Platanen-Husten sorgte an einer Schule für Grosseinsätze
Während des Unterrichts klagten zahlreiche Schüler über Atemnot und Husten, tränende Augen und ein Brennen im Rachen. Gut die Hälfte von ihnen musste in die Klinik. Dahinter steckten die Platanen im Schulhof.
Vor gut einem Jahr, an einem sommerlichen Tag Mitte Mai, begannen ca. 40 Schüler einer Gesamtschule im deutschen Wiesbaden während des Unterrichts bei geöffnetem Fenster heftig zu hyperventilieren. Sie klagten darüber hinaus über Kopfschmerzen, gerötete Augen und ein Brennen im Hals mit Fremdkörpergefühl.
Draussen wurden die Beschwerden schlimmer
Die Beschwerden verstärkten sich, als sie das Schulgebäude verliessen und sich im umbauten, dicht von Platanen bestandenen Schulhof versammelten, um von Notärzten versorgt zu werden. 25 von ihnen mussten zur Überwachung ins Krankenhaus. Die herbeigerufene Feuerwehr schloss einen Gasunfall im nahe gelegenen Industriegebiet aus. Über den Auslöser der so plötzlich und massenhaft aufgetretenen Beschwerden bestand aber allgemeine Ratlosigkeit.
Wenige Wochen später wiederholte sich das Ereignis. Es herrschte das gleiche frühsommerliche Wetter mit Temperaturen um die 30°C und böigem, trockenem Wind. Und wieder wurden Feuerwehr und Rettungsdienst gerufen und fanden zahlreiche Kinder mit den bereits vertrauten Symptomen vor. Was steckte hinter den epidemisch auftretenden Beschwerden?
Platanen steckten hinter den Symptomen
Die Ursache lag bei den Platanen auf dem Schulhof, erläutern zwei deutsche Autoren, die den Fall aufgearbeitet haben (1). Es war allerdings keine Allergie, die den Schülern zu schaffen machte. Mit Sensibilisierungsraten unter fünf Prozent sind Platanenallergien in Deutschland selten und kommen kaum für Massenanfälle in Betracht.
Schuld waren vielmehr Pflanzenstäube, die von den sogenannten Sternhaaren (Trichome) der Platanen gebildet werden. Diese Härchen finden sich an der Unterseite frisch ausgetriebener Blätter und Knospen. Ist es windig und trocken, brechen diese ab. Sie wirbeln dann durch die Luft und gelangen an die Schleimhäute, wo sie die beschriebenen Irritationen und respiratorischen Symptome verursachen.
Mund-Nasen-Maske und Schutzbrille tragen
Systematische Untersuchungen und Literatur zu diesem als Platanenhusten bezeichneten Phänomen fehlen, schreiben die Forscher. Unter professionellen Baumpflegern sei es aber gängige Praxis, Platanen nur in der laubfreien Zeit zu schneiden und dabei Schutzbrille und Maske zu tragen.
Die Bäume vorsorglich zu fällen, wie es einige Kommunen in Australien praktizieren, halten die Autoren für keine gute Lösung. Denn wie die grossen Laubblätter auch haben die winzigen Trichome der Platanen eine wichtige Funktion als natürlicher Biofilter für Luftschadstoffe und Feinstaub.
Stattdessen sollte man die Nähe von Platanen zur betreffenden Jahreszeit und bei entsprechender Wetterlage meiden, lautet die Empfehlung. Nötigenfalls greift man zu Schutzbrille und Mund-Nasen-Maske.
Trichome durch Apfelpektin binden
Aufwendiger und von den Orts- oder Stadtverwaltungen durchzuführen ist diese Massnahme: Werden die Baumkronen mit einem Gemisch aus Wasser und Apfelpektin besprüht, legt sich eine Schutzschicht auf die Blätter. Dies bindet die Trichome, um sie davon abzuhalten, herumzuwirbeln. Genau so wurde es im Folgejahr nach dem Ausbruch vom Wiesbadener Grünflächenamt praktiziert.
- Gierich J et al. Hessisches Ärzteblatt 5/2023; 313