Psychosen im Kindes- und Jugendalter
Psychosen kommen bei Kindern und Jugendlichen sehr selten vor und werden meist spät erkannt. Eine frühe Diagnose und Behandlung können die Prognose aber stark verbessern. Auf welche Zeichen bei Heranwachsenden zu achten ist, erklärt KD Dr. Maurizia Franscini, Chefärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie PUK Zürich.
«In einer Psychose erleben Kinder und Jugendliche ihre Umgebung in auf eine Art, die verwirrend, irritierend, bedrohlich und manchmal aber auch faszinierend sein kann», so Dr. Franscini (1).
Regelmässiger THC-Konsum führt zu Hirnveränderungen
Für psychotische Symptome kommen dabei verschiedene Ursache in Frage. Ein häufiger Grund bei Heranwachsenden sind organische Probleme, wie etwa eine Epilepsie, eine endokrine Störung oder eine Raumforderung im Gehirn.
Auch der Konsum von psychotropen Substanzen wie Cannabis oder Kokain kann eine Psychose auslösen. Die Jugendlichen müssen deshalb gut über Drogen und ihre Risiken aufgeklärt werden, so die Referentin.
Ein regelmässigen THC-Konsum zum Beispiel führt bei Heranwachsenden zu messbaren Hirnveränderungen. Hinzu kommt, dass Cannabis heute etwa zehnmal mehr THC enthält als noch vor wenigen Jahren.
Psychotische Symptome können auch Teil einer Depression sein
Die Schizophrenie ist die schwerste Form einer psychotischen Störung. Am häufigsten ist die paranoide halluzinatorische Schizophrenie. «Die Betroffene hören zum Beispiel Stimmen, haben paranoide Gedanken und Wahnvorstellungen oder Ich-Störungen», erläutert die Psychiaterin.
Auch bei affektiven Störungen können psychotische Symptome auftreten, zum Beispiel während einer schweren depressiven Episode.
Risikofaktoren für eine Psychose sind genetische Prädisposition, Drogenkonsum, virale Infektionen während der Schwangerschaft und niedriger IQ.
Schleichender Verlust des Realitätsbezuges
«Eine Psychose aufgrund einer Schizophrenie entwickelt sich in einem langen Prozess», so die Expertin weiter.
Zuerst berichten Betroffene über unspezifische Symptome wie Schlafprobleme, Irritabilität, Neigung zum sozialen Rückzug. Mit der Zeit entwickeln sich die ersten sogenannten Psychose-fernen Symptome sind meist so subtil, dass sie oft nur die Betroffenen wahrnehmen. Dazu gehören subjektiv wahrgenommene Wahrnehmungsveränderungen, leichte formale Denkstörungen,Konzentrationsprobleme und nachlassen der Leistungen in der Schule.
Im Verlauf entwickeln sich mehr und mehr Psychose-nahe Symptome. «Die Jugendlichen erzählen zum Beispiel, sie fühlten sich auf der Strasse ständig beobachtet, sähen im Augenwinkel Schatten oder hörten immer jemanden ihren Namen rufen. Wenn sie sich dann aber umdrehten, ist da aber niemand», erläutert die Psychiaterin.
Symptome werden oft falsch interpretiert
In dieser frühen Krankheitsphase bewerten die Jugendlichen diese Phänomene dabei oft erst als eine Art Sinnestäuschungen. In der Psychose ist ein solcher Realitätsbezug dann aber nicht mehr vorhanden. Die psychotischen Symptome sind bei Heranwachsenden nicht so ausgeprägt wie bei Erwachsenen, erklärt Dr. Franscini.
Im Vordergrund stehen bei Kindern und Jugendlichen dabei nicht Halluzinationen, Ich-Störungen und Wahn, sondern Minussymptome. Sie betreffen Antrieb, Affekt, Lust und Interesse. «Aufgrund dieses atypischen Bildes wird eine Psychose bei Heranwachsenden oft verkannt und als adoleszente Krise, ADHS, Depression oder Angststörung falsch interpretiert», sagt die Referentin.
Verzögerte Behandlung verschlechtert Prognose
Entsprechend spät werden die Heranwachsenden in der Regel behandelt und das führt zu einer deutlich schlechteren Prognose als bei Erwachsenen.
Etwa die Hälfe der Minderjährigen entwickelt einen chronischen Verlauf, bei den Erwachsenen sind es «nur» 25 Prozent. «Erhalten Jugendliche aber bereits beim Auftreten der ersten psychotischen Symptome spezifische Interventionen, ist die Prognose gleich gut oder sogar besser als bei Erwachsenen», betont Dr. Franscini.
Sie rät dazu, bei einem Verdacht nicht zu zögern, die Jugendlichen für eine Abklärung in ein spezialisiertes Zentrum zu schicken.
Dranbleiben, nicht aufgeben
Die Behandlung ist herausfordernd, da Kindern und Jugendlichen noch in Entwicklung stehen. Sie bedarf eines multimodalen Konzeptes. In der akuten Phase steht primär die Medikation im Vordergrund. Zum Einsatz kommen Antipsychotika, die ein möglichst niedriges Nebenwirkungsprofil haben (z.B. Aripiprazol, Quetiapin, Risperidon).
Weil die Wirkung dieser Medikamente oft erst nach einigen Wochen eintritt, ist zu Beginn zusätzlich ein Benzodiazepin indiziert, so die Expertin. Angestrebt wird eine Monotherapie in der kleinstmöglichen Dosis. Das Therapieziel ist die Remission. Ein wichtiger Behandlungspfeiler ist auch die Rückfallprophylaxe. Sie beinhaltet die Re-Integration der Jugendlichen in den Alltag, Einbezug des Umfeldes sowie Massnahmen wie Psychotherapie und Edukation. «Wichtig bei Jugendlichen ist auch: nicht aufgeben, sondern dranbleiben», betonte Dr. Franscini zum Schluss.
- FomF Pädiatrie Update Refresher