Medical Tribune
24. Okt. 2023Wann der Herzkatheter warten kann

Zuwarten ist bei stabilen Patienten mit KHK-Verdacht erlaubt

Ist das rechnerische Risiko für eine KHK gering, kann eine Verschiebung invasiver Testung auf einen späteren Zeitpunkt sinnvoll sein. Das erspart den Patienten unnötige Dia­gnostik, ohne das Risiko für gravierende Outcomes zu erhöhen.

Errechnet sich eine niedrige Vortestwahrscheinlichkeit kann die invasive Diagnostik warten.
pangoasis/stock.adobe.com
Errechnet sich eine niedrige Vortestwahrscheinlichkeit kann die invasive Diagnostik warten.
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Bei niedriger Vortestwahrscheinlichkeit kann die invasive Diagnostik warten.

Sofort intensiv abklären oder erst einmal zuwarten? Das ist häufig die Frage bei symptomatischen, aber stabilen Patienten mit KHK-Verdacht.

Eine Antwort darauf gibt eine erneute Auswertung der Studie PRECISE (Prospective Multicenter Imaging Study for the Evaluation of Chest Pain). Diese randomisierte pragmatische Untersuchung wurde an 65 Zentren in Europa und Nordamerika durchgeführt (1).

Hält der PROMISE-Score weiteren Testungen stand?

Zur Detektion gering gefährdeter Probanden diente der zuvor schon entwickelte PROMISE Minimal Risk Score (PMRS). Dieser setzt sich u.a. aus dem Alter und Geschlecht der Patienten zusammen, erläutert das Autorenteam. Daneben gehen auch psychischer und körperlicher Stress, Nikotinkonsum, Dyslipid­ämie, Hypertonie, Diabetes mellitus und die Familienanamnese in den Risiko­score ein.

Von den 2.103 Teilnehmern der PRECISE-Studie wiesen 422 (20 %) ein minimales Risiko auf. Das Durchschnittsalter dieser Patienten lag bei 46 Jahren, 72 % waren Frauen. Sie wurden auf zwei Gruppen aufgeteilt: 214 erhielten zunächst keine genauere Diagnostik und sollten nur bei Bedarf später untersucht werden. Bei 208 erfolgte eine sofortige Abklärung. Diese bestand entweder aus einer CT-Koronarangiografie (CTA) inklusive Bestimmung der CT-basierten fraktionellen Fluss­reserve (CTA-derived fractional flow reserve, CT-FFR) oder es erfolgte die übliche Diagnostik mit Stresstest und Herzkatheteruntersuchung.

Ergebnis bei doch abgeklärten «watch and wait»-Patienten in 96 Prozent unauffällig

Von den Teilnehmern, die erst später abgeklärt werden sollten, erhielten im Follow-up-Zeitraum von zwölf Monaten 64 Prozent keine weitere KHK-Diagnostik. 36 Prozent von ihnen wurden noch untersucht – wegen Symptomverschlechterung, neu aufgetretenen Beschwerden oder auf eigenen Wunsch. In 96 Prozent dieser Fälle war das Ergebnis unauffällig.

Die Gruppe der verzögert abgeklärten Patienten erreichte den primären Endpunkt deutlich seltener (0,9 %) als Teilnehmer, die man direkt weiter untersucht hatte (6,3 %).

Dieser setzte sich zusammen aus Todesfällen jeder Ursache (0 vs. 1 Fall), nichtletalen Myokardinfarkten (0 vs. 1 Fall) sowie invasiven Katheteruntersuchungen, die keine obstruktive KHK ergaben (Über­diagnostik, 2 vs. 12 Fälle).

Angina pectoris wurde in beiden Gruppen seltener

Zu Beginn der Studie litten 70 Prozent der Patienten häufig (mindestens einmal pro Monat) an Angina pectoris. Innerhalb von zwölf Monaten verringerte sich dieser Anteil in beiden Gruppen auf unter 20 Prozent. Wenn nur ein geringes Risiko vorliegt, ist bei symptomatischen Patienten mit KHK-Verdacht daher ein zunächst abwartendes Vorgehen erlaubt, schlussfolgern die Autoren.