Medical Tribune
16. Sept. 2023Worauf bei Leistungssportlern mit ADHS zu achten ist

ADHS bei Sportlern: Keine Scheu vor Methylphenidat!

Die Betreuung von ADHS-Patienten, die Leistungs- oder ambitionierten Hobbysport betreiben, geht mit besonderen Herausforderungen einher. In einem Positionspapier hat die Amerikanische Gesellschaft für Sportmedizin kürzlich ihre Empfehlungen zu Diagnose und Management dieser Erkrankung bei Athleten aktualisiert.

ADHS kommt besonders häufig bei Sportlern vor.
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Es gibt Hinweise darauf, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Sportlern häufiger vorkommt als in der Allgemeinbevölkerung.

Ist Sport eine Selbsttherapie beim ADHS?

Dies könnte zum einen damit zusammenhängen, dass körperliche Aktivität ADHS-Symptome bessert und die Betroffenen sich daher überdurchschnittlich stark sportlich engagieren.

Zum anderen bringt das Trainieren im Verein Struktur in den Alltag, was sich ebenfalls günstig auf die ADHS auswirkt. Die Therapie von Athleten birgt jedoch besondere Herausforderungen. Wie in dieser Patientengruppe Diagnose und Therapie am besten gelingen, beschreibt ein aktualisiertes Positionspapier der American Medical Society for Sports Medicine (ASSM) unter Federführung amerikanischer Sportmediziner (1).

Zur Diagnose auf Basis der DSM-5-Kriterien sollten Anamnesegespräche mit dem Sportler selbst, seinen Betreuern sowie ggf. Eltern und Lehrern erfolgen. Dieses Netzwerk muss auch an Diskussionen über Therapiepläne beteiligt werden. Die Betroffenen – bzw. bei Minderjährigen ihre Eltern – müssen der Befragung und Aufklärung weiterer Personen explizit zustimmen.

Auch zum Behandlungsplan und etwaiger Medikation sollte man immer ein schriftliches Einverständnis einholen. Eine Reihe von Erkrankungen kann ähnliche Symptome wie ADHS hervorrufen und sollte daher bei der Differenzialdiagnose berücksichtigt werden (s. Kasten).

Es ist nicht immer ADHS

Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und geringe Aufmerksamkeit können auch durch verschiedene andere psychische oder somatische Erkrankungen hervorgerufen werden oder psychosozial bedingt sein.

Einige der Differenzialdiagnosen, die man im Hinterkopf haben sollte:

Psychische Störungen

  • Depression
  • generalisierte Angststörung
  • posttraumatische Belastungs­störung (PTBS)
  • bipolare Störung
  • Zwangsstörung
  • Autismus-Spektrum-Störungen

Somatische Erkrankungen

  • Bleivergiftung
  • Hör- oder Sehschwäche
  • Mangelernährung
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Schlafstörungen
  • endokrine Störungen
  • zentralnervöse Erkrankungen

Psychosoziale Faktoren

  • Stress oder Ablenkung durch intensive äussere Reize
  • Probleme mit den Eltern (z.B. strafende Erziehung oder elterliche Psychopathologie)
  • negative Kindheitserfahrungen wie Missbrauch oder Vernachlässigung

Methylphenidat ist keine Gefahr fürs Herz

Kognitive Verhaltenstherapie, Training der Sozialkompetenz und Psychopharmaka wirken als Hauptpfeiler der Behandlung zusammen. Erste Wahl unter den Pharmaka sind Stimulanzien wie Methylphenidat. Sie steigern zwar Herzfrequenz und Blutdruck, bei ordnungsgemässer Anwendung und fehlendem Risikopotenzial besteht jedoch keine erhöhte Gefahr für kardiovaskuläre Ereignisse wie den plötzlichen Herztod, heisst es im Positionspapier.

Um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, muss vor der Verordnung von Stimulanzien eine eingehende kardio­vaskuläre Eigen- und Familienanamnese erfolgen. In diesem Rahmen routinemässig ein EKG zu schreiben, erhöht die Sicherheit dagegen nicht weiter und sollte ohne konkreten Verdacht unterbleiben.

Unbehandelt schränkt die ADHS die Leistungsfähigkeit im sportlichen Wettkampf durch Kernsymptome wie Konzentrationsmangel oder Impulsivität eher ein. Die Behandlung mit Stimulanzien kann diese Wettbewerbsnachteile ausgleichen, sie ist allerdings bei vielen Wettkämpfen verboten.

Athleten, die aufgrund einer medizinischen Indikation und auf Verordnung von Ärzten Stimulanzien einnehmen, müssen der Welt-Anti-Doping-Agentur zufolge eine Ausnahmegenehmigung vorlegen. Ärzte, die Sportler mit ADHS betreuen, sollten mit den Anforderungen zur Dokumentation der jeweils zuständigen Organisationen vertraut sein. Selbst wenn ein Verzicht auf Stimulanzien vor einem Wettkampf erforderlich ist, kann ihr Gebrauch für die Betroffenen im vorausgehenden Training nützlich sein, etwa durch eine verbesserte Konzentrationsleistung und mentale Fokussierung.

Stimulanzien auch bei Sportlern ohne ADHS beliebt

Stimulanzien sind auch bei Sportlern ohne ADHS beliebt, weil diese sich davon eine Leistungssteigerung erwarten. Sie sollen die Ausdauer verbessern und das Erschöpfungsgefühl vermindern. Die Evidenz für solche Effekte ist jedoch schwach und beruht im Wesentlichen auf Selbstberichten und unkontrollierten Studien.

Stimulanzien sollten daher diagnostizierten ADHS-Betroffenen vorbehalten bleiben – nicht zuletzt aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen wie Hypertonie und Tachykardie, Appetitverlust, gastrointestinale Symptome, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und eine verminderte Hitzetoleranz.