Management und Prävention von Sichelzellkrisen
Sofort Analgetika anbieten, venösen Zugang legen und bei mittlerem bis schwerem Verlauf ins Spital einweisen: Das ist das Prozedere bei Sichelzellkrisen. Damit es gar nicht erst zu den gefürchteten Attacken kommt, sollten die Betroffenen die Trigger kennen.
Die autosomal-rezessiv vererbte Sichelzellkrankheit ist durch eine Punktmutation der β-Globinkette gekennzeichnet.
Die Erythrozytenüberlebenszeit ist dadurch stark verkürzt mit nachfolgender chronischer Anämie. Im desoxygenierten Zustand bildet das Hämoglobin Aggregate, welche die roten Blutzellen deformieren und zu Gefässverschlüssen mit Ischämie führen können, erklärt das Team um Kenneth Charles von der University of the West Indies in Trinidad und Tobago (1).
Das damit verbundene Schmerzbild wird als Sichelzellkrise bezeichnet.
Diagnose und körperliche Untersuchung bei Sichelzellkrisen
Typischerweise sind tiefere Strukturen wie Knochen, Gelenke, Bänder und Muskeln betroffen. Am häufigsten klagen Betroffene über Schmerzen im Rücken, welche mitunter in die Beine ausstrahlen. Die Intensität reicht von leicht bis sehr schwer.
Normalerweise dauern Sichelzellkrisen einige Stunden bis Tage, sie können aber auch über Wochen persistieren. Meist werden sie durch Trigger wie
- Kälte,
- Fieber,
- Infektionen,
- Dehydratation,
- körperliche Anstrengung oder
- emotionalen Stress
ausgelöst. Bei manchen Betroffenen treten schwere Attacken schon regelmässig seit der Kindheit auf, bei anderen kommt es erst im Erwachsenenalter zu ersten einzelnen Episoden.
Bei der körperlichen Untersuchung geht es auch darum, andere mögliche Ursachen für die Schmerzen auszuschliessen. Leukozytose, niedriges Hb und reaktive Thrombozytose sind typische Laborbefunde bei einer Sichelzellkrankheit. Da es zu plötzlicher Dekompensation kommen kann, sollten Temperatur, Blutdruck, Puls, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung überwacht werden, zudem sind die Nierenwerte im Auge zu behalten.
Sofortmassnahmen bei akuten Krisen
Die Erkrankten sind oft durch starke Schmerzen eingeschränkt, weshalb Analgetika bereits während der Anamnese angeboten werden sollten. Leichtere Schmerzen können ambulant behandelt werden, Betroffene mit mittlerer bis schwerer Sichelzellkrise gehören in stationäre Behandlung.
Wichtig ist, möglichst früh einen venösen Zugang zu legen und bei Hypoxie Sauerstoff zu verabreichen. Auch eine zusätzliche orale oder intravenöse Flüssigkeitsgabe ist hilfreich. Bei heftigeren Beschwerden werden starke Opioide, ggf. mit Antibiotika und Bluttransfusionen, gegeben. Soziale und psychologische Unterstützung gehören ebenfalls zum Behandlungskonzept.
Lebensbedrohliche Komplikationen: Das akute Thoraxsyndrom
Eine lebensbedrohliche Komplikation der Sichelzellkrise ist das akute Thoraxsyndrom – eine Kombination von Lungeninfarkt, Infektion und Fettembolie. Typisch sind Fieber und akute respiratorische Symptome wie Husten, Giemen, Dyspnoe, Krepitationen und Thoraxschmerzen.
Um Schmerzkrisen zu vermeiden, sollten Sichelzellkranke Triggerfaktoren wie Kälte, Dehydratation und Infektionen möglichst meiden. Vorbeugend kann Hydroxyurea eingesetzt werden. Reicht das nicht aus, sind regelmässige Bluttransfusionen, L-Glutamin, Voxelotor oder Biologika wie Crizanlizumab zu erwägen.
- Charles KS et al. Acute painful crisis in adults with sickle cell disease. BMJ 2024; 386: e075099; doi: 10.1136/bmj-2023-075099