Medical Tribune
27. Juli 2024Gürtelrose-Impfung als günstige Alzheimer-Prävention?

Rekombinanter Gürtelrose-Impfstoff könnte Demenz verzögern

In einer grossangelegten Beobachtungsstudie konnte der neuere Gürtelrose-Impfstoff Shingrix die Diagnose von Demenz bei älteren Erwachsenen deutlich verzögern.

Eine Impfung gegen Gürtelrose senkt offenbar das Demenz-Risiko.
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Eine Impfung gegen Gürtelrose senkt offenbar das Demenz-Risiko. Die rekombinante Vakzine war dabei effektiver als die Lebendimpfung.

Die Ende Juli 2024 in Nature Medicine veröffentlichte Studie untersuchte über 200.000 Menschen in den USA, die entweder die ältere Lebendvakzine Zostavax oder den neueren rekombinanten Impfstoff Shingrix erhielten (1).

Im Schnitt bekamen mit Shingrix geimpfte Personen ihre Demenzdiagnose 164 Tage später als jene, die den Lebendimpfstoff erhielten.

Schon die Lebendimpfung gegen Gürtelrose könnte Demenz entgegenwirken

Rund 30.000 Personen erkranken jährlich in der Schweiz an Gürtelrose (Herpes zoster). Eine latente Infektion mit dem Virus Varicella zoster verursacht die Krankheit. Die Erstinfektion erfolgt meist in der Kindheit (Windpocken). Danach verbleiben die Viren lebenslang in den Neuronen und Gliazellen der Spinalganglien. Wenn ab etwa 50 Jahren die natürliche Immunität nachlässt, können die Viren immer wieder Gürtelrose auslösen. Die Impfungen gegen Gürtelrose schützen davor.

Seit Oktober 2021 ist in der Schweiz der rekombinante Impfstoff Shingrix zugelassen, der den seit 2017 eingesetzten Lebendimpfstoff Zostavax weitgehend abgelöst hat.

Immer mehr Untersuchungen legen nahe, dass Herpesviren wie Herpes simplex und Varicella zoster eine Rolle bei der Entstehung der Demenz spielen könnten. Eine niederschwellige Entzündung im Gehirn, ausgelöst durch neurologische Infektionen, könnte der Hintergrund sein.

Dementsprechend schien auch bereits die Lebendimpfung gegen Gürtelrose das Demenzrisiko von Älteren zu verringern. Frauen profitierten dabei allerdings mehr als Männer.

Demenz begann nach rekombinanter Impfung um 164 Tage später

In der aktuellen Studie nutzte ein britisches Forscherteam unter anderem von der Universität Oxford ein «natürliches Experiment»: Im Herbst 2017 stellten die USA innerhalb weniger Wochen fast alle Impfungen gegen Herpes zoster auf die rekombinante Vakzine Shingrix um.

Die Forscher analysierten nun Gesundheitsdaten von mehr als 100.000 Amerikanern über 65 Jahren, die zwischen November 2017 und Oktober 2020 mit Shingrix geimpft wurden. Diese verglichen sie mit Daten von ebenfalls über 100.000 Personen, die zwischen Oktober 2014 und September 2017 Zostavax erhielten.

Es stellte sich heraus, dass Personen, die Shingrix erhielten, eine um 17 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit für eine Demenzdiagnose in den sechs Jahren nach der Impfung hatten als jene, die Zostavax erhielten. Diese Verringerung entspricht einer durchschnittlichen Verzögerung des Demenzbeginns um 164 Tage.

Der Effekt war dabei sowohl bei Männern als auch bei Frauen sichtbar, wobei die Verzögerung bei Frauen etwas deutlicher ausfiel.

Gürtelrose-Impfung als günstige Alzheimer-Prävention?

In einem Expertenkommentar für das britische Science Media Center merkte Dr. Rob Howard, Professor für Alterspsychiatrie am University College London, an, dass die Ergebnisse die vorherigen Hinweise darauf unterstützen, dass Impfungen gegen Herpesviren auch vor der Alzheimer-Krankheit und damit vor Demenz schützen könnten. Unklar sei, ob der Schutz durch die Unterdrückung des Virus oder durch eine Immunantwort, die einen Teil der molekularen Pathologie der Alzheimer-Krankheit angreift, vermittelt werde.

Der Biochemiker Prof. Dr. Andrew Doig von der University of Manchester hob zudem hervor, dass die Ergebnisse überzeugend seien, da die Studie eine grosse Anzahl von Patienten umfasse und andere beeinflussende Faktoren ausgeschlossen wurden. Er forderte jedoch klinische Studien, um die Wirksamkeit des Impfstoffs weiter zu bestätigen und zu prüfen, ob eine frühere Impfung, etwa im Alter von 40 bis 60 Jahren, noch bessere Ergebnisse liefern könnte.