Medical Tribune
3. Dez. 2023Inhaltsstoff Estragol bringt Leber und Erbgut in Gefahr

Fencheltee: Nichts für Säuglinge und Kleinkinder!

Fencheltee wird traditionell zur Linderung von Blähungen eingesetzt, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Doch gerade bei ihnen sollte man mit Fencheltee vorsichtig sein: Er enthält gelegentlich hohe Mengen der potenziell gesundheitsschädlichen Substanz Estragol. Zudem können hinter Blähungen beim Säugling andere Probleme stecken.

Glas mit Fencheltee, daneben Fenchelsamen auf weissem Hintergrund
Prashant ZI/stock.adobe.com

Fencheltee wird oft als natürliches Mittel zur Behandlung von Bauchschmerzen und Blähungen bei Säuglingen verwendet und ist auch bei stillenden Müttern beliebt. Allerdings gibt es keine ausreichenden Beweise für die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Nahrungsmittels, schreibt Professor Dr. Peter Voitl von der Medizinischen Universität und der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien (1).

Besorgniserregend ist für ihn hingegen das im Fenchel enthaltene Estragol. In mehreren Studien wurden dieser Substanz krebserregende und genotoxische Eigenschaften zugeschrieben. Bereits im Jahr 2007 hatte der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittel­agentur (EMA) die Anwendung süs­ser Fenchelprodukte erst für Kinder ab vier Jahren empfohlen und stillenden Müttern vom Konsum abgeraten.

Estragol in Tierstudien krebserregend

Die aktuellste Richtlinie stammt aus dem Frühjahr 2023 und berücksichtigt neue Erkenntnisse aus Tierversuchen (2).

Diese bestätigen, dass hohe Dosen Estragol bei Nagetieren eine Hepato­kanzerogenität aufweisen und das Erbgut verändern können. Die Autoren der Richtlinie gehen davon aus, dass dieser Wirkmechanismus auch auf den Menschen übertragbar ist.

Der Estragolgehalt in Fencheltees variiert stark, betont Prof. Voitl. In den getesteten Produkten lag er zwischen 78 µg/l und 4.634 µg/l. «Wenn man bedenkt, dass Fenchel auch in einigen Babynahrungsmitteln enthalten ist, bleibt die tatsächlich erreichte oder erreichbare Tagesdosis ungewiss und könnte möglicherweise den hepatotoxischen Bereich erreichen», erklärt der Wissenschaftler.

«Insgesamt sollte empfohlen werden, Produkte mit Estragol so wenig wie möglich zu verwenden und die Einnahme auf einen kurzen Zeitraum zu beschränken.» Es ist auch wichtig, dass der Tee pharmakologisch korrekt zubereitet wird und einen standardisierten Estragolgehalt im sicheren Dosisbereich aufweist.

Oft liegen gar keine Blähungen vor

Prof. Voitl erinnert in seiner Arbeit ausserdem daran, dass Unruhe und häufiges Schreien bei Babys häufig nichts mit Blähungen zu tun hat. Stattdessen stecken Interaktionsproblemen dahinter, gegen die Fenchtee ohnehin nichts ausrichten kann. Bei starken Beschwerden sollte in jedem Fall professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, empfiehlt der Autor. Den Eltern von «Schreibabies» könne stattdessen möglicherweise mit psychologischer Unterstützung weitergeholfen werden.