Medical Tribune
4. Okt. 2023Wie Essen Entzündungen hemmt oder befeuert

Allergie mit Nahrung behandeln

Mit einer ausgewogenen Ernährung lassen sich Erkrankungen wie Asthma oder atopische Dermatitis beeinflussen, so lautet das Versprechen der «immune-supportive diet». Doch funktioniert das? Eine neue Übersichtsarbeit hat die Theorie unter die Lupe genommen.

Nahaufnahme Kimchi (koreanisches Gericht) vor weissem Hintergrund
kongsak/stock.adobe.com

Fermentierte Lebensmittel wie Sauerteigbrot, Sauerkraut, Kefir oder Kimchi (s. Abb.) erhöhen die Bakterienvielfalt im Darm. Zudem gibt es Hinweise, dass die fermentierte Kost die Entzündungsaktivität im Körper senkt.

Bei der Allergieforschung wird zu sehr darauf fokussiert, wie sich spezielle Trigger meiden oder ausschalten lassen, monieren die niederländischen Autoren in ihrer Arbeit (1).

Zu wenig untersucht sei hingegen, welchen Einfluss eine bestimmte Kostform auf die ausufernde Immunreaktion hat. Denn zumindest als adjuvante Behandlung könne man die Ernährungsweise sehr gut einsetzen.

Entzündungsmediator Fett

Bereits mehrfach wurde nachgewiesen, dass bestimmte Nährstoffe das Immunsystem beeinflussen können. So wirken mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren eher entzündungshemmend, mehrfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren hingegen entzündungsfördernd. In der Nahrung, die die Menschen in ihrer frühen Entwicklungsgeschichte zu sich nahmen, fanden sich beide Fettsäuretypen in einem ausgewogenen Verhältnis, so die Atoren.

Heute übersteigen allerdings die Omega-6-Fettsäuren den Anteil der Omega-3-Fettsäuren um das 16-Fache. Als Grund nennen die Autoren unter anderem den hohen Verbrauch von Omega-6-reichen Pflanzenölen. Auch die Tatsache, dass heutzutage das Milch- und Schlachtvieh eher mit Getreide als mit Gras und Heu gefüttert wird, trägt dazu bei.

Ein Ausweg ist dabei der regelmässigen Verzehr Omega-3-Säure-reicher pflanzlicher Öle, insbesondere Leinöl und Rapsöl, sowie Saaten und Nüsse (z.B. Leinsamen und Walnüsse).

Zu viel Zucker, zuviel Salz

Die Menschen in den westlichen Industrienationen essen zuviel raffinierten Zucker, dazu gesättigte Fette und Salz im Übermass – gleichzeitig zu wenig Nährstoffe, die für ein gut funktionierendes Immunsystem erforderlich sind. Da man mit derart kalorienreichen Lebensmitteln pro Energieeinheit vergleichsweise wenig Vitamin A, C, D, Eisen, Zink, Selen, Magnesium, Kupfer und Omega-­3-Fettsäuren aufnimmt, spricht man in diesem Zusammenhang von «leeren» Kalorien.

Eine besondere Gefahr stellen auch die advanced glycation end-products (AGE) dar, die sich in hochverarbeiteten Lebensmitteln finden. Darunter versteht man Aminosäuren, Proteine und Fette, die im Zuge der Maillard-Reaktion beim Backen, Grillen oder Braten nichtenzymatisch mit Zuckermolekülen gekoppelt werden. Besonders Fast Food, frittierte Speisen, Süsses und Fertigessen aus der Mikrowelle sind reich an AGE. Diverse Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass sie die Entstehung einer atopischen Dermatitis und mancher anderer Erkrankungen fördern.

Auf die Vielfalt in der Kost kommt es an

Nicht nur, welche Mikro- und Makro­nährstoffe ein Mensch in Summe zu sich nimmt, ist beim Essen entscheidend. So spielt auch die Vielfalt der verzehrten Lebensmittel und die Art und Weise der Zubereitung eine grosse Rolle.

Zunehmend wird auch deutlich, dass die einzelnen Nahrungsbestandteile in unserem Verdauungssystem miteinander interagieren. So führt beispielsweise Vitamin C zu einer besseren Eisenabsorption. Dem sogenannten «Food-Synergy-Konzept» zufolge sollte die Nahrung möglichst abwechslungsreich zusammengestellt sein.

Die Einnahme spezieller Nährstoffe bringe beim ansonsten Gesunden hingegen nur dann etwas, wenn tatsächlich ein Mangel besteht. Ansonsten ist eine Supplementation unsinnig, mitunter auch schädlich, warnen die Autoren.

Verarbeitetes Fleisch, Süsses und Weissmehl meiden

Die Nahrung sollte weitestgehend pflanzenbasiert sein und im Wesentlichen aus Vollkornerzeugnissen sowie Gemüse und Früchten bestehen, ergänzt um Fisch und Nüsse. Hochprozessierte Lebensmittel, unter anderem also verarbeitetes Fleisch und Weissmehl, Süsswaren und gezuckerte Getränke sollte man meiden.

Der Dietary­ Inflam­matory Index (2) beschreibt das Entzündungspotenzial einer bestimmten Kostform, indem er den einzelnen Lebensmitteln einen Punktwert zuordnet. Früchte und Gemüse, v.a. Knoblauch, Oregano und Thymian sowie Grün- und Schwarztee, schneiden neben den bereits erwähnten ­Omega-3-Fettsäuren besonders gut ab.

Entzündungsfördernd sind gesättigte Fettsäuren und Fettsäuren in trans-Konfiguration, ebenso das Cholesterin von Säuge­tieren. Eine aktuelle Beobachtungsstudie zeigte höhere Asthmaraten bei Kindern, wenn die Ernährung der Mütter im Dietary­ Inflammatory­ Index­ einen höheren Punktwert aufwies.

Hochprozessierte Produkte wirken sich negativ aus

In erster Linie fussen die Erkenntnisse zu den antiinflammatorischen Effekten der unterschiedlichen Kostformen auf Beobachtungsstudien, merken die Autoren an.

Interventionsstudien, die einen kausalen Zusammenhang belegen würden, gibt es kaum. Unterm Strich legen die Daten aber Folgendes nahe: Für Asthma, atopische Dermatitis, allergische Rhinitis und Lebensmittelallergien dürfte eine antiallergische Ernährungsweise das Auftreten der Erkrankungen reduzieren bzw. Symp­tome abmildern. Immer wieder werden zudem die negativen Effekte von hochprozessierten Esswaren auf die verschiedenen entzündlichen Krankheiten gezeigt.

Ausgewogene Nahrung vor allem für Ältere wichtig

Insbesondere bei älteren Menschen ist die gesunde, ausgewogene Ernährung wichtig, betonen die Autoren. Denn das Vermögen des Darms, Nährstoffe wie Vitamin D, Zink und Eisen aufzunehmen, geht mit dem Lebensalter zurück. Kritisch sei, dass immer mehr Menschen ohne medizinisch begründeten Anlass auf Milch und Weizenprodukte verzichteten. In der Folge könne es z.B. zu Jod- oder Vitamin-B2-Mangel ­kommen.

Edle Säure

Bei der Herstellung verschiedener Lebensmittel macht man sich Fermentationsprozesse mit Milchsäurebakterien oder anderen Mikroorganismen zunutze. Beispiele sind Sauerteigbrot oder Sauerkraut, aber auch Kefir, Kimchi (s. Abb.) oder Miso. Derart vergorene Nahrungsmittel erhöhen die Bakterienvielfalt im Darm, schreiben Dr. Vlieg-­Boerstra und Kollegen. Zudem gibt es Hinweise, dass die fermentierte Kost die Entzündungsaktivität im Körper senkt.