Haarausfall bei PCOS entgegenwirken
Viele Frauen mit polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) haben dermatologische Probleme. Insbesondere ein Haarausfall am Oberkopf kann die Patientinnen psychisch stark belasten. Lässt sich der Haarverlust medikamentös aufhalten?
Charakterisiert ist das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) vor allem durch Hyperandrogenismus, ovulatorische Funktionsstörungen und polyzystische Ovarien. Doch die Störung kann sich initial auch mit Akne und Hirsutismus manifestieren und eine dermatologische Behandlung erfordern.
Haarausfall an Schläfen, Haaransatz und Oberkopf (female pattern hair loss, FPHL) ist ein weiteres Problem, das mehr als jede vierte PCOS-Patientin betrifft und stark beeinträchtigt. Die Behandlung dieser Frauen erfordert allerdings Expertise. Denn manche Medikamente, die normalerweise bei Alopezie eingesetzt werden und die als wirksam und sicher gelten, können PCOS-spezifische Symptome wie Hirsutismus oder Zyklusunregelmässigkeiten verschlimmern und zu einer Insulinresistenz führen.
Auf teratogenes Potenzial der Medikamente achten
Da es sich zudem häufig um junge Frauen handelt, sollte man auf das teratogene Potenzial vieler der verordneten Medikamente achten und die Patientinnen entsprechend über mögliche Folgen aufklären. Hormonelle Kontrazeptiva sind eine wichtige Säule in der endokrinologischen Therapie des PCOS.
Sie können auch zur Therapie der dermatologischen Störungen verordnet werden – aber es kommt auf die Wahl des Präparats an. Die in vielen hormonellen Kontrazeptiva enthaltenen Gestagene weisen eine unterschiedlich ausgeprägte Androgenaktivität auf.
Experten raten in einer aktuellen Übersichtsarbeit (1) dazu, ein kombiniertes orales Kontrazeptivum (KOK) der dritten oder vierten Generation zu verordnen (s. Kasten). Diese helfen bei vielen PCOS-Betroffenen auch gegen unerwünschten Haarwuchs (Hirsutismus) – vor allem, wenn sie mit weiteren antiandrogenen Therapeutika kombiniert werden. Zu den bei FPHL eingesetzten Androgenantagonisten zählen Spironolacton, Bicalutamid und Flutamid.
Warum Generationen drei und vier?
Pillen der dritten Generation enthalten Desogestrel oder Gestoden. Pillen der vierten Generation beinhalten Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat oder Drospirenon, ein Antiandrogenderivat von 17a-Spironolacton. Beide Generationen haben eine geringere Androgenaktivität als Präparate der ersten beiden Generationen. Letztere sollten bei PCOS-Patientinnen mit Alopezie vermieden werden, da die höhere Androgenaktivität sowohl den FPHL als auch den Hirsutismus verschlimmern kann. Ausserdem besteht bei den ersten beiden Generationen ein höheres Risiko, dass sich eine Insulinresistenz verschlimmert oder sich die Lipidwerte verschlechtern.
Wichtig ist, die Patientinnen darauf vorzubereiten, dass sowohl die Einführung einer oralen Kombi-Pille als auch deren Absetzen zu einem telogenen Effluvium führen kann. Dieses ist aber meistens selbstlimitierend, über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten. Nehmen Frauen ein Viertgenerationen-Präparat mit Drospirenon oder auch Spironolacton, sollten sie ausserdem auf die Kaliumzufuhr über die Nahrung achten, z.B. über Avocado, Banane etc.
Der Mineralkortikoidantagonist Spironolacton ist ein kaliumsparendes Diuretikum. Eingesetzt wird eine Dosierung von 100–200 mg/d, oft kombiniert mit topischem Minoxidil – aber auch eine Monotherapie ist wirksam. Zwar gehört Spironolacton bei FPHL nicht zu den First-Line-Medikamenten, doch wird es PCOS-Patientinnen häufig verordnet, da es gut verträglich und kostengünstig ist. Allerdings kann es den Zyklus stören und wirkt wie die anderen Androgenantagonisten teratogen.
Bicalutamid, ein selektiver Androgenrezeptorantagonist, kommt bei PCOS-bedingter Alopezie in niedrigerer Dosierung (25–50 mg/d) als in der Onkologie zum Einsatz. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils sollte er aber erst gegeben werden, wenn Pille, Minoxidil und Spironolacton versagt haben. Flutamid, ein nichtsteroidaler Androgenrezeptorantagonist – ebenfalls aus der Onkologie – wird bisher nur off label zur Behandlung eingesetzt. Es hat zudem ein schlechteres Nebenwirkungsprofil als die anderen beiden Androgenrezeptorantagonisten.
Topisches Minoxidil ist nicht für alle geeignet
In der allgemeinen Alopezie-Therapie hat sich topisches Minoxidil, meist in Form von fünfprozentigen Präparaten, fest etabliert. Allerdings ist die Substanz nicht für alle PCOS-Patientinnen geeignet, warnen die Experten. Vier Prozent der Frauen reagieren mit einer Gesichtshypertrichose, die gepaart mit einem möglicherweise vorbestehenden Hirsutismus die Situation für die Patientin deutlich verschlimmert. Die Nebenwirkung kann allerdings durch die gleichzeitige Gabe von Antiandrogenen in Kombination mit verschiedenen Haarentfernungsmethoden vermindert werden.
Niedrig dosiertes orales Minoxidil (0,625–5 mg/d) stellt eine Alternative zur topischen Anwendung dar. Jedoch führte es in einer Studie bei ca. 15 Prozent der Teilnehmer zu einer Hypertrichose – deutlich mehr als bei den Topika. Generell kann es bei Minoxidil (topisch und oral) anfangs zu einem telogenen Effluvium kommen, was angesprochen werden sollte.
5-alpha-Reduktasehemmer wie Finasterid und Dutasterid wurden zwar nicht zur Behandlung des Hyperandrogenismus bei Frauen entwickelt und besitzen keine Zulassung für diese Indikation. Sie sind aber eine effektive Therapie für FPHL und Hirsutismus bei PCOS-Patientinnen. Zu beachten ist allerdings das erhebliche teratogene Risiko von 5-alpha-ReduktaseInhibitoren, daher muss eine sichere Kontrazeption während und auch einige Zeit nach der Behandlung gewährleistet sein.
Klein EJ et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023; doi: 10.1111/jdv.18842w