Reiben, kratzen oder löffeln: Was das über die Haut aussagt
Reibt er, kratzt er oder löffelt er? Hinter Juckreiz können etliche dermatologische Krankheiten stecken. Um die potenzielle Ursache besser einordnen zu können, lohnt sich daher der Blick auf die Art und Weise, wie der Patient auf den Pruritus reagiert.
Je nachdem, wie ein Pruritus-Patient seine juckenden Hautstellen traktiert, liegt eher die eine oder die andere Hauterkrankung vor, erklärt Professor Dr. Thomas Dirschka von der Centroderm Klinik Wuppertal (1).
«Ein Urtikaria-Patient kratzt nicht»
Reiben oder drücken ist dabei als Hinweis auf ein urtikarielles Exanthem (Abb. 1), etwa im Rahmen einer Urtikaria, zu werten. «Ein Urtikaria-Patient kratzt nicht.» Behandelt wird die akute Urtikaria dann mit einem Antihistaminikum, das viermal am Tag eingenommen wird. Für welches Präparat man sich entscheidet, ist nach Aussage von Prof. Dirschka relativ egal. Bei chronischer Urtikaria lässt sich z.B. erfolgreich der IgE-Antikörper Omalizumab einsetzen.
Eine Urtikaria kann auch die frühe Manifestation eines bullösen Pemphigoids sein. Charakteristisch für diese chronische Autoimmunerkrankung mit Antikörperbildung gegen Basalmembran sind schwerste Juckreiz-Attacken. Besteht der Verdacht auf diese Erkrankung, kann man eine Histologie mit Immunfluoreszenz-Testung veranlassen und die zirkulierenden Autoantikörper im Serum nachweisen.
Weniger duschen, mehr cremen
Ekzematiker kratzen sich. Häufigster Anlass ist laut Prof. Dirschka ein Exsikkationsekzem, das vor allem ältere Menschen entwickeln. Durch häufiges Duschen, schäumende Reinigungsprodukte und Unterlassen des Nachfettens fehlt es in der Epidermis an Natural Moisturizing Factor. Es kommt zu oberflächlichen Einrissen, die mitunter ein netzartiges Muster bilden (Craquelémuster, Abb. 2). Für den Juckreiz verantwortlich sind proinflammatorische Zytokine, die dann freigesetzt werden.
Patienten einem Ekzem sollte man hinsichtlich der Hautpflege beraten und ihnen eine harnstoffhaltige Lipolotion verordnen, rät Prof. Dirschka: «Weniger duschen, mehr cremen!»
Gar nicht so wenige ältere Menschen, vor allem Männer, zeigen am Stamm kleine juckende Papeln. Dabei handelt es sich um eine transitorisch-akantholytische Dermatose, auch Morbus Grover genannt (Abb. 3). Sie wird häufig gar nicht erkannt, konstatiert der Dermatologe. Auch hier ist Kratzen typisch.
Wodurch die Veränderungen entstehen, weiss man aber nicht genau, womöglich sind sie infektallergisch bedingt. Nach einigen Monaten verschwinden die Knötchen im Normalfall wieder. In der Zwischenzeit sollte sich der Patient mit einer harnstoffhaltigen Lotion eincremen.
Topisches Permethrin bei der Skabies
Heftig gekratzt wird auch bei der Skabies. Der Befall mit Milben lässt sich dabei in der Auflichtmikroskopie durch den Nachweis des sogenannten Drachenfliegers am Ende des Milbengangs erkennen. Damit gemeint ist der Chitin-Panzer im Nacken der Milbe, der die Form eines kleinen dunklen Dreiecks hat (Abb. 4).
Die Therapie erfolgt mit topischem Permethrin. Zweimal im Abstand von 7–10 Tagen cremt sich der Patient am ganzen Körper ein. Das Gesicht bleibt in der Regel ausgenommen, denn nur bei HIV-Patienten und schwer Immunkompromittierten breiten sich die Parasiten bis dorthin aus.
Provoziert durch die Milbenreste es trotz Therapie noch Wochen bis Monate dauern, bis Patienten nicht mehr kratzen. Zum Teil wandeln sich die Läsionen in Granulome um. In diesen Fällen werden topische Steroide (z.B. Prednisolon, Prednicarbat) gegeben. Für die Ganzkörpertherapie reicht allerdings keine kleine Tube, eventuell muss man sogar systemisch behandeln.
Pruriginöse Exantheme: Löffeln typisch
Bei pruriginösen, knötchenartigen Exanthemen löffeln die Betroffenen die Läsionen sozusagen raus, bis es blutet. Der Juckreiz ist anschliessend verschwunden. Bisher behandelt man pruriginöse Ekzeme mit lokalen Steroiden oder Calcineurininhibitoren und in schweren Fällen mit zentral wirksamen Substanzen, etwa Gabapentin 3 x 300 mg/d oder Pregabalin 75–225 mg/d.
Hoffnung für schwer Betroffene besteht jedoch bald durch die Entwicklung des Interleukin-31-Rezeptorantagonisten Nemolizumab. Prof. Dirschka: «Er wirkt exzellent, schon nach einer Gabe hört die Juckerei auf, die Knoten heilen ab.»
- 17. Allgemeinmedizin-Update-Seminar