Medical Tribune
26. Mai 202515 Jahre Surveillance empfohlen

Die Spätfolgen der CAR-T-Therapie

Mit zunehmendem Einsatz von CAR-T-Zellen in der Onkologie und ihrer eventuellen Implementierung bei rheumatischen Erkrankungen ist es umso wichtiger, ihre langfristigen Sicherheitsmerkmale im Auge zu behalten. Eine Expertin erläuterte an der OeGHO Frühjahrstagung, mit welchen Spätfolgen nach einer CAR-T-Zell-Therapie zu rechnen ist, und wie die ideale Surveillance aussieht.

Bei der CAR-T-Zell-Therapie gibt es einige mögliche Spätfolgen zu beachten.
LASZLO/stock.adobe.com

«Weltweit wurden bis zum Jahr 2023 bereits 43.000 Patienten mit CAR-T-Zellen behandelt» berichtet Dr. Natalia Rotter, Oberärztin für Hämatologie am Ordensklinikum Linz.

Dass den Hämatologen die Arbeit ausgehen wird, ist auch in Zukunft unwahrscheinlich, so die Expertin: Mittlerweile befinden sich neben den sechs Zweitgenerations-CAR-T-Produkten, die zurzeit in der EU bei B-Zell-Neoplasien zugelassen sind, weitere Dritt- und Viertgenerationsprodukte in klinischer Prüfung – unter anderem für solide Tumoren.

Zudem werden CAR-T-Zellen aktuell auch bei Autoimmunerkrankungen erprobt. «Aufgrund unserer hämatologischen Expertise werden wir auch diese Patienten künftig mitbetreuen.»

Viele CAR-T-Patienten versterben an therapiebedingten Komplikationen

Während die Zahl der Patienten, die eine Heilung oder eine Langzeitremission erreichen, kontinuierlich steigt, rücken auch die Spätfolgen der CAR-T-Therapie zunehmend in den Fokus. Eine Meta-Analyse mit 18 klinischen Studien und 28 Real-World-Analysen mit diversen CAR-T-Produkten und Entitäten zeigt etwa eine Non-Relapse-Mortalität (NRM) von sechs bis elf Prozent. Die häufigsten Todesursachen sind Infektionen (über 50%), gefolgt von sekundären Neoplasien (ca. 8%), sowie kardiovaskuläre und pulmonologische Ursachen.

Besonders gefährdet sind ältere Patienten: Bei den über 75-jährigen belief sich die NRM laut dem französischen Register DESCAR-T (Descriptive Analysis of Real-world CAR-T-cell therapy) sogar auf fast 20 Prozent aufgrund vermehrter Infektionen.

Frühe vs. späte Toxizitäten nach CAR-T-Zell-Therapie

Akute Toxizitäten sind Nebenwirkungen, die  innerhalb der ersten vier Wochen nach CAR-T-Zell-Gabe auftreten, darunter das Cytokine Release Syndrom (CRS) und das Immune Effector Cell-Associated Neurotoxicity Syndrom (ICANS).

Ab Tag 30 verschiebt sich das Bild, wie eine aktuelle Real-World-Analyse aus neun US-Zentren zeigt. Dann treten eher Infektionen, persistierende ICANS und kardiale Ereignisse als Mortalitätsursachen in den Vordergrund.

Ab dem Tag 90 spricht man von späten Toxizitäten. Zu diesen gehören

  • Neurologische Komplikationen
  • Zytopenien
  • Infekte
  • HLH/MAS
  • Sekundärneoplasien
  • GvHD
  • Autonome Komplikationen

Neurologische Spätfolgen

Während das bekannte ICANS typischerweise in den ersten zwei Wochen auftritt, zeigt etwa die TRANSCEND-Studie, dass ein Onset bis Tag 66 prinzipiell möglich ist.

«Bei den ersten CARTITUDE-Studien mit Cilta-cel zeigte sich ein neues Krankheitsbild, die sogenannten MNTs (Movement and Neurocognitive Treatment-emergent Adverse Events)», so Dr. Rotter. Dieses zeichnet sich durch motorisch-neurologische Symptome mit starker T-Zell-Expansion aus. «Durch vermehrtes Tumor-Debulking und den frühen Einsatz von Steroiden und Tocilizumab gelang es aber, das Risiko in der grossen Phase-III-Studie auf 0,3 Prozent zu reduzieren.»

Zytopenien

Oft liegt bereits vor der Behandlung durch fortgeschrittenes Patientenalter oder vorangegangene Therapien eine eingeschränkte Hämatopoese vor, sagt Dr. Rotter. Zytopenien wie die Immune effector Cell-Associated Hematotoxicity (ICAT), eine verzögert auftretende Zytopenieform nach CAR-T-Zellgabe entsteht nach der Behandlung durch Expansion der T-Zellen und eine Dysbalance aus T- und B-Zellen, sowie eine lokale Inflammation im Knochenmark bzw. eine systemische Inflammation. Um Hochrisikopatienten zu identifizieren, hilft der CAR-HEMATOTOX-Score.

Betroffen sind 30 bis 40 Prozent bereits in den ersten drei Monaten. Viele Patienten erholen sich zwar, ein relevanter Anteil jedoch nicht.

Therapieoptionen sind G-CSF, TPO-Agonisten. Persistiert die Zytopenie, empfiehlt sich ein autologer Stammzellboost, der bei Myelom-Patienten mittlerweile frühzeitig gesichert wird. Gegebenenfalls kommen eine allogene Stammzelltransplantation, Immunmodulation mit Steroiden, Anakinra oder Ruxolitinib in Frage.

Infektionen

Infektionen sind die häufigste Ursache nicht-rezidivbedingter Todesfälle. Während zu Beginn vor allem bakterielle Infekte dominieren, treten im späteren Verlauf vermehrt virale Infektionen auf. Begünstigt werden sie durch Zytopenien, die B-Zell-Aplasie, sowie eine Hypogammaglobulinämie.

Zu den prophylaktischn Massnahmen zählen:

  • Herpes-Prophylaxe (über mindestens 1 Jahr)
  • Immunglobulinsubstitution mit Ziel IgG > 400)
  • Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe

Auch Impfungen sind ein wichtiger Teil der Infektionsvorsorge. Aus der klinischen Erfahrung weiss man, dass Totimpfstoffe frühestens sechs Monate nach CAR-T-Zell-Gabe, Lebendimpfstoffe erst nach zwölf Monaten verabreicht werden sollten.

Sekundäre Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) bzw. Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS)

Die Entzündungssyndrome treten manchmal bereits im Kontext mit einem CRS auf, aber auch verzögert. Symptome sind Fieber, das klinische Bild einer Sepsis mit Multiorganversagen, sowie hämophagozytische Histiozyten im Knochenmark oder anderen Geweben. Die Mortalität ist hoch.

Die HLH tritt in klinischen Studien mit einer Inzidenz von 0 bis sechs Prozent auf. Ein Ferritinwert > 10.000 ng/ml gilt laut Dr. Rotter nahezu als pathognomonisch für HLH. Zur Therapie kommen Steroide, Anakinra, Ruxolitinib und gegebenenfalls niedrigdosiertes Etoposid zur Anwendung.

Sekundärneoplasien

Aus der Erfahrung von Registerdaten und klinischen Studien entwickeln rund fünf bis sechs Prozent der Patienten innerhalb von zwei Jahren eine Sekundärneoplasie. Am häufigsten tritt dabei ein MDS oder eine AML auf; solide Tumoren über alle Lokalitäten sind die Minderheit. Seit dem Jahr 2023 gibt es zudem eine Warnung von der EMA – Grund waren Berichte über CAR-T-assoziierte T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome (TNHL). Bei sieben der 38 europäischen Fälle gelang sogar ein Nachweis des CAR-Konstrukts.

Alle CAR-T-behandelten Patienten sollten über die Gefahr von Sekundärmalignomen aufgeklärt werden und laut EMA über 15 Jahre zumindest einmal im Jahr eine Nachsorge zur Detektion von Sekundärmalignomen erhalten, sagt Dr. Rotter. Auch bei einem Rezidiv sollte stets eine Überprüfung des CAR-Transgens erfolgen, um ein TNHL auszuschliessen, das möglicherweise durch Insertionsonkogenese im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie entstanden ist.

Surveillance

Auch generell bedürfen Patienten nach einer CAR-T-Therapie einer gründlichen Nachsorge. «Nach Entlassung sehen wir die Patienten zumindest wöchentlich – bei einer Zytopenie sogar mehrfach pro Woche» sagt die Expertin. Im ersten Jahr empfiehlt es sich dann, diese zumindest einmal pro Monat zu bestellen. Danach folgt eine Untersuchung pro Jahr über mindestens 15 Jahre.

Kontrolliert wird das Blutbild mit Immunglobulinen, Immunstatus, und den Virus-Status bei seropositiven Patienten, die aufgrund der Immunsuppression reaktivieren können. Eine Bildgebung oder Knochenmarkshistologie erfolgt nach Erreichen einer kompletten Remission nur bei Verdacht auf ein Rezidiv.