Impfung: «Risikopersonen benötigen besonderen Schutz»
Bei Personen mit Immunsuppression oder malignen Erkrankungen sind Impfungen besonders wichtig. Prof. Dr. Christoph Berger, Universitäts-Kinderspital Zürich, sprach am Ärztekongress über die aktuellen Impfempfehlungen für immunsupprimierte Personen sowie neu empfohlene Basisimpfungen für Kinder ab 2023.
«Impflücken müssen gesehen und geschlossen werden. Wichtig ist, rechtzeitig zu impfen und dies zu dokumentieren», sagt Professor Dr. Berger, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Universitäts-Kinderspital Zürich.
Zudem erinnert er, dass Patienten mit chronischen Krankheiten unter Immunsuppression ein erhöhtes Risiko für impfpräventable Krankheiten haben. «Bei Patienten mit autoinflammatorischen Krankheitsbildern sind Impfungen wirksam, sicher und nicht kontraindiziert.», betonte der Referent. Vor einer Exazerbation der Krankheit müsse man sich nicht fürchten.
Bei onkologischen oder stammzelltransplantierten Patienten Serologie überprüfen
Zu jedem Zeitpunkt verabreichen lassen sich Totimpfstoffe. Idealerweise geschieht dies zwei bis vier Wochen vor dem Start der Immunsuppression. Lebendimpfstoffe gibt man dagegen am besten vier bis sechs Wochen vor dem Start der Immunsuppression. Zwischen der Verabreichung von Tot- und Lebendimpfstoffen ist kein zeitlicher Mindestabstand erforderlich.
Anhaltspunkte darüber, gegen welche Erreger ein wirksamer Immunschutz vorliegt, gibt vor allem der Impfausweis. «Dokumentierte Impfungen sind das zuverlässigere Korrelat für Schutz als die Serologie», erinnert der Experte. Einzige Ausnahmen hiervon bilden stammzelltransplantierte Patienten sowie onkologische Patienten, bei denen man zum Zeitpunkt der Diagnosestellung die Immunität gegen Masern und Varizellen serologisch überprüfen sollte.
Mit quadrivalentem MMRV-Impfstoff gegen Varizellen
Mit zunehmendem Alter und der damit verbundenen Immunschwäche, aber auch bei einer Immunsuppression, ist die Inzidenz von Herpes Zoster erhöht. Entgegenwirken kann einem Herpes zoster ein adjuvantierter Totimpfstoff (Shingrix). Die Vakzine ist in der Schweiz seit 2022 für gesunde Personen ab 65 Jahren, sowie für Patienten mit einer Immundefizienz ab 50 bzw. mit schwerer Immundefizienz ab 18 Jahren empfohlen. Die Empfehlung ist unabhängig davon, ob die Person bereits einmal an Herpes Zoster erkrankt war oder ob vorher bereits mit dem attenuierten Lebendimpfstoff Zostavax® geimpft wurde. Eine vorherige Serologie ist nicht nötig, so der Experte.
Neu ist in der Schweiz seit Januar 2023 die Impfung gegen Varizellen mit zwei Dosen als Basisimpfung für alle Säuglinge im Alter von 9 und 12 Monaten empfohlen. Die Impfung soll vorzugsweise mit einem kombinierten, quadrivalenten MMRV-Impfstoff erfolgen, der gegen vier Krankheiten schützt: Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (MMRV).
Ausserdem wird eine Nachholimpfung gegen Varizellen allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Alter zwischen 13 Monaten und 39 Jahren angeraten, die bislang noch nicht an Varizellen erkrankt sind, und die noch nicht insgesamt zwei Impfdosen erhalten haben.
Die Varizella-Zoster-Vakzine soll Krankheitslast verhindern und Primärprophylaxe schaffen
Dabei besteht mit den verfügbaren MMRV-Impfstoffen ein dauerhafter Schutz nach zwei Dosen (92% gegen Infektion, 98% gegen schwere Verläufe). Die Kombination der Impfstoffe soll die Impfung für Kinder, deren Eltern und auch für die Ärzteschaft erleichtern, erklärt Prof. Berger.
Die Varizella-zoster-Impfung soll aber nicht nur den individuellen Immunschutz schaffen, sondern soll es auch ermöglichen, die Krankheitslast komplizierter Varizellen-Verläufe bei vulnerablen Kindern und Erwachsenen, die nicht geimpft werden können, zu reduzieren, sagt Prof. Berger. Darüber hinaus soll die flächendeckende Einführung der Vakzine die Zoster-Inzidenz bei Geimpften mittelfristig vermindern.
Pneumokokken-Konjugatimpfstoff zugelassen für Kinder unter 4 und Ältere über 64 Jahren
Die aktive Immunisierung gegen Pneumokokken-Infektionen mittels Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV, Prevenar 13®) induziert das immunologische Gedächtnis und bietet einen Langzeitschutz im Gegensatz zu Polysaccharid-Impfstoffen (PPV) wie Pneumovax®. Ferner reduziert die Immunisierung mittels PCV die Kolonisation auf Schleimhäuten.
Empfohlen und zugelassen ist die Impfung seit 2022 für Kinder unter 5 Jahren und Personen über 64 Jahren mit weiteren Risikofaktoren für invasive Pneumokokken-Erkrankungen.
Auch Haushaltkontakte von Krebskranken auf Immunität überprüfen
«Bei einer Krebsdiagnose muss man die Immunität gegenüber Masern und Varizella Zoster überprüfen – auch bei den Haushaltskontakten des Patienten. Dies soll so früh wie möglich geschehen, idealerweise vor Therapiebeginn», betont Prof. Berger. Empfohlene Impfungen für Patienten mit einer malignen Erkrankung sind die Pneumokokken-Impfung (PCV), die inaktivierte Grippeimpfung sowie die Impfung gegen Varizella Zoster. Meningokokken-Impfungen sind nur indiziert bei Patienten mit funktioneller oder anatomischer Asplenie.
Empfohlene Impfungen für Haushaltskontakte sind die inaktivierte Grippeimpfung, die Varizellen-Impfung und die Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR). «Das Risiko der Übertragung und einer anschliessenden Erkrankung von Wildtyp-Varizellen durch ein nicht immunes Haushaltmitglied ist viel grösser als das Risiko einer Übertragung von sogenannten «Impfvarizellen» nach Impfung. Bei «Impfmasern» dagegen sind bisher überhaupt keine Übertragungen beschrieben» so Prof. Berger.
- Berger C. Impf-Update. 62. Ärztekongress, 9. bis 11. Februar 2023, Davos