Medical Tribune
23. Okt. 2024Einfluss psychischer Belastungen auf Ohrgeräusche

Stress als Auslöser bei Tinnitus

Stress fördert viele Krankheiten, darunter Tinnitus. Oft beginnen Ohrgeräusche nach belastenden Ereignissen. Daher sollte die Behandlung auch die Psyche stärken.

Tinnitus wird durch Stress ausgelöst und kann zusätzlichen Stress verursachen.
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Stress entsteht durch dauerhafte Überlastung oder ein einmaliges, schwerwiegendes Ereignis. Beides kann pathologische Prozesse im Körper auslösen oder verstärken, indem es Verhalten, emotionale Regulierung oder neurohormonelle Funktionen stört, schreiben Prof. Dr. Laurence McKenna und Dr. Florian Vogt vom University College London (1).

Die genauen Auswirkungen stressiger Ereignisse auf Tinnitus sind allerdings noch wenig erforscht.

Tinnitus als Folge stressiger Lebensereignisse

Viele Betroffene berichten, dass ihr Ohrgeräusch in Zeiten hoher psychischer Belastung begann – etwa nach einem Todesfall, während einer Scheidung oder bei finanziellen Problemen. Laut den Autoren treten etwa die Hälfte der Tinnitus-Fälle im zeitlichen Zusammenhang mit stressigen Ereignissen auf.

Ein Modell besagt, dass Stress einen Tinnitus auslöst, indem eine bereits vorhandene spontane Aktivität im subkortikalen auditorischen System einen «Tinnitus-Vorläufer» darstellt, der unter normalen Bedingungen ignoriert wird. Trigger können die Intensität dieser Aktivität beeinflussen und so zu einem wahrgenommenen Tinnitus führen.

Der Einfluss von chronischem Stress auf Tinnitus

Chronischer Stress spielt eine zentrale Rolle bei der Verstärkung des Ohrgeräuschs. In einer Studie gaben etwa 50 % der Patienten an, dass sich ihr Tinnitus in Stressphasen verschlimmert. Emotionale Erschöpfung ist ein besserer Prädiktor für die Belastung durch Tinnitus als der Grad des Hörverlusts.

Chronischer Stress beeinträchtigt die emotionale Regulation und verstärkt die Aufmerksamkeit auf den Tinnitus, was einen Teufelskreis erzeugt: Das ständige Bewusstsein für die Ohrgeräusche und deren negative Bewertung verstärken die Symptome. Der Tinnitus wird nicht mehr als Hintergrundgeräusch wahrgenommen, sondern als bedrohlich.

Psychische Begleiterkrankungen und Tinnitus

Viele Tinnitus-Betroffene leiden zusätzlich an psychischen Erkrankungen wie posttraumatischer Belastungsstörung. Depressionen oder Angststörungen können die Belastung durch Tinnitus verstärken und dazu führen, dass Betroffene Hilfe suchen, die sie vorher nicht benötigten.

Patienten fühlen sich häufig von Ärzten allein gelassen

Wichtig ist eine angemessene und wertschätzende Kommunikation, da der Beginn eines Tinnitus selbst starken Stress auslösen kann. Viele Betroffene fühlen sich von Ärzten allein gelassen, was die Belastung erhöht und in manchen Fällen zu suizidalen Gedanken führt.

In der Tinnitus-Behandlung geht es daher auch darum, die Stressreaktionen der Patienten zu mildern. Indem sie lernen, besser mit belastenden Ereignissen umzugehen, können auch die Tinnitus-Beschwerden gelindert werden.

Die kognitive Verhaltenstherapie zielt darauf ab, Coping-Strategien zu verbessern, etwa durch die Reduktion negativer Denkmuster. Entspannungsverfahren wie progressive Muskelentspannung können ebenfalls helfen, die Wahrnehmung des Tinnitus zu verändern.