Einsamkeit als unterschätzter Risikofaktor bei Typ-2-Diabetes
Gefühle von Einsamkeit und soziale Isolation haben weitreichende Folgen für viele Krankheiten, darunter Typ-2-Diabetes und dessen Management.
Von der New York Times bis zu US-Bestsellerautoren – kein Medium kommt mehr am Thema Einsamkeit vorbei. Auch für diabetologische Fachkräfte wird das Thema zunehmend wichtig, denn zahlreiche Studien zeigen Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und Typ-2-Diabetes (T2D).
Dr. Anne Gaglioti aus Cleveland, USA, klärt in ihrem Vortrag am Kongress der American Diabetes Association (ADA) 2024 zunächst die Begriffe: Soziale Vernetzung beschreibt, inwieweit eine Person oder Gruppe ihre Bedürfnisse nach sozialen Kontakten erfüllt. Sozial isoliert sind Menschen mit wenigen sozialen Beziehungen, Rollen, Gruppenzugehörigkeiten und seltenen Interaktionen.
Mehr Kontakte bedeuten nicht weniger Einsamkeit
Auch Menschen mit vielen Kontakten können einsam sein. Dr. Gaglioti warnte vor Trugschlüssen: Viele Kontakte bedeuten nicht automatisch keine Einsamkeit, und oft allein zu sein, heisst nicht zwangsläufig, sich einsam zu fühlen.
Einsamkeit ist eine subjektiv belastende Erfahrung, die aus wahrgenommener Isolation oder unzureichenden Beziehungen resultiert. Diese zeichnen sich durch eine Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Erfahrung oder ein unbefriedigtes Bedürfnis aus. Ein hohes Risiko für Einsamkeit haben etwa chronisch Kranke.
Gute soziale Vernetzung erhöht Überlebenschancen
Der Trend zu Einsamkeit und sozialer Isolation nimmt zu, sagte die US-Amerikanerin. Analysen zeigen eine Verbindung zwischen sozialer Isolation und vorzeitiger Sterblichkeit, auch unter Berücksichtigung von Gesundheitsstatus, Alter, sozioökonomischer Position und Gesundheitsverhalten. Metaanalysen belegen, dass gute soziale Vernetzung die Überlebenschancen um 50 Prozent erhöht.
Die gesundheitlichen Folgen sozialer Isolation
Bereits vor längerer Zeit zeigten die MONICA/KORA-Studien, dass fehlende soziale Vernetzung (bzw. mangelnde strukturelle soziale Unterstützung) mit einem erhöhten T2D-Risiko verbunden ist – auch nach Anpassung diverser Einflussfaktoren (BMI, Hypertonie, körperliche Aktivität, Depression, familiäre Vorbelastung). Dr. Gaglioti betonte, dass bessere soziale Unterstützung bei Menschen mit Diabetes zu besserem Selbstmanagement führt. Soziale Vernetzung zu gewährleisten, sei eine wichtige Aufgabe für das Gesundheitswesen und werde auch von der WHO adressiert.
Dr. Xuan Wang aus New Orleans erklärte, dass ein höherer Anteil von Menschen mit Diabetes sich sowohl einsam als auch sozial isoliert fühlt (2). Das 20-Jahres-Follow-up der HUNT-Studie zeigte, dass Menschen, die sich besonders einsam fühlten, ein doppelt so hohes Risiko für die T2D-Entwicklung haben.
Interventionen gegen Einsamkeit: Wie wirksam sind sie?
Was hilft? Eine Übersichtsarbeit zeigte, dass Haustiere und technische Hilfsmittel in der Langzeitpflege grosse Effektstärken haben. Die grosse Heterogenität, die wenigen Studien pro Intervention und die niedrige Evidenzqualität schmälern jedoch die Aussagekraft der Ergebnisse.
«Noch ist unklar, ob die Veränderungen in den Interventionsstudien bei Einsamkeitssymptomen langfristig zu Verbesserungen bei kardiovaskulären Erkrankungen und Sterblichkeit bei Menschen mit Diabetes führen können», lautete ihr Fazit.
- Gaglioti A. The Epidemic of Loneliness and Isolation. Kongress der American Diabetes Association (ADA) 2024
- Wang X. The Link between Loneliness and Diabetes Kongress der American Diabetes Association (ADA) 2024