Einseitiger Brustkrebs: Kein Überlebensvorteil durch beidseitige Mastektomie
Sollte bei einseitigem Brustkrebs die gesunde Brust vorsorglich entfernt werden? Die Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen: Trotz einer verringerten Rate an Zweitkarzinomen bietet die beidseitige Mastektomie keinen Überlebensvorteil.
Patientinnen mit einseitigem Mammakarzinom müssen über den Umfang des operativen Eingriffs entscheiden.
Dr. Vasily Giannakeas vom Women’s College Hospital in Toronto berichtet, dass eine brusterhaltende Lumpektomie, eine einseitige oder eine beidseitige Mastektomie infrage kommen (1).
Gemeinsam mit anderen Forschern untersuchte er, wie zuverlässig eine prophylaktische Entfernung der nicht betroffenen Brust spätere kontralaterale Mammakarzinome verhindert und wie sich dies auf die Überlebensprognose auswirkt.
Drei Kohorten
Die Arbeitsgruppe identifizierte mithilfe der US-amerikanischen SEER-Datenbank mehr als 600.000 Personen, bei denen zwischen 2000 und 2019 ein unilaterales invasives Mammakarzinom oder ein duktales Carcinoma in situ (DCIS) im Stadium 0 bis III diagnostiziert worden war.
Durch Propensity-Score-Matching bildeten die Wissenschaftler drei Kohorten, die sich in demografischen, klinischen, tumorpathologischen und therapeutischen Parametern ähnelten. Je 36.028 Teilnehmende hatten eine brusterhaltende Operation, eine einseitige oder eine beidseitige Mastektomie erhalten.
Im Verlauf von 20 Jahren entwickelten 766 (2,1 %), 728 (2,0 %) bzw. 97 (0,3 %) Erkrankte dieser drei Kohorten ein kontralaterales Mammakarzinom. Die kumulative Inzidenz betrug im kombinierten Kollektiv der brusterhaltend operierten und der einseitig mastektomierten Patientinnen 6,9 Prozent.
Mit bzw. ohne kontralaterale Erkrankung lag die kumulative Brustkrebsmortalität nach 15 Jahren in diesem Kombinationskollektiv bei 32,1 % respektive 14,5 % (HR 4,00; 95%-KI 3,52–4,54).
Brustkrebsmortalität hing nicht vom OP-Ausmass ab
3.077 (8,54 %) der mittels Lumpektomie, 3.269 (9,07 %) der mittels einseitiger und 3.062 (8,50 %) der mittels beidseitiger Mastektomie behandelten Personen starben an der Tumorerkrankung. Die kumulative Brustkrebsmortalität innerhalb von 20 Jahren war in allen drei Gruppen ähnlich: 16,3 Prozent, 16,7 Prozent bzw. 16,7 Prozent.
Das Brustkrebs-Sterberisiko steigt nach einer kontralateralen Tumorerkrankung deutlich, schlussfolgerten die Forschenden. Obwohl eine bilaterale Mastektomie offensichtlich wirksam vor solchen Zweitkarzinomen schützt, bietet sie keinen Prognosevorteil im Sinne einer Mortalitätsreduktion.
Das tumorbedingte Sterberisiko unterschied sich bei bilateral mastektomierten Patientinnen nicht wesentlich von dem der brusterhaltend therapierten Teilnehmenden (HR 0,99; 95%-KI 0,95–1,03).
Daten sprechen gegen gängige Theorien
Bisher nimmt man allgemein an, dass kontralaterale Mammakarzinome neue Primärtumoren mit Metastasierungspotenzial sind, erläutern die Wissenschaftler um Dr. Giannakeas. Angesichts ihrer Studienergebnisse stellen sie diese Hypothese jedoch infrage.
Wäre das erhöhte Sterberisiko nach einem kontralateralen Tumor tatsächlich auf dessen Metastasen zurückzuführen, müsste sich eine bilaterale Mastektomie ihrer Ansicht nach in einem Überlebensvorteil niederschlagen.
- Giannakeas V et al. Bilateral Mastectomy and Breast Cancer Mortality. JAMA Oncol 2024; doi: 10.1001/jamaoncol.2024.2212