Medical Tribune
14. Juli 2023Zusammensetzung der Hautflora ist essenziell

Neurodermitis beginnt im Säuglingsalter

Die Weichen für eine atopische Dermatitis werden wohl schon im Säuglingsalter gestellt. Vermutet wird ein Einfluss des Haut-Mikrobioms, für das nicht nur der Geburtsmodus eine Rolle spielt. Denn dieses verändert sich in den ersten Lebensmonaten weiter.

Ob ein Mensch ein erhöhtes Risiko für eine Neurodermitis haben wird, entscheidet sich bereits mit dem Geburtsmodus.
ideabug/gettyimages

Ob ein Mensch ein erhöhtes Risiko für eine Neurodermitis haben wird, entscheidet sich bereits mit dem Geburtsmodus.

Etwa jeder fünfte Mensch weltweit leidet an einer atopischen Dermatitis. Neben einer gestörten Hautbarriere und inflammatorischen Veränderungen zeichnet sich die Erkrankung durch eine mikrobielle Fehlbesiedelung der Läsionen aus. Diese beginnt meist im frühen Kindesalter. Die Weichen werden aber möglicherweise schon in der Säuglingszeit gestellt, wie Dr. Alexis­ Rapin­ von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit berichten (1).

Das Team analysierte die Haut-Mikrobiome von 346 in Norwegen geborenen Kindern während des ersten Lebensjahres. Hautabstriche vom lateralen Oberarm erfolgten am Tag nach der Geburt sowie im Alter von drei, sechs und zwölf Monaten. Die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft analysierten die Forschenden mittels 16S-rRNA-Sequenzierung. Zudem untersuchten sie den transepidermalen Wasserverlust an den Abstrich­arealen sowie die Haut klinisch im Hinblick auf entzündliche Veränderungen und die Barriere­funktion.

Frühe Hautflora hat Einfluss auf spätere Neurodermitis

Im Verlauf des ersten Lebensjahres kam es sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung als auch der Diversität der Hautbewohner zu dramatischen Veränderungen. So nahm der Anteil der nach der Geburt zunächst reichlich vorhandenen Taxa Burkholderiaceae, Staphylococcus sowie Lactobacillus (Überbleibsel des vaginalen Mikrobioms) im Verlauf ab. Andere kolonisierende Spezies (Streptococcus, Veillonella, Enhydrobacter aerosaccus) kamen hingegen dazu.

Das postnatale Mikrobiom hing dabei stark vom Geburtsmodus – Vaginalgeburt, Wassergeburt oder Sectio – ab. Umgebungsfaktoren wie ­Geburtsort, Haustier­kontakt der Mutter, Allergie­vorbelastung der Eltern sowie Stillen beeinflussten das kutane Mikrobiom ebenfalls.

Die Wissenschaftler fanden zudem eine signifikante Assoziation zwischen der Zusammensetzung der Hautflora im ersten Lebensjahr, der Integrität der Hautbarriere und einer späteren atopischen Dermatitis. Auch trockene Haut und Nahrungsmittel­allergien standen mit der Bakterien­zusammensetzung in Beziehung.

Säuglingszeit zur Prävention nutzen

Die Ausbildung des Immunsys­tems und damit auch das Allergie-Risiko hingen ganz wesentlich von der bakteriellen Kolonisierung der Haut im ersten Lebensjahr ab, so Dr. Rapin und Kollegen. Hier würden sich möglicherweise Ansatzpunkte für neue Präventionsstrategien bieten.