Transgender-Medizin: Wege aus dem falschen Körper
Die Zahl der transgeschlechtlichen Personen, die sich für eine körpermodifizierende Behandlung entscheiden, steigt. Äusserst wichtig für ein gutes Ergebnis ist die enge Zusammenarbeit verschiedenster Fachrichtungen – mitsamt einer psychosozialen Unterstützung.
Die Versorgung von Menschen mit einer Geschlechtsinkongruenz hat sich mittlerweile verbessert. Doch noch läuft es nicht immer optimal, denn die Transgender-Medizin ist bislang kein Bestandteil der medizinischen Aus- oder Weiterbildung.
Daher bestehen aufgrund mangelnder Kenntnisse aufseiten der Behandelnden oft noch Hürden im bedarfsorientierten und ganzheitlichen Management, schreiben Dr. David Garcia Nuñez, Universitätsspital Basel, und Kollegen (1).
Der Behandlungsplan kann sich auch ändern
Im Zentrum der Behandlung stehen sollten dabei die Trans-Personen: Sie definieren die Behandlungsziele und können am besten einschätzen, ob diese erreicht wurden. Somit kann sich der Behandlungsplan zu jedem Zeitpunkt ändern – etwa dann, wenn die Massnahmen noch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben.
Auf dem Weg der Transition vom anatomischen zum empfundenen Geschlecht sollten die Behandlungssuchenden möglichst früh von Personen mit umfassender Expertise begleitet werden. Gemäss aktueller Leitlinie (2) werden eine begleitende psychosoziale Unterstützung, Beratung und ggf. Psychotherapie empfohlen. Hilfreich kann auch die Peer-Beratung durch Personen sein, die eigene Erfahrungen mit einer Geschlechtsangleichung haben.
Diagnostik und Indikationsstellung übernehmen spezialisierte Zentren. Die Kriterien für eine Geschlechtsinkongruenz orientieren sich am DSM-5.
Unter maskulinisierender Hormontherapie kommt es schnell zu erwünschten Effekten
Im Sinne der Leitlinie gelten Ärzte und Psychotherapeuten als berechtigt, die medizinische Notwendigkeit körpermodifizierender Behandlungen zu erfassen und eine entsprechende Empfehlung auszustellen.
Bei der körperlichen Geschlechtsangleichung gilt es, verschiedene Massnahmen zu organisieren. Diese betreffen u.a. folgende Fachrichtungen:
- Reproduktionsmedizin: Erhalt der Fertilität bzw. Sicherung der Reproduktion (z.B. Spermienkryokonservierung, Eizellvitrifikation), Beratung in medizinisch-juristischen Fragen
- Endokrinologie: Behandlung mit männlichen oder weiblichen Geschlechtshormonen bzw. antiandrogene Hormontherapie
- Dermatologie: Behandlung von Testosteron-Akne oder androgenetischer Alopezie nach Hormontherapie, postoperative Glättung von Narben, Entfernung störender Behaarung bei Trans-Frauen
- Chirurgie: operative Geschlechtsanpassung
Die Kombination und Reihenfolge der Interventionen erfolgt individuell. Das Vorgehen sollte stets auf einer gemeinsamen Entscheidungsfindung von Betroffenen und Behandelnden beruhen.
Die Wirksamkeit geschlechtsangleichender Massnahmen ist inzwischen klinisch nachgewiesen. Für die meisten gibt es zudem evidenzbasierte Daten. Gut dokumentiert ist die Wirksamkeit vor allem für die maskulinisierende Hormontherapie, die mittlerweile meist parenteral erfolgt. Unter dieser kommt es schnell und deutlich zu einer Zunahme von Muskelmasse und Gesichtsbehaarung sowie zu einer irreversiblen Verdickung der Stimmbänder, sodass die Behandelten bereits nach sechs Monaten als männlich wahrgenommen werden.
Ziel sind die Hormonwerte des Identitätsgeschlechts
Feminisierende Massnahmen wiederum umfassen nicht nur die meist transdermale Gabe von Östrogenen, sondern auch die Androgensuppression mittels Cyproteronacetat und gelegentlich spezifischen 5α-Reduktase-Hemmern. Erst diese Kombination unterdrückt die Testosteron-Produktion ausreichend und es kommt zu einer Umverteilung des Fettgewebes, einer Abnahme der Muskelmasse und leichtem Brustwachstum. Bei allen Hormontherapien sollten regelmässige Laborkontrollen erfolgen. Ziel ist es, die Hormonwerte des jeweiligen Identitätsgeschlechts zu erreichen.
Zur körpermodifizierenden Therapie gehören auch chirurgische Massnahmen. Mastektomie und Brustaufbau werden häufig in Anspruch genommen und führen vielfach zu einer erheblich verbesserten Lebensqualität der Betroffenen. Mit dem Ergebnis der komplexen Phalloplastik, bei der u.a. ein Penis gebildet und Hodenimplantate eingesetzt werden, zeigen sich transmaskuline Personen Studien zufolge meist sehr zufrieden. Alternativ lässt sich im Rahmen der Metaidoioplastik aus der hormonell vergrösserten und freigeschnitten Klitoris ein Mikrophallus formen.
Die genitale Mann-zu-Frau-Angleichung umfasst eine Vaginoplastik, bei der Hoden und Schwellkörper entfernt und die Klitoris, ein neuer Harnausgang, Schamlippen und eine Vagina gebildet werden. Der Eingriff geht Studien zufolge mit einer verbesserten Lebensqualität der transfemininen Personen einher. Aktuelle Daten belegen auch die positiven Effekte einer Gesichtsfeminisierung sowie einer operativen Stimmangleichung.
Einige Massnahmen, etwa die Hormonbehandlung, müssen ein Leben lang durchgeführt werden. Die Transition bedarf daher nicht nur eines ganzheitlichen Ansatzes, sondern auch einer langfristigen Nachbetreuung und medizinischen Kontrolle.
Chirurgische geschlechtsangleichende Massnahmen
Maskulinisierende Eingriffe (Frau-zu-Mann-Angleichung) | Feminisierende Eingriffe (Mann-zu-Frau-Angleichung) |
- Metaidoioplastik - Mastektomie - Hysterektomie/Adnexektomie - Phalloplastik | - Brustaufbau - Vaginoplastik - Gesichtsfeminisierung - stimmangleichende Operation |
- Garcia Nuñez D et al. Myocarditis: somethings old and something new. Cardiovasc Pathol. 2020 Jan-Feb;44:107155. doi: 10.1016/j.carpath.2019.107155
- S3-Leitlinie «Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung und Behandlung», AWMF-Register Nr. 138/001, www.awmf.org