durch die Bezeichnung «jodiertes Speisesalz» oder «Jodsalz» statt «Speisesalz» gekennzeichnet. Geringe Mengen sind in Milch und Eiern enthalten.

Erhöhter Bedarf an Jod in sensiblen Lebensphasen

Ein erhöhter Jodbedarf besteht bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum, in der Schwangerschaft durch die erhöhte renale Durchblutung und Exkretion und in der Stillzeit. Auch Senioren, Sportler und Vegetarier müssen auf eine ausreichende Zufuhr achten.

Folgen eines Jodmangels: Von Müdigkeit bis Fehlgeburt

In der Allgemeinbevölkerung können Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmungen, Verdauungsstörungen, ein schwaches Immunsystem und trockene, schuppige Haut auf einen Jodmangel hindeuten. Bei Kindern sind Entwicklungsstörungen, Hörprobleme und Lernschwäche mögliche Folgen. In der Schwangerschaft steigt das Risiko für Fehlgeburten und Missbildungen; auch die Gehirnentwicklung des Fötus kann gestört sein.