Medical Tribune
6. Okt. 2023Welche Folgen die Therapie auf lange Sicht hat

Junge Darmkrebspatienten haben ganz andere Probleme

Immer mehr Menschen erkranken in einem Alter von unter 50 Jahren an Darmkrebs. Damit stehen Ärzte vor neuen Herausforderungen. Die Frage von Langzeittoxizität und Fertilitätserhalt stand bisher beispielsweise beim kolorektalen Karzinom nicht weit oben auf der Agenda. Das muss sich ändern, erläutert Prof. Dr. Dr. ­Irit ­Ben-Aharon, Rambam Health Care Campus in Haifa (1,2).

Immer mehr junge Patienten erhalten eine Darmkrebsdiagnose.
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Der Trend ist in den USA schon länger bekannt: Während die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms (CRC) bei älteren Menschen zurückgeht – zumindest teilweise wegen der Entfernung von Risikoläsionen in Screeningkolo­s­kopien – erhöht sich die Zahl der Personen, die in einem Alter von unter 50 Jahren an Darmkrebs erkranken.

International sind die Trends unterschiedlich, für Deutschland wird aber eine ähnliche Entwicklung wie in den USA berichtet.

Die Inzidenz von CRC im Alter unter 50 Jahren stieg nach den Daten aus zwei Krebsregistern von 2008 bis 2012 um 7,7 Prozent (3). Für die kommenden Jahre wird eher eine Verstärkung dieses Trends erwartet (4). Die Stadienverteilung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose scheint bei jüngeren Betroffenen weitgehend der in der höheren Altersgruppe zu entsprechen. Die meisten jungen Darmkrebspatienten erkranken dabei sporadisch ohne eine familiäre Belastung (4).

Bislang fehlt die Evidenz zur Fertilitätserhaltung

Mit immer mehr jüngeren Darmkrebserkrankten nimmt auch die Bedeutung der Fertilitätsprävention im Rahmen der Therapie eines CRC zu. Allerdings sind laut Prof. ­Ben-Aharon die meist aus der Versorgung von Frauen mit Brust- oder Eierstockkrebs stammenden Strategien nicht unbedingt 1:1 auf Personen mit Darmkrebs zu übertragen. Eine Evidenz für die Beratung zur Fertilitätserhaltung gibt es im Falle des CRC nicht und der Einsatz von GnRH-Analoga ist bei den CRC-Therapieregimen nicht untersucht.

Da GNRH-Analoga auch die Vaskularisierung fördern, könnten sie gerade in dieser Indikation problematisch sein. Die häufig eingesetzte Radiatio gefährdet den Uterus. Eine operative Verlagerung aus dem Bestrahlungsfeld ist möglich, aber die später resultierenden Schwangerschaftsraten sind unbekannt. Das für die Therapie des CRC regelhaft eingesetzte Oxaliplatin verursacht Amenorrhöen, ist aber wahrscheinlich für beide Geschlechter nicht so gonadotoxisch wie beispielsweise Chemotherapieprotokolle zur Behandlung des Mammakarzinoms (4).

Öfter kardiovaskuläre ­Erkrankungen und sekundäre Tumoren

Überleben junge Menschen eine frühe Darmkrebserkrankung, müssen sie womöglich dauerhaft mit Langzeitfolgen der Therapie leben. Ältere Personen mit einem CRC im Stadium I–III entwickeln in der Folge deutlich häufiger als Gleichaltrige ohne Krebs und Therapie erstmals eine kardiovaskuläre Erkrankung und eine Herzinsuffizienz.

Betroffene mit soliden Tumoren haben auch ein erhöhtes Risiko, später an einem therapiebedingen myelodysplastischen Syndrom oder einer akuten myeloischen Leukämie zu erkranken. All das kommt erst recht auf junge Krebspatienten mit längerer Lebenserwartung zu.

Nicht zuletzt stellt das veränderte Körperbild für junge Menschen mit CRC eine Herausforderung dar und es kann zu Einschränkungen der sexuellen Funktion kommen. Das betrifft in besonderem Masse Personen mit Rektum- und Analkarzinom.

Darüber hinaus kann ein Darm­tumor in jungen Jahren einen krankheitsbedingten Ausfall genau in der Zeit bedeuten, in der normalerweise die berufliche Karriere aufgebaut wird. Er kann das soziale und berufliche/akademische Leben komplett unterbrechen und die finanzielle Belastung kann nicht nur in der Zeit der Therapie, sondern auch durch die langfris­tigen Folgen des Ausfalls hoch sein.

«Warnzeichen sollten nicht übersehen werden»

Es gibt also in der Versorgung wie in der Forschung durch die steigende Zahl junger Menschen mit Darmkrebs viel zu tun. Wichtig ist, die Betroffenen frühzeitig zu erkennen, mahnt Prof. ­Ben-Aharon und verwies auf Warnzeichen, die nicht übersehen werden sollten.

Red Flags für ein frühes CRC

In einer Fall-Kontroll-Studie waren bei unter 50-Jährigen vier Zeichen/Symptome mit einem erhöhten CRC-Risiko assoziiert:

  • Bauchschmerzen
  • Rektale Blutung
  • Diarrhö
  • Eisenmangelanämie

Fritz CDL et al. Red-flag signs and symptoms for earlier diagnosis of early-onset colorectal cancer. J Natl Cancer Inst. 2023 Aug 8;115(8):909-916. doi: 10.1093/jnci/djad068