Bluthochdruck bei Frauen ist anders
Die anatomischen und hormonellen Unterschiede zwischen Frauen und Männern wirken sich auf die Entwicklung einer Hypertonie aus. Was das therapeutisch bedeutet, wird erst allmählich deutlich. Gesicherte Erkenntnisse gibt es zumindest zum Hochdruck in der Schwangerschaft.
Junge Frauen haben im Durchschnitt einen niedrigeren Blutdruck als gleichaltrige Männer. Dagegen steigt bei Frauen nach der Menopause insbesondere der systolische Blutdruck steiler an. Dies geht mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, ist in einer aktuellen Übersichtsarbeit zu lesen (1).
Nach der Menopause nimmt die Gefässsteifigkeit zu
Warum das so ist, ist nicht abschliessend geklärt. Doch spreche vieles für das folgende Erklärungsmodell:
Frauen sind im Durchschnitt kleiner als Männer – entsprechend geringer fallen Durchmesser und Länge des Aortenbogens aus. Zudem scheinen ihre Gefässe in jungen Jahren hormonell bedingt elastischer zu sein. Nach der Menopause nimmt die Gefässsteifigkeit aber stärker zu, auch im Bereich des Aortenbogens.
Die Unterschiede wirken sich auf die Hämodynamik aus. So beobachtet man fast nur bei grossen jungen Männern – aber sehr selten bei Frauen – die isolierte juvenile systolische Hypertonie. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Amplifikation der Druckwelle von der Brustaorta bis zum Messpunkt Armarterie bei ihnen höher ist.
Dagegen führt die geringere Amplifikation bei Frauen zusammen mit dem kürzeren Laufweg der reflektierten Pulswelle bei kürzerer Aorta zu einer geringeren Blutdruckamplitude. In einer Studie zeigte sich bei unter 45-Jährigen mit isolierter systolischer Hypertonie eine geringere kardiovaskuläre Mortalität als bei Männern.
In der zweiten Lebenshälfte nimmt die Steifigkeit der Gefässe bei beiden Geschlechtern immer weiter zu. Bei Frauen betrifft sie besonders die proximale Aorta. Dies hat zum einen zur Folge, dass die reflektierte/retrograde Druckwelle bei Frauen schneller und stärker zum Herzen zurückläuft, was den systolischen Blutdruck zusätzlich erhöht.
Aortale Hypertonie bei peripherer Normotonie
Zum anderen kann die steife Aorta den erhöhten Druck nur partiell oder gar nicht in die A. brachialis weiterleiten, wo der Blutdruck gemessen wird. In diesem Fall kann eine maskierte aortale Hypertonie auftreten, also ein konventionell gemessener Blutdruck im Normbereich bei gleichzeitiger aortaler Hypertonie.
Um die Situation zu demaskieren, muss man eine Pulswellenanalyse zur Bestimmung des zentralen aortalen Blutdrucks durchführen. Da das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen bereits bei niedrigeren Blutdruckwerten stärker erhöht ist als bei Männern, sollten sie früher behandelt werden.
Nur in wenigen Hochdrucktherapiestudien wurden Analysen getrennt nach Geschlechtern durchgeführt. Wesentliche Unterschiede liessen sich dabei nicht erkennen, schreibt der Experte. Kalziumantagonisten scheinen bei Frauen tendenziell besser wirksam zu sein. Da diese vor allem den zentralen Blutdruck gut senken, stünde diese Beobachtung im Einklang mit dem beschriebenen Erklärungsmodell.
Klare Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen dagegen im Hinblick auf die Nebenwirkungen der gängigen Blutdrucksenker. So entwickeln Frauen unter Diuretika häufiger Elektrolyt- und Herzrhythmusstörungen als Männer. Unter Kalziumkanalblockern kommt es bei ihnen häufiger zu peripheren Ödemen und unter ACE-Hemmern öfter zu Husten.
Milde Gestationshypertonie ebenfalls behandeln
Etwa 5–10 % aller Schwangeren entwickeln eine Gestationshypertonie. Bislang wird diese leitliniengerecht erst dann behandelt, wenn der Blutdruck 160/100 mmHg übersteigt.
Neue Daten weisen darauf hin, dass bereits die Behandlung einer milden Hypertonie sinnvoll wäre. So ging in der Chronic Hypertension And Pregnancy (CHAP)-Studie eine Senkung auf Werte < 140/90 mmHg mit deutlichen Vorteilen für den Verlauf der Schwangerschaft einher. In der Studie wurde meist der kombinierte Alpha- und Betablocker Labetalol verordnet, gefolgt von retardiertem Nifedipin.
Der Autor rät dazu, während der Schwangerschaft retardierte Kalziumkanalblocker (Nifedipin, Amlodipin) einzusetzen, denn sie senken den aortalen Blutdruck am effektivsten und führen somit zu einer verbesserten Durchblutung der zentralen Organe. Dagegen wirkt der hierzulande häufig verordnete Betablocker Metoprolol nur auf den peripheren Blutdruck. Er sollte nach Ansicht des Studienautors bevorzugt werden, sofern auch die Herzfrequenz klinisch relevant erhöht ist.
Haben werdende Mütter bereits in einer früheren Schwangerschaft eine Präeklampsie entwickelt, lohnt sich offenbar ein differenziertes Vorgehen entsprechend der individuellen hämodynamischen Parameter (Herzfrequenz, Herzminutenvolumen, peripherer Widerstand). In einer niederländischen Studie führte die Behandlung mit Labetalol, Nifedipin oder Methyldopa auch bei (noch) normalen Blutdruckwerten zu einer deutlichen Senkung des Risikos für eine Präeklampsie bzw. ein HELLP-Syndrom.
- Middeke M. Hoher Blutdruck bei Frauen – geschlechtsspezifische Besonderheiten [High blood pressure in women - gender-specific features]. Dtsch Med Wochenschr. 2023 Apr;148(9):547-554. German. doi: 10.1055/a-1892-4800