Wie gut die TMB den Erfolg einer Checkpoint-Inhibition vorhersagt
Die Tumormutationslast (TMB) gilt als Surrogatmarker für Neoantigene und das Ansprechen auf Immuntherapien. Am ESMO Immuno-Oncology Congress 2023 diskutierten zwei Experten die Aussagekraft dieses Parameters, den geeigneten Grenzwert und mögliche Unterschiede zwischen verschiedenen Tumorarten.
Prof. Dr. Dr. Francois Ghiringhelli vom Centre Georges-Franois Leclerc in Dijon betont die biologische Rechtfertigung hinter der Verwendung der Tumormutationslast (TMB) als Indikator für das Ansprechen auf Immuntherapien. «Je mehr Mutationen vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass T-Lymphozyten Tumorzellen erkennen und eliminieren können», erklärt der Onkologe (1).
Mutationslast bestimmt Ansprechen beim Mamma- und Kolorektalkarzinom
Das bestätigen auch die Ergebnisse der KEYNOTE-158-Studie. Darin konnte die Mutationslast das Ansprechen auf Pembrolizumab vorhersagen. Insgesamt nahmen 1.032 Patienten mit soliden Tumoren teil, die anhand eines Grenzwerts von 10 nicht-synonymen Mutationen pro Megabase mut/MB) stratifiziert wurden.
Die objektive Ansprechrate (ORR) betrug dabei bei hoher Mutationslast 29 Prozent im Vergleich zu nur sechs Prozent bei niedriger TMB. Interessanterweise war dieser Unterschied unabhängig vom MSI-Status. Basierend auf diesen Ergebnissen erhielt Pembrolizumab eine Tumortyp-agnostische Zulassung von der FDA.
Kleine Analysen zeigten auch für Mamma- und Kolorektalkarzinome sowie eine gemischte Patientengruppe die Aussagekraft der TMB. Bei Patienten mit mikrosatellitenstabilem CRC konnten allerdings nur wenige zusätzliche Responder identifiziert werden.
Unter 1.285 NSCLC-Erkrankten, die in der Erstlinie eine Chemoimmuntherapie erhielten, sprachen diejenigen mit der höchsten Mutationslast ebenfalls häufiger an. Zudem hatten sie ein längeres medianes progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben.
Aminosäuresubstitutionen weniger immunogen als Leserasterverschiebungen
Prof. Ghiringhelli fügt hinzu, dass die TMB einen Zusatznutzen zur PD-L1-Expression, insbesondere bei Lungenkrebs, bietet. NSCLC-Patienten mit ähnlicher PD-L1-Expression sprachen eher auf Immuncheckpoint-Inhibitoren an, wenn sie auch eine hohe Mutationslast aufwiesen. Dieser Unterschied schien besonders bei PD-L1-negativen Tumoren signifikant zu sein.
Dr. Dr. Benoit J. Rousseau vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York äussert aber Zweifel daran, dass alle Mutationen gleichwertig sind (2). So seien einzelne Aminosäuresubstitutionen im Allgemeinen weniger immunogen als Leserasterverschiebungen. Das Muster der Veränderungen hänge auch von den mutagenen Einflussfaktoren ab. «Wenn wir beispielsweise den Austausch zu hydrophoben Aminosäuren betrachten, tritt dies bei UV-Licht, Rauchen und MMR-Defekten sehr viel häufiger auf als im Alter oder durch alkylierende Substanzen.»
Mehr auf Qualität statt Quantität setzen
Dr. Rousseau schlägt vor, sich mehr auf die Qualität als auf die Quantität der Neoantigene zu konzentrieren. Entitäten, für die Immuntherapien bereits zugelassen sind, weisen insgesamt die meisten Leserasterverschiebungen auf. Dazu gehören Nierentumoren, die typischerweise eine niedrige TMB aufweisen, aber auf Immuncheckpoint-Inhibitoren ansprechen.
In der KEYNOTE-16-Studie sagte etwa die Anzahl der Insertionen und Deletionen den Therapieerfolg besser voraus als der Mikrosatellitenstatus und Missense-Mutationen. Eine Behandlung mit dem Alkylans Temozolomid, das hauptsächlich Punktmutationen verursacht, scheint hingegen Gliome nicht empfindlicher für eine PD1-Blockade zu machen.
Nutzen ist abhängig von Tumortyp und Mutagenese
Laut Dr. Rousseau können MMR-Defekte und POLE-Mutationen die Aussagekraft der TMB in Studien beeinflussen. Wenn nur Patienten mit intakter DNA-Reparatur in einer CRC-Kohorte betrachtet werden, profitieren diejenigen mit einer TMB von mehr als 10 mut/MB nicht stärker von einer Immuncheckpoint-Inhibition als diejenigen mit niedrigeren Werten. Für einige Tumorarten bleibt jedoch weiterhin ein Effekt der Tumormutationslast erkennbar. Dies betrifft hauptsächlich Krebsarten, die mit Tabakkonsum oder UV-Licht in Verbindung gebracht werden, wie z.B. NSCLC, Melanome und Kopf-Hals-Tumoren.
Dr. Rousseau schlussfolgert, dass Immuncheckpoint-Inhibitoren bei stark karzinogenbedingten Malignomen mit hoher Mutationslast auch ohne DNA-Reparaturdefekt einen Überlebensvorteil bieten (TMB-sensitiv), während dies für andere Tumorarten kaum oder gar nicht gilt (TMB-insensitiv). Insgesamt korreliert eine hohe Mutationslast zwar mit besseren Immuntherapie-Ergebnissen, der zu erwartende Nutzen hängt jedoch vom Tumortyp und dem Mechanismus der Mutagenese ab.
Was ist der beste Grenzwert?
Die Frage nach dem optimalen Grenzwert bleibt umstritten, so Prof. Ghiringhelli. Die Entwickler des FoundationOne-Tests empfehlen einen Grenzwert von 20 mut/MB, der auch von mehreren Studien unterstützt wird.
Andererseits führte eine Erhöhung über 10 mut/MB hinaus in einer NSCLC-Kohorte, die mit Nivolumab/Ipilimumab behandelt wurde, nicht zu einer erfolgreichen weiteren Stratifizierung. Ein alternativer Ansatz besteht darin, die zehn oder 20 Prozent der Patienten mit der höchsten TMB für jede Tumorart auszuwählen. Insgesamt liege der Grenzwert jedoch immer zwischen 10 und 20, erklärte der Referent.
- Ghiringhelli F. ESMO Immuno-Oncology 2023; Vortrag «Is TMB a good predictive biomarker for immunotherapy? Yes»
- Rousseau BJ. ESMO Immuno-Oncology 2023; Vortrag «Is TMB a good predictive biomarker for immunotherapy? No»