Wie man Senioren mit Rhythmusstörungen helfen kann
Vielen Erkrankungen liegt schlicht das höhere Lebensalter der Patienten und die damit verbundene Organalterung zugrunde. Das gilt auch für Herzrhythmusstörungen. Doch auch bei ihnen sollte alles getan werden, um Frequenz und Rhythmus zu kontrollieren. Das braucht einiges an Fingerspitzengefühl.
Die intrinsische Herzfrequenz sinkt ab der Geburt linear ab. Parallel dazu geht die maximale Herzrate zurück, erklärt Professor Dr. Ursula Müller-Werdan von der Klinik für Geriatrie und Altersmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin (1).
Im Alter nimmt im Gewebe des Sinusknotens die Zahl der Schrittmacherzonen ab, die autonome Innervation wird geringer, es bildet sich vermehrt Narbengewebe.
Ablation sorgfältig abwägen
Die nachlassende Funktion des Sinusknotens begünstigt die Entwicklung des Sick-Sinus-Syndroms und des Vorhofflimmerns (VHF). Dabei könnte es sich um zwei Phänotypen derselben Vorhofveränderung – strukturelles und funktionelles Remodeling – handeln. Und das eine kann das jeweils andere fördern. Zusammenfassend konstatiert Prof. Müller-Werdan: «Die Alterung ist unser Problem und der Hauptrisikofaktor für nichtgenetische Erkrankungen.»
Das ist aber kein Grund für therapeutischen Nihilismus. So raten etwa die Experten der European Society of Cardiology (ESC) in ihren Leitlinien zum VHF, alle rhythmus- und frequenzkontrollierenden Massnahmen auch bei Senioren und gebrechlichen Menschen einzusetzen.
Was allerdings die Ablation angeht, sollten die Patienten gut selektiert werden, meint Professor Dr. Philipp Attanasio vom Deutschen Herzzentrum an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Denn obwohl im Alter nicht weniger effektiv, geht das Verfahren dann doch mit vermehrten Komplikationen einher. «Je höher das Alter, umso wichtiger ist es, die Symptomatik herauszuarbeiten», sagte der Kollege. Und gerade da gilt es, genauer hinzuhören.
Senioren mit Rhythmusstörungen klagen dabei deutlich seltener über typische Beschwerden wie Palpitationen, sondern berichten vielmehr über Einschränkungen im Alltag und bei Freizeitaktivitäten. Asymptomatische Ältere würde er nicht abladieren, meinte Prof. Attanasio. Ausserdem empfahl er, den Grad der Frailty zu erfassen und in die Entscheidung für oder gegen eine Ablation einzubeziehen.
Antikoagulation schützt auch alte Patienten zuverlässig
Alternativ bleibt immer die medikamentöse antiarrhythmische Therapie. Die hat aber im Alter ebenfalls ihre Tücken, wie Professor Dr. Gerrit Frommeyer von der Klinik für Kardiologie II – Rhythmologie am Universitätsklinikum Münster erläuterte. Strukturierte Daten für Rhythmusstörungen bei Betagten fehlen.
Und auch wenn generell die gleichen Grundsätze wie bei Jüngeren gelten, muss man doch besonders auf Komedikation, veränderte Pharmakokinetik und Begleiterkrankungen achten. Der Kollege riet dazu, prinzipiell vorsichtiger zu titrieren und engmaschiger zu überwachen.
In puncto Antikoagulation bei VHF herrscht Konsens: Sie nützt auch Senioren enorm. Der für die Indikation herangezogene CHA2DS2-VASc-Score hat sich in vielen Studien als valides Instrument erwiesen, berichtete Professor Dr. Roland Hardt vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie der Universitätsmedizin Mainz.
Es hat sich zudem herausgestellt, dass ein Wert über fünf im Score unabhängig vom Vorliegen eines VHF bei Menschen über 75 Jahre ein erhöhtes Schlaganfall- und Thromboembolierisiko determiniert. Laut Prof. Hardt sollte man dann den Fokus auf andere behandelbare Risikofaktoren wie Herzinsuffizienz oder Hypertonie richten.
Menschen über 80 Jahre profitieren nicht von einem kardialen Device
Zum Thema implantierbarer Kardioverter/Defibrillator (ICD) präsentierte Dr. Claudius Hansen vom Herz- & Gefässzentrum Göttingen Studien, die zeigen, dass über 80-Jährige durch einen ICD keinen Überlebensvorteil mehr haben. Unter Beachtung von Komorbiditäten handelt es sich immer um eine Einzelfallentscheidung. Auf keinen Fall dürfen wirtschaftliche Interessen den Ausschlag für den Einbau geben, mahnt Dr. Hansen.
- Jahrestagung der DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie)