Medical Tribune
6. Juni 2023«Wie ein Messer im Kopf»

Was bringen Psilobycin, Ketamin und Triptane bei Cluster-Kopfschmerzen?

Cluster-Kopfschmerz verursacht oft immense Schmerzen, die bis zur Berufsunfähigkeit führen können. Bei der medikamentösen Therapie besteht jedoch nach wie vor Nachholbedarf. Ein Experte berichtet, welche Neuerungen kommen könnten, und welche Rolle neue Erkenntnisse zum Pathomechanismus dabei spielen könnten.

Cluster-Kopfschmerzen fühlen sich für viele Betroffene an wie ein Messer im Kopf.
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«Wie ein Messer im Kopf» fühlen sich Cluster-Kopfschmerzen für viele Betroffene an.

Cluster-Kopfschmerzen zählen zu den stärksten Schmerzen, die Menschen erleiden können. «Wichtig ist, dass die Patienten die Diagnose schnell bekommen. Wir haben hier aber immer noch eine Verzögerung von vielen Jahren», sagt Dr. Heiko Pohl, Oberarzt in der Klinik für Neurologie, Universitätsspital Zürich.

SMARTED-Scale bewertet Risiko für Cluster-Kopfschmerzen

Steht der Verdacht auf Cluster-Kopfschmerzen im Raum, empfiehlt der Experte den SMARTED-Scale als Screeninginstrument (1). Dieser umfasst die folgenden Aussagen:

  • Ich bin oder war Raucher (Smoking)
  • Wenn ich zu Beginn der Kopfschmerzen geschlafen habe, werde ich durch diese aufgeweckt (Awakening)
  • Während der Kopfschmerzen kann ich nicht still sitzen oder liegen (Restlessness)
  • Während der Kopfschmerzen tränt mein Auge auf der Seite der Schmerzen (Tearing)
  • Wenn ich keine Medikamente einnehme, dauern meine Kopfschmerzattacken weniger als drei Stunden (Duration)

Jede bejahte Aussage entspricht dabei einem Punkt. Bei einem Ergebnis von drei oder mehr Punkten deutet dies auf das Vorliegen von Cluster-Kopfschmerzen hin, wobei die Sensitivität bei 98 und die Spezifität bei 65 Prozent liegt.

Neue medikamentöse Therapieoptionen

«Unser Arsenal an Medikamenten gegen die Cluster-Kopfschmerzen hat sich in den letzten Jahren nicht deutlich verändert», sagt Dr. Pohl und stellt die Ergebnisse neuerer Medikamentenstudien vor. Eine explorative Open-Label-Studie konnte keine Schmerzlinderung durch Ketamin nasal nach 15 Minuten bei Patienten mit chronischen Cluster-Kopfschmerzen zeigen – dieser Effekt trat erst nach 30 Minuten ein (2).

Demgegenüber stehen die Triptane, die nicht nur eine Linderung, sondern meist eine Schmerzfreiheit nach zehn Minuten bewirken. Ebenfalls Interessant könnte Ketamin für jene Patienten werden, die eine Kontraindikation für Triptane aufweisen.

Eine randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studie untersuchte die Wirkung von drei Gaben niedrig dosierten Psilocybins (0,143 mg/kg KG) im Abstand von je fünf Tagen (3). Dieses Regime vermochte die Attackenfrequenz nicht signifikant zu senken.

Viele Patienten mit chronischem Cluster-Kopfschmerz werden berufsunfähig

Zur weiteren Forschung an diesem Wirkstoff ermutigt jedoch die Beobachtung, dass Patienten mit chronischen Cluster-Kopfschmerzen tendenziell besser auf die Therapie ansprachen als jene mit der episodischen Form der Erkrankung. «Wir wissen, dass ungefähr 15–20 Prozent der Patienten unter dem einem chronischen Cluster-Kopfschmerz leiden. Sie haben jeden oder fast jeden Tag Attacken und viele von ihnen werden berufsunfähig», betonte der Experte.

Weitere Hoffnung für Patienten mit chronischen Cluster-Kopfschmerzen lieferte eine Open-Label-Fallserie (4). Hier zeigte sich eine signifikant (p = 0,001) reduzierte Attackenfrequenz in der Behandlung mit Antikörpern gegen CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) oder dessen Rezeptor – wie Galcanezumab und Erenumab.

Rolle des MERTK-Gens in der Pathophysiologie

Hilfreich bei der Entwicklung neuer medikamentöser Therapiestrategien könnten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Pathophysiologie der Cluster-Kopfschmerzen sein. Fortschritte gab es hier vor Kurzem im Rahmen genomweiter Assoziationsstudien.

Solche Untersuchungen identifizierten in den letzten Jahren mehrere Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphism [SNP]), die eine Assoziation mit dem Krankheitsgeschehen aufweisen. Einige dieser SNP lokalisierten drei Studien übereinstimmend nahe dem Gen MERTK, dessen Bedeutung Gegenstand aktueller Forschung ist (5-7). «Ich hoffe, dass wir hier in den nächsten Jahren einige neue Erkenntnisse gewinnen werden», so Dr. Pohl.

Symptomatik der Cluster-Kopfschmerzen

Schmerz• extreme Schmerzen
• streng einseitig
• Dauer 15–180 Minuten (unbehandelt)
Rhythmik• überwiegend nächtlich
• oft im Frühling/Herbst
• episodenartiges Auftreten
Aktivität• Ruhelosigkeit und Selbstverletzungen
Aktivierung des Parasympathikus• ipsilaterale konjunktivale Injektion
• ipsilaterales Augentränen
• Naselaufen
Hemmung des Sympathikus• ipsilaterales Horner-Syndrom
modifiziert nach dem Vortrag von Dr. Pohl