Stürzen im Alter vorbeugen
Stürzen ältere Menschen, kann das unangenehme Folgen haben – darunter auch eine weitere Erhöhung des Sturzrisikos. PD Dr. Mathias Schlögl, Klinik Barmelweid, erklärt, was Stürze begünstigt und gibt konkrete Empfehlungen zur Sturzprävention, etwa in puncto Ernährung und körperlichem Training.

«Bereits ab dem 20. Lebensjahr nehmen Muskelmasse und -kraft kontinuierlich ab» leitet PD Dr. Mathias Schlögl, Chefarzt der Geriatrie und stellvertretender Leiter des Departments Innere Medizin an der Klinik Barmelweid, seinen Vortrag zum Thema Sturz ein (1).
Dem Kraftverlust mit Aktivität entgegenwirken
Besonders der Verlust der Muskelfunktion ist dabei gravierend: «Ziel von Trainings sollte also vor allem sein, die Muskelkraft aufrechtzuerhalten.»
Die Bedeutung der Muskelkraft illustrieren unter anderem Daten, die die tägliche Schrittzahl konsistent mit einer Senkung der Mortalität in Verbindung bringen. So zeigt eine rezente Meta-Analyse von 15 internationalen Kohortenstudien etwa eine progressive Reduktion der Sterblichkeit bei unter 60-jährigen bis zu einer täglichen Schrittzahl von rund 8.000 bis 10.000. Danach ist die Mortalität um rund 50 Prozent reduziert. Personen über 60 Jahren erreichen dies bereits mit einer täglichen Schrittzahl von 6.000 bis 8.000 (2).
Das sollte nicht nur ältere Menschen und deren Angehörige über die Bedeutung der Bewegung informieren, sondern auch Jüngere motivieren, aktiv zu bleiben, erinnert PD Dr. Schlögl.
Risikofaktoren identifizieren und adressieren
Neben mangelnder Bewegung wird das Sturzrisiko durch eine Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst. Das zeigt etwa eine 2024 veröffentlichte Übersichtsarbeit, die intrinsische Risikofaktoren nach Einfluss (Major, Moderate, Minor) aufschlüsselte – darunter auch viele modifizierbare Variablen (3).
Unter den Haupt-Risikofaktoren für Stürze fand sie etwa
- Periphere Neuropathien
- Morbus Parkinson
- Kognitive Einbussen
- Schlaganfälle
- Gangstörungen, sowie
- Schwindel bzw. Drehschwindel
Als «minor» (OR <1,5) wurden hingegen beispielsweise Faktoren wie Diabetes, ein niedriger oder hoher BMI eingestuft.
Unter den sturzbegünstigenden Medikamenten waren besonders Wirkstoffe aus psychoaktiven, anticholinergen, analgetischen und kardiovaskulären Substanzklassen von Bedeutung. Darunter finden sich auch Medikamente, die durchaus oft verschrieben werden, so PD Dr. Schlögl, etwa NSAIDs. Der Experte betont, dass eine regelmässige Medikamentenüberprüfung dazu beiträgt, unnötige Risiken zu minimieren.
Mit Interventionsmassnahmen dem Sturzrisiko entgegenwirken
Neben der Vermeidung von Risikofaktoren lassen sich Stürze aber auch durch Prävention verhindern. Dazu gehören etwa gezielte Bewegungsprogramme, die Balance- und funktionelle Übungen umfassen und in Studien das Sturzrisiko um bis zu 23 Prozent senken konnten. Auch Tai-Chi, eine bewährte Sportart zur Förderung der Balance, reduzierte das Sturzrisiko um 19 Prozent.
Besonders für Hochrisikopatienten eignen sich ausserdem multifaktorielle bzw. multikomponentielle Interventionen, die das Sturzrisiko deutlich verringern können. PD Dr. Schlögl begleitet hier selbst ein erfolgreiches Projekt. Die angewendete Methode, bekannt als Jaques-Dalcroze-Rhythmik, verbindet rhythmische Bewegungen mit kognitiven Aufgaben wie Klatschen, Richtungswechsel oder dem Reagieren auf musikalische Signale. Dadurch wird nicht nur die Balance verbessert, sondern auch die Fähigkeit geschult, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen – ein entscheidender Faktor für sicheres Gehen im Alltag. Studien zeigen, dass dieses Training die Sturzrate bei älteren Menschen um bis zu 54 Prozent senken kann.
Risikopersonen identifizieren
Wichtige Hinweise zur Sturzprophylaxe kommen ausserdem aus der internationalen Leitlinie für Sturzprävention und -management bei älteren Erwachsenen (4). Eine deutsche Version dieser Empfehlungen ist im Swiss Medical Forum zugänglich.
Empfohlen wird, das Sturzrisiko bei jedem älteren Patienten anhand von drei Fragen zu screenen:
- Hat in den vergangenen 12 Monaten ein Sturz stattgefunden?
- Fühlt sich der Patient beim Gehen gelegentlich unsicher?
- Hat der Patient Angst zu stürzen? (Kommentar siehe Kasten)
Wird auch nur eine dieser Fragen bejaht, könnte ein erhöhtes Sturzrisiko vorliegen.
Eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit für erneute Stürze besteht etwa, wenn es innert einem Jahr bereits zu mehr als einem Sturz gekommen ist, eine Verletzung auftrat, oder der Verdacht auf eine Synkope oder Gebrechlichkeit besteht.
Auch bei Patienten, die im vergangenen Jahr nicht gestürzt sind, kann ein erhöhtes Risiko vorliegen. So deuten Gleichgewichtsstörungen oder eine geringe Gehgeschwindigkeit auf ein mittleres Risiko hin.
Aber auch Personen mit niedrigem Risiko, die noch nie gestürzt sind, sollten über Sturzprävention aufgeklärt und zur regelmässigen körperlichen Aktivität sowie gezieltem Training ermutigt werden.
«Haben Sie Sturzangst?»
PD Dr. Schlögl betont, dass die direkte Frage «Haben Sie Sturzangst?» in der klinischen Praxis oft nicht zielführend ist, da viele Patienten ihre Ängste nicht offen zugeben. Stattdessen empfiehlt er eine indirektere Fragetechnik, um verlässlichere Antworten zu erhalten. So könnte man beispielsweise sagen: «Ich sehe oft Patienten in Ihrer Situation, die berichten, dass sie sich beim Gehen unsicher fühlen. Ist das bei Ihnen auch so?» Durch diese offene und empathische Formulierung fühlen sich die Patienten eher verstanden und geben Unsicherheiten leichter zu. Dies ist besonders wichtig, da eine unerkannte Sturzangst das Risiko für zukünftige Stürze erhöht und gezielte Massnahmen zur Prävention erschwert.
Ernährung als Schlüsselfaktor
Neben Bewegung ist auch eine ausgewogene Ernährung ein entscheidender Faktor in der Sturzprävention. So zeigte eine Studie (5), dass die Kombination von gezieltem Muskeltraining und Aminosäuresupplementierung zu einer deutlichen Steigerung von Muskelmasse und -kraft führte.
Bei den Ernährungsempfehlungen für ältere Menschen spielt dabei vor allem der deutlich erhöhte Proteinbedarf für den Muskelerhalt eine Hauptrolle, so der Referent. «Ein Mensch über 65 Jahren sollte mindestens 1,2 bis 1,5 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen.» Mit einem Körpergewicht von 75 Kilogramm kommt man damit etwa auf einen Tagesbedarf von rund 90 mg pro Tag. Idealerweise sollte diese Menge dabei auf drei Mahlzeiten verteilt werden, um auf eine ideale Proteinsyntheserate zu kommen.
PD Dr. Schlögl appelliert im Zuge dessen an Patienten und Angehörige, bei der Essensplanung gezielt auf proteinhaltige Lebensmittel wie Milchprodukte, Hülsenfrüchte oder Fleisch zu achten. Für Patienten, die ihren Proteinbedarf nicht durch die Nahrung allein decken können, empfiehlt er eine Substitution mit proteinreicher Trinknahrung.
Praktische Hilfsmittel und Ressourcen
Eine praktische Unterstützung für Ärzte, Patienten und Angehörige bietet die neue Build Better Bones-Plattform der International Osteoporosis Foundation, die etwa individuell angepasste Trainingsprogramme bereitstellt.
Hilfreich können auch die Unterlagen der Schweizer Beratungssstelle für Unfallverhütung sein, die Medizinern strukturierte Leitfäden, etwa zur Abrechnung von Beratungen zur Sturzprävention bieten, aber auch Ratgeber zum Download für Betroffene und Angehörige anbieten. Dabei ist etwa eine Checkliste zur Sturzprävention im privaten Wohnraum. Diese können dabei helfen, Risiken wie rutschige Teppiche oder unzureichende Beleuchtung zu identifizieren und zu beheben.
- Schlögl M. Sturz und Sturzabklärung. FomF Update Allgemeine Innere Medizin, 10. Dezember 2024, online.
- Banach M et al. The association between daily step count and all-cause and cardiovascular mortality: a meta-analysis. Eur J Prev Cardiol. 2023 Dec 21;30(18):1975-1985. doi: 10.1093/eurjpc/zwad229.
- Colón-Emeric CS et al. Risk Assessment and Prevention of Falls in Older Community-Dwelling Adults: A Review. 2024 Apr 23;331(16):1397-1406. doi: 10.1001/jama.2024.1416.
- Montero-Odasso M et al. World guidelines for falls prevention and management for older adults: a global initiative. Age Ageing. 2022 Sep 2;51(9):afac205. doi: 10.1093/ageing/afac205.
- Kim HK et al. Effects of exercise and amino acid supplementation on body composition and physical function in community-dwelling elderly Japanese sarcopenic women: a randomized controlled trial. J Am Geriatr Soc. 2012 Jan;60(1):16-23. doi: 10.1111/j.1532-5415.2011.03776.x.