Medical Tribune
8. Nov. 2023Arteriell, venös oder neural?

PAVK von anderen Ursachen für Beinschmerzen abgrenzen

Bei einem Patienten mit anhaltenden diffusen Beinschmerzen liegt der Verdacht auf eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) nahe. Doch sicher sein kann man sich allein anhand der klinischen Zeichen nicht. Vor dem Start der Therapie gilt es daher, andere Erkrankungen auszuschliessen.

Der ABI gibt Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit einer PAVK.
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Das Leitsymptom der PAVK sind belastungsabhängige, krampfartige Schmerzen. Bei einer kritischen Extremitätenischämie treten zusätzlich blasse und kühle Haut sowie Ruheschmerzen auf, möglicherweise auch trophische Störungen der Haut. Diese können auch venöse Ursachen haben, während Beinschmerzen bei Belastung auf eine Claudicatio spinalis hinweisen können.

Ein internationales Autorenteam gibt praktische Hinweise, was bei entsprechendem Verdacht zu tun ist (1).

Überweisung zum Spezialisten bei ABI < 0,8

Ein wichtiger diagnostischer Schritt bei vermuteter PAVK ist die Ermittlung des Knöchel-Arm-Index (ABI). Mit ihm lässt sich die Durchblutung der Beine beurteilen und eine Pulsdifferenz zwischen dem rechten und dem linken Bein feststellen. Ein ABI zwischen 1,0 und 1,4 gilt als Normalbefund zu werten (siehe Tabelle), bei Werten unter 0,8 sollte der Patient an einen Gefäss­spezialisten überwiesen werden. Anhand des klinischen Bildes allein lässt sich ein vaskulär bedingtes Hinken oft nicht ohne Weiteres von einer Claudicatio spinalis unterscheiden.

Für die Wirbelsäulen­­erkrankung spricht, wenn der Schmerz bei anhaltender Belastung innerhalb von Minuten wieder verschwindet oder wenn man einen Patienten ohne relevant erhöhtes kardio­vaskuläres Risiko vor sich hat. Ein normaler ABI (> 1,0) deutet ebenfalls auf eine kompressionsbedingte Nervenreizung als Auslöser des Schmerzes hin. Typisch für die Stenose ist zudem die Schmerzlinderung im Sitzen, während PAVK-Patienten eher im Stand Erleichterung verspüren.

Bei Symptomen einer akuten Extremitätenischämie ist eine Notfallüberweisung zum Gefässspezialisten oder in eine entsprechende Sprechstunde noch am selben Tag erforderlich. Dazu gehören:

  • Schmerzen
  • blasse und kühle Haut
  • Parästhesien
  • fehlende Fusspulse
  • die Unfähigkeit, die Zehen zu bewegen
  • eine Temperaturdifferenz zwischen linkem und rechtem Bein

Generell an eine Ischämie denken, wenn die Schmerzen plötzlich aufgetreten sind

Besonders vom akuten Gefässverschluss gefährdet sind Patienten mit Vorhofflimmern oder mit bekannter peripherer arterieller Erkrankung sowie Personen nach einer Bypass-Operation. Generell sollte an eine Ischämie gedacht werden, wenn die Schmerzen plötzlich aufgetreten sind.

Auch wenn das Bein nicht akut bedroht ist, können die angiologische Abklärung und die entsprechende Therapie weitere akute Episoden verhindern. Bei intakter Haut und Ruheschmerzen, klinisch nachgewiesener PAVK, bei fehlenden Pulsen und reduziertem ABI sollte der Angiologe innerhalb von sieben Tagen aufgesucht werden, bei Ulzera­ oder Gangrän binnen 48 Stunden.

Verspätete Therapie erhöht Risiko für Amputation

Besondere Aufmerksamkeit ist bei Patienten mit Diabetes und PAVK geboten. Wenn sich ihr Zustand verschlechtert oder sie Ulzera entwickeln, sollten sie sich innerhalb von 24 Stunden in einer diabetologischen Fuss-Sprechstunde oder in einer spezialisierten Praxis vorstellen. Denn das Geschwür kann sich rasch vergrössern, zudem drohen schwere Infektionen.

Erfolgt die Behandlung verspätet, lässt sich eine Amputation oft nicht mehr verhindern. Auch wenn der ABI normal oder erhöht ist, gehört ein Diabetiker mit «frischem» Ulkus binnen eines Tages zum Spezialisten, denn ABI-Normalwerte schliessen bei diesen Patienten die PAVK nicht aus, schreiben die beiden Autoren.

Zwar liegt einem Geschwür am Unterschenkel oder am Fuss in 70–80 Prozent der Fälle eine Venen­erkrankung zugrunde, die eine Kompressionstherapie erfordert. Bei Patienten mit unzureichender arterieller Versorgung hätte sie aber fatale Folgen. Bei leerer PAVK-Anamnese, tastbaren Fusspulsen und nur leicht reduziertem ABI (≥ 0,8) ist die Drucktherapie möglich. Denn dann ist das Ulkus höchstwahrscheinlich venös bedingt. Im Zweifel sollte ein Angio­loge hinzugezogen werden.

Neuropathische Ulzera finden sich vor allem bei Menschen mit Diabetes. In aller Regel sind sie schmerzlos. Sie können durch eine periphere Nervenschädigung, PAVK oder durch die Kombination von beiden verursacht sein. Bei den Betroffenen findet sich oft eine Media­sklerose, in diesen Fällen täuscht der erhöhte ABI eine ausreichende Durchblutung nur vor. Auch diese Patienten gehören in die Hände eines Gefässspezialisten.

Knöchel-Arm-Index (ABI)Schweregrad der arteriellen Erkrankung
> 1,4Verdacht auf Kalzifikationen
> 1,0 arterielle Erkrankung unwahrscheinlich
0,81–1,0allenfalls milde arterielle Erkrankung
0,5–0,8moderate arterielle Erkrankung
< 0,5schwere arterielle Erkrankung
Tabelle: ABI und korrespondierende Befunde