Medical Tribune
20. Sept. 202312-Monatige Antikoagulation bei distaler isolierter tiefer Venenthrombose – ja oder nein?

Längere Antikoagulation verbessert Outcome von Krebspatienten mit benigneren Thrombosen

Zur Prophylaxe eines Thrombose-Rezidivs ist bei Patienten mit Krebs und einer distalen tiefen Venenthrombose eine zwölfmonatige Behandlung mit Edoxaban der dreimonatigen überlegen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die am ESC-Kongress 2023 vorgestellt wurde.

Die 12-monatige Antikoagulation war bei Krebspatienten mit TVT einer dreimonatigen zur Thromboseprophylaxe überlegen.
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Kardiovaskuläre Komplikationen sind ein häufiger Grund für Morbidität und Mortalität von Krebs-Überlebenden. Das beschreibt auch Hauptautor Dr. Yugo Yamashita, Graduate School of Medicine, Kyoto University. «Krebspatienten überleben dank verbesserter Behandlung immer länger. Daher werden kardiovaskuläre Komplikationen in diesem Kollektiv immer wichtiger.»

Muss man Patienten mit isolierten distalen TVT koagulieren?

Eine der häufigsten kardiovaskulären Komplikationen bei Krebspatienten sind venöse Thromboembolien (VTE). Zu diesen gehören unter anderem die tiefen Venenthrombosen (TVT) – meist in der Beinvene. Einmal aufgetreten, haben sie ein hohes Rezidivrisiko. Dieses kann mit einer Antikoagulation reduziert werden.

Im Gegensatz zur proximalen tiefen Venenthrombose handelt es sich bei der distalen isolierten tiefen Venenthrombose um eine prognostisch günstigere Verlaufsform. Mehrere Studien zeigten aber, dass auch bei distalen TVT ein Rezidivrisiko gegeben ist. Dennoch gibt es aktuell noch keinen klaren Konsens darüber, ob und wie lange Krebspatienten nach einer isolierten distalen TVT behandelt werden sollten. Auch entsprechende Leitlinien sprechen derzeit für eine Antikoagulation nur eine schwache Empfehlung aus.

Japanische Studie untersuchte über 600 Patienten mit Krebs und isolierten distalen TVT

ONCO DVT war die erste randomisierte Studie, die zwei unterschiedliche Zeitspannen bei der Behandlung der isolierten distalen TVT bei Krebspatienten untersuchte (1). Eingeschlossen in die offene, adjudicator-verblindete Studie wurden Patienten mit einer gegenwärtigen Krebserkrankung und einer neu diagnostizierten distalen TVT.

Insgesamt 604 Patienten an 60 japanischen Zentren wurden in Zusammenarbeit mit Onkologen und Kardiologen randomisiert. Sie erhielten entweder eine zwölfmonatige oder eine dreimonatige Behandlung mit dem Faktor-Xa-Blocker Edoxaban.

Thromboembolien und Tod im Zusammenhang mit einer VTE deutlich häufiger mit kurzer Behandlungsdauer

Innerhalb der ersten drei Monate nach Studieneinschluss traten in beiden Gruppen kaum Thromboembolien auf (ca. 1 %).

Nach einer Nachbeobachtungszeit von zwölf Monaten war ein Ereignis im Zusammenhang mit dem primären Endpunkt (rezidivierende symptomatische Thromboembolie oder Tod im Zusammenhang mit einer VTE) in der kontinuierlich behandelten Gruppe nach wie vor niedrig (1,2%). In der nur drei Monate lang behandelten Gruppe trat er im Verlauf über der Nachbeobachtungszeit jedoch bei 8,5 Prozent ein (OR 0,13; 95%-KI: 0,03-0,44; p<0,001). «Die Überlegenheit einer zwölfmonatigen Edoxaban-Behandlung verglichen mit einer dreimonatigen ist damit erwiesen», so Dr. Yamashito.

Als wichtigsten sekundären Endpunkt untersuchten die Forscher die Häufigkeit von schweren Blutungen als mögliche Nebenwirkung der Edoxaban-Behandlung. Hier gab es zwar keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen, numerisch waren schwere Blutungen in der 12-Monats-Gruppe aber leicht erhöht (7,6 vs. 10,2% in der 12-Monats-Edoxaban-Gruppe, OR 1,34; 95%-KI: 0,75-2,41).

Subgruppenanalyse wiesen zudem darauf hin, dass Faktoren wie Alter, Körpergewicht und Dosisreduktion von Edoxaban diese Ergebnisse nicht beeinflussten.

Edoxaban-Adhärenz vergleichsweise schlecht

Als Hauptlimitation gab Dr. Yamashito unter anderem die niedrige Edoxaban-Adhärenz in der Studie an: In der 12-Monats-Edoxaban-Gruppe hatten zum Studienende bereits 41,3 Prozent der Patienten die Behandlung mit dem Faktor-Xa-Blocker abgebrochen. Auchdas relativ seltene Auftreten des primären Studienendpunkts sieht er als limitierenden Faktor an. Aufgrund der relativen ethnischen Gleichförmigkeit der Teilnehmer der ausschliesslich in Japan durchgeführten Studie warnt er zudem vor schlechter Übertragbarkeit auf andere Ethnien.