Hörgeräte regelmässig tragen!
Altersschwerhörigkeit schränkt Betroffene mitunter stark ein. Wird diese längere Zeit nicht behandelt, kommt es ausserdem oft zu kognitivem Abbau. Patienten sollten daher eine gute Beratung bekommen, die ihnen unter anderem die Angst vor einem Hörgerät nimmt.
Die Symptomatik der Schwerhörigkeit ist vielfältig: Schwierigkeiten im Lärm oder auf Distanz zu verstehen oder Unfähigkeit, hohe Töne zu hören, berichtet KD Dr. Dorothe Veraguth, Leitende Ärztin an der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Zürich (1). Zusätzliche Ohrgeräusche wie Tinnitus verstärken die Problematik zusätzlich. Betroffene isolieren sich zudem oft zunehmend sozial, da sie Probleme haben, ihr Gegenüber zu verstehen.
Ein unbehandelter Hörverlust korreliert zudem mit höherem Risiko für Demenz, Depression und Stürze. Magnetresonanztomografie-Bilder zeigen bei der Altersschwerhörigkeit eine Abnahme des Volumens des Temporallappens. Das zeigt, dass es Veränderungen bei der Kognition gibt. Aktuelle Studien belegen, dass die Abnahme der Kognition bei 60-Jährigen bereits bei einem Hörverlust von 10 dB beginnt. Hörgeräte wirken präventiv und schützen vor Abnahme der Kognition.
Anpassungsphase erfordert Geduld und Zeit
Ein Hörgerät ist sinnvoll bei einem Hörverlust von über 30 dB in mindestens zwei Frequenzen, gemessen am besseren Ohr. Grundsätzlich arbeiten alle Hörgeräte wie eine Lautsprecheranlage. Die Qualitätsunterschiede liegen in der unterschiedlichen Schallbearbeitung. «Wichtige Kriterien bei der Wahl eines Hörgerätes sind die Form des Gehörgangs und der Ohrmuschel und die Geräuschsituation im Alltag (Telefonieren, Fernsehen, Radiohören, Theaterbesuche, Gespräche in lärmigen Räumen). Dies muss der Arzt mit dem Patienten individuell besprechen», so KD Dr. Veraguth. Auch psychische und physische Konstitutionen wie die Nebengeräuschtoleranz, den Hörkomfort, kosmetische Faktoren und die Feinmotorik des Betroffenen sollten bei der Entscheidung mit einbezogen werden.
Bekommt ein Patient ein Hörgerät, sollte er dieses in möglichst vielen unterschiedlichen Alltagssituationen testen und dabei störende Faktoren schriftlich festhalten und dem Akustiker mitteilen. Zudem sollte der Betroffene mehrere Geräte testen und das Gerät nicht nur nach kosmetischen Gesichtspunkten auswählen. Die Anpassungsphase erfordert Geduld und Zeit. Neben der Anpassung ist auch die Nachbetreuung von Bedeutung: Die Geräte müssen nach einer gewissen Zeit professionell gereinigt oder einem etwaigem weiteren Hörverlust angepasst werden.
Der Schlüssel zum Erfolg ist, dass sich der Patient an das Hörgerät gewöhnt. Kurzzeitig kann es zu Wahrnehmungseinbussen kommen, wie die Verschlechterung des Sprachverstehens und die Verminderung der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Dies muss der Patient durch regelmässiges Tragen der Hörgeräte trainieren, betont die Referentin. «Das ist ein Lernprozess, der je nach Zeitspanne der vorherigen Hörentwöhnung bis zu mehreren Monaten dauert. Die Fortschritte erfolgen langsam, aber bei regelmässigem Tragen automatisch.» Hat man jedoch 10-15 Jahre nicht mehr gut gehört, hat auch die Lernfähigkeit aber mit hoher Wahrscheinlichkeit darunter gelitten, fügt die Expertin hinzu.
Erwartungshaltung sollte realistisch sein
Ebenso wichtig ist es, eine realistische Erwartungshaltung zu haben. Sind Patienten gut informiert, erleichtert das die Hörgeräteanpassung, erinnert KD Dr. Veraguth. «Wichtig ist, dem Patienten zu vermitteln, dass besser hören und verstehen mit Hörgeräten Geduld und Training erfordert.»
Besteht ein Hörverlust und reichen Hörgeräte allein nicht mehr aus, kann ein Cochlea-Implantat helfen. Die Indikation dazu besteht, wenn Patienten bei einer Lautstärke von 65 dB mit einem Hörgerät weniger als 70 Prozent einsilbiger Worte hören.
Cochlea-Implantate kommen auch in Frage, wenn der Hörnerv intakt ist, jedoch die äusseren Haarzellen im Innenohr defekt sind. Dies ist bei angeborener Taubheit bei Kindern oder bei plötzlicher Ertaubung aufgrund einer Meningitis, Therapie mit ototoxischen Medikamenten oder einer Felsenbeinfraktur der Fall. Dabei wird – anders als bei einem Hörgerät – der Schall nicht verstärkt, sondern elektrisch an den Hörnerven gesendet.
Wie viel zahlen AHV und IV?
Die Alters- und Hinterlassenenvorsorge (AHV) finanziert einen Kostenanteil der Hörgeräte bei Patienten ab 65 Jahren mit einem Hörverlust ab 35%. Die Invalidenversicherung (IV) zahlt hingegen einen Teil der Kosten bei Kindern, Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen unter 65 Jahren mit einem Hörverlust ab 20%. Für Nicht-AHV- oder IV-Berechtigte zahlt die Krankenkasse subsidiär zu IV/AHV einen Beitrag oder allenfalls ergänzend zu IV/AHV bei Vorliegen einer Zusatzversicherung
Veragut D. Workshop: Presbyakusis und Hörgeräte: Fakten und Mythen. Ärztekongress 2023, 9.-11. Februar 2023, Davos