Eisenmangelanämie bei Kindern und Jugendlichen
Die Eisenmangelanämie ist weltweit die häufigste ernährungsbedingte Mangelerscheinung bei Kindern. Bringt eine Substitution keine Besserung, müssen die Gründe für das Nichtansprechen abgeklärt werden. Wie das geht und wie eine ernährungsbedinge Eisenmangelanämie korrekt behandelt wird, erklärt Dr. Severin Kasser, Oberarzt Onkologie/Hämatologie am Universitäts-Kinderspital Beider Basel.

Ein hohes Risiko für eine Eisenmangelanämie haben in der Pädiatrie Säuglinge, Kinder im Vorschulalter und Adoleszentinnen.
«Neonatal sind vor allem Frühgeborene betroffen, da sie im Mutterleib oft zu wenig genügend Zeit hatten, ihre Eisenspeicher zu füllen», sagt Dr. Kasser am FomF Pädiatrie Update Refresher. Bei Kindern stellen eine vegetarische oder vegane Ernährung sowie ein übermässiger Milchkonsum ein Risiko dar, bei Adoleszentinnen der Eisenverlust während der Menstruation.
Ursachensuche bei therapierefraktären Kindern
Bleibt der Eisenmangel trotz einer Substitutionstherapie bestehen, muss man nach der Ursache suchen. Anamnestisch stehen zunächst Compliance, Ernährung, Grunderkrankungen und die genauen Beschwerden im Fokus. B-Symptome können ein Zeichen für ein malignes Geschehen sein, ikterische für eine hämolytische Anämie.
Wichtig ist auch die Familienanamnese. Sie kann einen Hinweis auf Hämoglobinopathien, wie eine Thalassämie, liefern. Erfassen sollte man zudem Geburtstermin (zu früh oder termingerecht) und bei Adoleszentinnen eine mögliche Blutungsneigung, hinter der sich etwa ein von-Willebrand-Syndrom verbergen kann.
«In der laborchemischen Untersuchung steht die Frage im Zentrum ,ob und welche Art von Anämie das Kind hat», sagt der Referent. Um die Antwort zu finden, empfiehlt sich ein ausgedehntes Blutbild mit mikroskopischer Differenzierung und Retikulozyten anfertigen zu lassen. Die absolute Retikulozytenzahl liefert laut Dr. Kasser die Information, wie gut der Körper auf die Anämie reagiert und hilft, die Differenzialdiagnosen einzugrenzen.
Der häufigste Grund für eine hypochrome, mikrozytäre Anämie ist der Eisenmangel, aber auch eine Hämoglobinopathie (z.B. Thalassämie) oder Mischformen sind nicht seltene Ursachen. Auch chronische Erkrankungen (z.B. aus dem rheumatischen Formenkreis) können eine mikrozytär, hypochrome Anämie auslösen.
Ernährungsberatung und Eisensubstitution
Ist eine hypochrome mikrozytäre Anämie durch die Laboranalyse bestätigt, kann die Therapie starten. «Sie beinhaltet in den meisten Fällen eine Ernährungsberatung und eine Eisensubstitution», erläutert Dr. Kasser.
Eisen kann der Körper am besten aus tierischen Lebensmitteln verwerten. Die Bioverfügbarkeit lässt sich durch Zugabe von Vitamin C verbessern. Generell vermieden werden sollten Stoffe, die die Eisenresorption hemmen. Dazu gehören Tannine (z.B. in Kaffee und Wein), Oxalate und Phosphate (z.B. in Softdrinks wie Eistee) sowie Milch.
Peroral oder intravenös verabreichen?
Eine perorale Eisensubstitution zusammen mit einer Ernährungsanpassung genügen in der Regel, um das Defizit auszugleichen. Die Nebenwirkungen – häufig sind gastrointestinale Beschwerden - treten vor allem in den ersten zwei Therapiewochen auf. Zweiwertiges Eisen wird laut Dr. Kasser häufig besser toleriert als dreiwertiges. Bei Malcompliance hilft meist ein Wechsel auf zweiwertiges Eisen, auf eine andere Formulierung (z.B. von Tropfen auf Sirup) oder auf eine alternierende Einnahme (z.B. alle zwei Tage).
«Man substituiert in der Regel etwa drei Monate oder so lange, bis der Eisenmangel korrigiert ist», erklärt der Experte. Bei erfolgreicher Therapie sollte nach einem Monat ein adäquater Hämoglobin-Anstieg nachgewiesen werden können. Für eine rasche Überprüfung kann nach sieben Tagen die Retikulozytenzahl gemessen werden. Ist sie hoch, zeigt dies, dass die Therapie greift.
Eine intravenöse Eisensubstitution ist in der ersten Therapielinie indiziert bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Malabsorption, bei chronischer Nephropathie, chronischer Blutung mit unkorrigierbarer Ätiologie sowie bei Patienten mit Restless-Legs-Syndrom. In zweiter Linie ist eine intravenöse Gabe angezeigt bei Kindern mit neurologischen Erkrankungen und Ernährungsschwierigkeiten, bei einem therapierefraktären Eisenmangel sowie bei Verdacht auf eine unzuverlässigere Einnahme von oralen Eisenpräparaten. Kontraindikationen stellen eine akute Infektion, Medikamentenallergien und der alleinige Wunsch nach einer Leistungsverbesserungen bei unauffälligem Blutbild dar.
Bei Vitamin-B12-Mangel rasch reagieren
Eine häufige Ursache für eine makrozytäre Anämie ist ein alimentärer Vitamin-B12-Mangel. Speziell gefährdet sind gestillte Säuglinge von Müttern mit einem Vitamin-B12-Defizit sowie Kinder und Jugendliche, die sich vegan ernähren oder die eine Resorptionsstörung haben. Die Perniziöse Anämie ist in der Pädiatrie, anders als bei Erwachsenen, sehr selten.
«Bei einem Verdacht auf einen Vitamin-B12-Mangel sollte man rasch handeln», betont Dr. Kasser. Denn ein solcher kann schwere neurologische Schäden verursachen. Hinter einer makrozytären Anämie kann sich zudem auch einmal eine Knochenmarks-, Stoffwechsel- oder Lebererkrankung verbergen. Dies sollte stets zeitnah abgeklärt werden.
Die Substitution von Vitamin B12 kann initial parenteral oder oral und im weiteren Verlauf nur oral erfolgen, aber auch hier sollte eine Therapieüberprüfung zeitnah stattfinden und solange fortgeführt werden, bis die Speicher aufgefüllt sind. Die Dosis sollte alters- bzw gewichtsadaptiert verabreicht werden, eine Dosis zwischen 500 und 1000 µg tgl kann aber auch über längere Zeit als sicher angesehen werden. «Bestehende neurologische Symptome können sich unter der Therapie vorübergehend aggravieren», erklärt Dr. Kasser.