Immunchemotherapie neuer Standard bei Stadium III dMMR-Kolonkarzinom
Patienten mit einem Kolonkarzinom im Stadium III und nachgewiesenem Mismatch-Reparaturdefekt (dMMR) erhalten derzeit noch immer eine adjuvante Chemotherapie mit FOLFOX / CAPOX – trotz bekannter Resistenz gegen Zytostatika und Ansprechen auf Immuntherapien. Am ASCO-Jahreskongress wurde die erste Phase-III-Studie präsentiert, die zeigt, dass Atezolizumab zusätzlich zur adjuvanten Chemotherapie die Prognose verbessert.

Rund 15 Prozent der Kolonkarzinome weisen einen Defekt der Mismatch-Reparatur (dMMR) auf. Bei ihnen sind mehrere Besonderheiten bekannt.
Therapeutisch weisen sie etwa einerseits eine relative Resistenz gegenüber Chemotherapien auf, andererseits zeigen sie ein vergleichsweise gutes Ansprechen auf Immuntherapien. Ungeachtet dessen erhalten dMMR-Patienten im Stadium III weiterhin adjuvant die Standard-Chemotherapie mit Fluoropyrimidin plus Oxaliplatin.
Zwar haben dMMR-Tumoren grundsätzlich eine günstigere Biologie als pMMR-Tumoren, doch im Stadium III geht dieser Vorteil nach der Chemotherapie verloren: Rund 30 Prozent erleiden ein Rezidiv.
ATOMIC-Studie prüft Zusatznutzen von Atezolizumab zur adjuvanten Chemotherapie
Die ATOMIC (A021502)-Forscher wollten erstmals in einer RCT klären, ob die Hinzunahme einer Immuntherapie zur adjuvanten Chemotherapie die Prognose von dMMR-Patienten verbessern kann (1).
Eingeschlossen waren insgesamt 712 Patienten mit R0-resezierten dMMR-Kolonkarzinomen im Stadium III. Sie erhielten randomisiert entweder 12 Zyklen (6 Monate) mFOLFOX6 allein, oder mFOLFOX6 zusammen mit dem anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab, gefolgt von weiteren 12 Monate Atezolizumab als Erhaltungstherapie.
Kombination halbiert Rezidivrisiko
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 37,2 Monaten war das Risiko für ein Rezidiv in der Immunchemotherapie-Gruppe absolut um rund zehn Prozent reduziert (3-Jahres-DFS mit Atezolizumab: 86,4% vs. 76.6%; Hazard Ratio 0,50; 95%-KI: 0,34-0,72; p < 0,0001). Dieser Effekt war unabhängig von Alter (≥ 65 Jahre), Risikoprofil (T4 vs T1-3 bzw. N2 vs. N1) oder Tumorlokalisation.
Angesichts der eingeschränkten Wirksamkeit klassischer Zytostatika bei dMMR-Tumoren sei dies ein praxisverändernder Fortschritt, betonte Studienleiter Prof. Frank A. Sinicrope von der Mayo Clinic Rochester.
Die Daten zum Gesamtüberleben waren zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht reif.
Nebenwirkungen «handhabbar»
Das Sicherheitsprofil entsprach weitgehend den bekannten Nebenwirkungen der eingesetzten Substanzen. Schwere (≥Grad 3) therapieassoziierte Nebenwirkungen traten dabei bei 71,7 % der Patienten in der Atezolizumab-Gruppe auf – verglichen mit 62,1 % im Kontrollarm.
Insbesondere unter Atezolizumab traten auch immunspezifische Nebenwirkungen wie Hautreaktionen, Hypothyreose, Hepatitis oder Myositis auf. Diese fielen jedoch mehrheitlich mild aus und waren laut Prof. Sinicrope gut beherrschbar.
Zusätzlich trat bei rund 40 Prozent der Patienten in beiden Gruppen eine Neutropenie der Grade 3 oder 4 auf.
Konsequenzen für die klinische Praxis
Für ASCO-Experten Dr. Joel Saltzman, Cleveland Clinic, stellt Atezolizumab einen neuen Standard für das Studienkollektiv dar. Er hob ausserdem positiv hervor, dass die seltene Subgruppe hier erstmals in einer grossen Phase-III-Studie untersucht wurde.
Dr. Myriam Chalabi vom Netherlands Cancer Institute diskutierte die Relevanz der ATOMIC-Daten ausserdem im grösseren Kontext. Sie wies auf den wachsenden Trend hin, dMMR-Patienten bereits in früheren Stadien mit einer Immuntherapie zu behandeln. So habe man mit neoadjuvanten Immuntherapien in den NICHE-Studien hohe Anteile pathologischer Komplettremissionen (pCR) beobachtet.
Monotherapie statt Kombination bei dMMR-Kolonkarzinomen?
Die ATOMIC-Studie belege die Wirksamkeit der Immuntherapie jetzt zwar auch für das adjuvante Setting. «Allerdings wieder in Kombination mit einer Chemotherapie und nicht als Monotherapie», so Dr. Chalabi. Für sie werfen die aktuellen Erkenntnisse die Frage auf, ob eine zusätzliche Chemotherapie im Stadium III bei dMMMR-Tumoren überhaupt noch notwendig ist.
Entscheidungen sollten ausserdem künftig vermehrt personalisiert getroffen werden: «Wir müssen lernen, Patienten zu identifizieren, die allein mit einer Immuntherapie geheilt werden können.» Die ATOMIC-Studie wird fortgeführt – unter anderem mit einer detaillierten Biomarker-Analyse, um künftig prädiktive Faktoren für den Therapieerfolg der Chemoimmuntherapie zu identifizieren.
- Sinicrope F et al. Randomized trial of standard chemotherapy alone or combined with atezolizumab as adjuvant therapy for patients with stage III deficient DNA mismatch repair (dMMR) colon cancer (Alliance A021502; ATOMIC). Präsentiert beim ASCO-Jahreskongress 30. Mai –3. Juni 2025; Chicago, IL. Abstract LBA1