Medical Tribune
23. Jan. 2025Experte ordnet Studien und Patientenberichte ein

Von mediterran bis ITIS-Diät: Mit Ernährung Rheuma lindern

Darüber, ob Essen Entzündungen besänftigen kann, steht die Wissenschaft zwar erst am Anfang – die bisherigen Erkenntnisse sind jedoch vielversprechend. Ein Experte erläutert, wie Ernährungsformen wie die ITIS-Diät zur Behandlung rheumatischer Erkrankungen beitragen können.

Wertvolle Fette, frisches Gemüse, proteolytisches Obst: All das ist Bestandteil der ITIS-Diät
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Wertvolle Fette, frisches Gemüse, proteolytisches Obst: All das ist Bestandteil der ITIS-Diät

Rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis belasten Betroffene oft stark – sowohl körperlich als auch seelisch. Viele Patienten wollen heute eine aktive Rolle bei ihrem Krankheitsmanagement übernehmen. Das zeigt sich auch in der Praxis von Dr. Django Russo, Oberarzt m.e.V. am Stadtspital Zürich-Triemli (1).

Patienten mit rheumatischen Erkrankungen würden heute etwa Fragen zur Ernährung und deren möglichen Einfluss auf Entzündungen stellen – «ein Bereich, der bisher oft unterschätzt wurde», so der Experte

Ernährungsstudien sagen oft wenig aus

Mittlerweile legen mehrere Beispiele in der wissenschaftlichen Literatur und Erfahrungsberichte von Patienten nahe, dass bestimmte Lebensmittel entzündliche Symptome verbessern oder verschlechtern können.

Das auf ein für Medikamente übliches wissenschaftliches Evidenzniveau zu bringen sei hingegen gar nicht so einfach, so Dr. Russo. «Ernährungsstudien haben oft nur begrenzte Aussagekraft, da sie meist als Kohortenstudien durchgeführt werden, und im Gegensatz zu kontrollierten Studien nicht randomisiert und verblindet durchgeführt werden.»

Ein weiteres Hindernis sei, dass Ernährungsumstellungen oft erst nach Monaten oder sogar Jahren messbare Effekte zeigen. Denn das für die Gesundheit so wichtige gastrointestinale Mikrobiom kann sich zwar schnell ändern. Wie man langfristige Änderungen durch Ernährungsumstellung beibehalten kann, die die Gesundheit positiv beeinflussen, ist aber noch Teil der Forschung..

ITIS-Diät: Ernährung zur Entzündungsregulation

Trotz dieser Herausforderungen gibt es mehrere vielversprechende Ansätze, wie Ernährung als unterstützende Massnahme bei rheumatischen Erkrankungen wirksam sein kann. Dazu zählen:

  • Pro- oder antiinflammatorische Effekte einzelner Nährstoffe bzw. Ernährungsformen,
  • Effekte auf das Mikrobiom oder darmassoziierte Immunsystem,
  • Einflüsse auf Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
  • Gewichtsnormalisierung bei Adipositas.

Die Rheumaliga bietet mit dem Buch «Genuss mit Wirkung» eine gute Wissensbasis zur Ernährung bei entzündlichem Rheuma. Das Buch kann auf der Webseite der Rheumaliga bestellt werden.

Eine wissenschaftlich bestätigte Reduktion von Entzündungen durch Ernährung zeigt die «ITIS-Diät», die 2020 erstmalig auf einem Kongress des American College of Rheumatology (ACR) vorgestellt wurde.

Die ITIS-Diät basiert auf einer gezielten, vergleichsweise strengen Ernährungsintervention. Sie kombiniert Lebensmittel, deren biologische Wirkungen entzündungshemmend wirken können.

Beeindruckende Ergebnisse

«Die Pilotstudien zur ITIS-Diät sind beeindruckend», so Dr. Russo. Bereits nach zwei Wochen zeigten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen Verbesserungen bei Schmerzen und Entzündungsmarkern im DAS28-Score – vergleichbar mit einer vierwöchigen Adalimumab-Behandlung.

Erstaunlicherweise hatten Patienten, die auf die ITIS-Diät ansprachen, eine gesteigerte Diversität des Mikrobioms bereits vor Beginn der Ernährungsintervention. Das könnte dafür sprechen, dass es länger dauert bis man durch eine Ernährungsumstellung eine klinisch relevante Veränderung des gastrointestinalen Mikrobiobioms herbeiführen kann

Mediterrane Basis

Die ITIS-Diät basiert zu einem grossen Teil auf den Prinzipien der mediterranen Ernährung. Diese, bereits in den 1970er Jahren als lebensverlängernd und gesundheitsfördernd beschrieben, basiert vor allem auf frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln, viel Gemüse und der Verwendung von Olivenöl.

In Studien konnte die mediterrane Ernährung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.

Die ITIS-Diät erweitert dieses Konzept, indem sie zusätzlich gezielt auf entzündungsfördernde Lebensmittel wie Transfette und raffinierte Zucker verzichtet. In einer noch laufenden Vergleichsstudie schnitt die ITIS-Diät bei Rheumatikern besser ab als die mediterrane Ernährung.

Hauptprinzipien der ITIS-Diät (siehe Kasten «Die Empfehlungen im Detail»)

  • Hälfte des Tellers Gemüse: Liefert wichtige Nährstoffe und verhindert Überessen. Je bunter das Gemüse, desto mehr entzündungshemmende Polyphenole.
  • Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren: Ein günstiges Verhältnis ist entscheidend. Empfohlen: Mindestens zweimal pro Woche Fisch und täglich Chiasamen oder Leinöl.
  • Ballaststoffe: Die laut Dr. Russo für die Gesundheit des Mikrobioms extrem wichtigen, unverdaulichen Nahrungsbestandteile sind in Vollkornprodukten, Gemüse, Hülsenfrüchten und Beeren zu finden.
  • Prä- und Probiotika: Unterstützen die Darmflora, z. B. durch Joghurt, Miso oder Sauerkraut.
  • Gewürze: Kurkuma, schwarzer Pfeffer und Ingwer haben antientzündliche Wirkungen.

Was Rheuma-Patienten laut ITIS-Diät vermeiden sollten

Vermieden werden sollte im Rahmen der ITIS-Diät hingegen

  • Rotes Fleisch und verarbeitete Lebensmittel (z. B. Wurst, Fast Food)
  • Transfette und gesättigte Fettsäuren (z. B. frittiertes Essen, Margarine)
  • Zucker und raffinierte Kohlenhydrate (z. B. Süssigkeiten, Weissbrot)
  • Gluten (nach individueller Verträglichkeit)
  • Milchprodukte (können durch pflanzliche Alternativen ersetzt werden)
  • Hoher Salzkonsum
  • Kaffee (ersetzen durch Tee)

Patienten ernst nehmen und aufklären

Neben der ITIS-Diät gibt es noch weitere Ernährungsformen, die sich in Studien positiv auf rheumatische Entzündungen auswirkten. Dazu gehört die pflanzenbasierte Ernährung sowie die tägliche Versorgung mit einem ballaststoffreichen Fertigriegel.

«Die Kombination aus einer gezielten Ernährung, zusammen mit Bewegung, Stressmanagement und medikamentöser Therapie kann der Schlüssel sein, um die Lebensqualität von Rheumapatienten nachhaltig zu verbessern», resümiert Dr. Russo.

Patienten, die den Wunsch einer Ernährungsumstellung äussern, solle man daher keinesfalls abspeisen oder bevormunden. Fragen Patient etwa, ob der Verzicht auf Gluten rheumatische Beschwerden verbessern kann, empfiehlt Dr. Russo meist, es auszuprobieren.

Ziel sei es, gemeinsam mit dem Patienten eine machbare Ernährungsstrategie zu erarbeiten – wenn möglich auch in Zusammenarbeit mit Ernährungsberatern. «Wir müssen verstehen, was für den Patienten praktikabel ist – denn Ernährung ist ein lebenslanger Prozess.»

Motivierende Mikrobiom-Untersuchung mit Humor

Um die Darmgesundheit und insbesondere die Diversität des Mikrobioms zu beurteilen, empfiehlt Dr. Django Russo die Blue Poo Challenge.

Dazu essen Patienten zwei speziell zubereitetete Muffins, die mittels Lebensmittelfarbe blau gefärbt sind (Rezept). Dann beobachten sie, wie lange es dauert, bis ihr Stuhlgang blau gefärbt ist, und die Färbung wieder verschwindet.

Eine normale Darmtransitzeit beträgt 0,5 bis 1,5 Tage, maximal bis 2,5 Tage. Eine längere Transitzeit (über 2,5 Tage) kann auf eine niedrige Diversität des Mikrobioms hindeuten, was mit entzündlichen Erkrankungen und einer schlechteren Darmgesundheit verbunden sein kann.

Die Methode ist kostengünstig, einfach durchführbar und eine gute Motivation für Patienten, ihre Ernährung oder ihren Lebensstil anzupassen. Nach einer Ernährungsumstellung kann die Challenge wiederholt werden, um Fortschritte zu messen.

Die ITIS-Empfehlungen im Detail

Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Balance bringen

Ein spezifisches Ernährungsziel der ITIS-Diät ist die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren in einem günstigen Verhältnis. Die praktische Empfehlung der ITIS-Diät lautet, mindestens zweimal pro Woche fetten Fisch und täglich Omega-3-Quellen wie Chiasamen und Flaxsamenöl in die Ernährung zu integrieren.

Omega-3-Fettsäuren, die in diesen Lebensmitteln enthalten sind, wirken dabei positiv auf das Mikrobiom und fördern die Produktion von antientzündlich wirksamen kurzkettigen Fettsäuren durch Darmkommensalen.

Omega-6-Fettsäuren spielen hingegen zwar eine wichtige Funktion im Nervensystem, können in einem Übermass konsumiert aber auch Entzündungsprozesse fördern, da Omega-6-Fettsäuren im Körper zu Arachidonsäure umgewandelt werden kann, die als Ausgangsstoff für die entzündungsfördernden Eicosanoide dienen (z.B. Prostaglandine, Leukotriene, Thromboxane). Dies kann durch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren unterbunden werden. Omega-6-Fettsäuren sind in pflanzlichen Ölen wie Sonnenblumen- oder Maisöl zu finden. Da sie reichlich in verarbeitetem Essen enthalten sind, konsumieren Viele zu viel davon.

Auch auf eine hohe Aufnahme von einfach ungesättigten Fettsäuren (MUFA), etwa in Nüssen, Samen und Gemüse, sollten Patienten achten. Reduzieren sollten sie hingegen Lebensmittel mit entzündungsfördernden Trans- und gesättigten Fettsäuren, etwa in rotem Fleisch, Milchprodukten und verarbeiteten Lebensmitteln.

Obst, Gemüse, Ballaststoffe

Eine weitere Empfehlung ist eine ausreichende Versorgung mit Ballaststoffen, die vor allem in Vollkornprodukten (z.B. Hafer, Quinoa), Gemüse, Hülsenfrüchten (z.B. Linsen, Kichererbsen) und Obst (v.a. Beeren) enthalten sind. Ballaststoffe wirken präbiotisch, ernähren damit das Mikrobiom, und konnten in diversen Studien mit einer Hemmung von Entzündungen in Verbindung gebracht werden.

Auch Gemüsearten wie Blattgemüse, Knoblauch und Zwiebeln enthalten präbiotische Bestandteile wie Zuckeralkohole und Ballaststoffe, und werden in der ITIS-Diät für den täglichen Konsum empfohlen. Zudem wird die tägliche Aufnahme von Probiotika empfohlen, darunter Joghurt (pflanzlich oder klassisch), Miso-Suppe und Sauerkraut. Diese enthalten günstige Bakterien, die die Darmflora unterstützen können.

Gewürzen sollte ein spezieller Platz in der Küche von Rheumatikern eingeräumt werden. Zu den für ihre antientzündliche Wirkung bekannten Gewürzen gehören etwa Kurkuma, schwarzer Pfeffer und Ingwer.

Betont wird ausserdem eine ausreichende Versorgung mit Obst und Gemüse in allen Farben, sowie grüner Tee. Ausserdem sollten Patienten täglich Obst zu sich nehmen, das proteolytische Enzyme enthält (z.B. Ananas, Mango, Papaya), und statt Kuhmilch eher pflanzliche Milch bevorzugen.