Therapieansätze beim Antiphospholipidsyndrom: Von Antikoagulation bis zur Schwangerschaftsbetreuung
Thromboembolien und Fehlgeburten verhindern: Das ist das Ziel der Therapie beim Antiphospholipidsyndrom. Die Behandlung richtet sich nach den Untersuchungsergebnissen und den gefundenen Antikörpern.
Von der Thrombose bis zur transitorischen ischämischen Attacke (TIA): Das Antiphospholipidsyndrom (APS) manifestiert sich mit Durchblutungsstörungen verschiedenster Art.
In einer retrospektiven Untersuchung an 1.000 Patienten traten etwa tiefe Venenthrombosen am häufigsten auf (32 %), berichtet Prof. Dr. Christof Specker von der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (1). Es folgten Livedo reticularis (20 %), Schlaganfälle (13 %), Lungenembolien (9 %), Fehlgeburten (8 %) und TIA (7 %).
Eine andere Studie mit 1.567 Lupus-Patienten verzeichnete 668 thromboembolische Komplikationen, davon 51 Prozent venös und 49 Prozent arteriell.
Thromboembolierisiko: Der Einfluss der Antikörper
Wie hoch beim einzelnen Patienten das Risiko für Thromboembolien (TE) ist, hängt dabei davon ab, ob es schon zu klinischen Ereignissen gekommen ist und welche Antikörper (s. Kasten) vorliegen.
In der Normalbevölkerung liegt das Risiko im Alter von 35–55 Jahren bei 0,4 TE pro 100 Patientenjahre. Mit einem Antiphospholipidantikörper (aPL-AK) steigt es hingegen auf 1,36 TE pro 100. Patienten mit allen drei Antikörpern erreichen 5,3 TE pro 100 Patientenjahre, nach einer Thromboembolie sogar 20 TE pro 100.
ELISA oder Mischversuch
Beim Antiphospholipidsyndrom spielen drei Parameter eine Rolle. Die beiden Antikörper gegen Cardiolipin und Beta2-Glykoprotein-I haben nur als IgM oder IgG, nicht als IgA eine Bedeutung. Sie werden mittels ELISA bestimmt. Das Lupusantikoagulans verlängert die Gerinnungszeit im Plasma und wird im Labor mit einem Mischversuch überprüft.
Die Behandlung des Antiphospholipidsyndroms oder des aPL-AK-Trägerstatus erfolgt durch Antikoagulation. Eine Immunsuppression ist nur bei gleichzeitigem systemischem Lupus erythematodes oder katastrophalem APS angezeigt. Ansonsten orientiert sich die antikoagulative Prophylaxe am klinischen Bild und den aPL-Antikörpern.
Primäre und sekundäre Prophylaxe beim Antiphospholipidsyndrom
Rheumatologen begegnen immer häufiger positiven aPL-Antikörpern, da man heute mittlerweile gezielt danach sucht, so Prof. Specker. Ein unerfüllter Kinderwunsch oder das Vorliegen einer Fibromyalgie sind dabei typische Anlässe für die Bestimmung.
Bei Nachweis von aPL-AK stellt sich dann die Frage der Prophylaxe. Doch muss jeder mit aPL-Antikörpern vorbeugend antikoaguliert werden?
Die ACR/EULAR-Empfehlungen regeln dies genau. Die primäre Prophylaxe ist bei asymptomatischen aPL-AK-Trägern mit Hochrisikoprofil indiziert, also wenn alle drei Antikörper nachweisbar sind, sowie bei Lupus-Patienten ohne APS, aber mit Hochrisikoprofil. Die Prophylaxe besteht aus der täglichen Einnahme von 75–100 mg ASS.
Die Sekundärprophylaxe bei Patienten mit definitivem Antiphospholipidsyndrom unterscheidet nach der Art der Ereignisse:
- Nach der ersten venösen Thrombose sind Vitamin-K-Antagonisten angezeigt (Ziel-INR 2,0–3,0).
- Nach dem ersten arteriellen Ereignis empfehlen sich Vitamin-K-Antagonisten, eventuell zusammen mit ASS. Der Ziel-INR richtet sich nach dem Risiko für Blutungen und Thromboembolie-Rezidive.
Optimierung der Antikoagulation
Der Ziel-INR richtet sich nach dem Risiko für Blutungen und Thromboembolie-Rezidive. Bei rezidivierenden Thrombosen trotz Antikoagulation prüft man, ob der INR im therapeutischen Bereich liegt. Manchmal liegt es an mangelnder Adhärenz, oft muss die Antikoagulation optimiert werden, um den Zielbereich zu erreichen, sagte Prof. Specker. Lag zum Zeitpunkt des Ereignisses ein INR von 2,0–3,0 vor, sollte man ASS zusätzlich verordnen, den INR-Zielwert auf 3,0–4,0 erhöhen oder auf Heparin umstellen. Prof. Specker bevorzugt in diesen Fällen die Kombination von Vitamin-K-Antagonist und ASS.
NOAK dürfen beim Antiphospholipidsyndrom keinesfalls verordnet werden, erinnert der Experte. Fünf randomisierte kontrollierte Studien zeigten, dass NOAK bei APS-Patienten das Risiko für Thromboembolien im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten erhöhen. In der neuesten Studie von 2023 stieg das Risiko für arterielle Thromboembolien um das 5,5-Fache, insbesondere für Schlaganfälle.
Behandlungsstrategien für Schwangere mit APS
Frauen mit Hochrisikoprofil oder APS-Patientinnen, die schwanger werden möchten, müssen andere Regeln beachten. Schon vor der Empfängnis sollte man mit niedrig dosiertem ASS beginnen. Bei positivem Schwangerschaftstest kommt niedermolekulares Heparin hinzu, je nach Vorgeschichte in prophylaktischer oder therapeutischer Dosierung. Während der gesamten Schwangerschaft überwacht man Blutdruck, Gewicht, Proteinurie und Kindesentwicklung engmaschig.
Die Gefahr einer durchblutungsbedingten Unterversorgung der Plazenta und Fehlgeburt wächst im Verlauf der Schwangerschaft. Doppleruntersuchungen der Nabelschnur zeigen frühzeitig, ob die Frucht unter Stress steht, und ermöglichen, den rechtzeitigen Entbindungszeitpunkt etwa ab der 25. SSW zu erkennen.
Herausforderungen bei der Antikörperbestimmung
Bei der Bestimmung von Antiphospholipidantikörpern und Lupusantikoagulans gibt es einiges zu beachten. Der Nachweis der aPL-AK kann infolge von Infektionen falsch-positiv ausfallen. Beim Anti-Cardiolipin-Antikörper sind erst Titer ab 40 U/ml verwertbar. Das Lupusantikoagulans ist unter einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten, Heparin oder NOAK falsch-positiv.
- 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin