Hyperhidrose: Durch Spritzen nicht mehr schwitzen
Starkes Schwitzen (Hyperhidrose) bringt Patienten zwar nicht in Lebensgefahr, aber in viele unangenehme Situationen. Dabei lässt sich den Betroffenen gut helfen, beispielsweise mit Antitranspirant oder Botulinumtoxin.
Es ist normal zu schwitzen, wenn man Sport macht oder es heiss ist. Als Hyperhidrose werden dagegen Zustände zusammengefasst, bei denen die Transpiration in keinem Verhältnis mehr zum gewollten körperkühlenden Effekt steht. Der Übergang zwischen dem pathologischem und physiologischem Zustand verschwimmt allerdings. Man schwitzt ja oft auch, wenn man gestresst ist, erklärt Dr. Hans-Joachim Laubach, Abteilung Dermatologie und Venerologie, Hôpitaux universitaires de Genève (HUG, 1).
Woher kommt die Hyperhidrose?
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Hyperhidrose. Differenziert wird, ob das verstärkte Schwitzen als Folge einer genetischen Prädisposition auftritt oder – insbesondere bei älteren Patienten – mit einer anderen Erkrankung zusammenhängt.
Eine generelle Hyperhidrose behandelt man systemisch (primäre generelle Hyperhidrose) bzw. falls vorhanden, über die verursachende Grunderkrankung (sekundäre generelle Hyperhidrose). Anders sieht es bei fokalen Varianten aus. Für die axilläre und palmoplantare Hyperhidrose sowie bei Manifestationen im Gesicht bieten sich lokale Therapien an. Dazu gehören u.a. die fest etablierten Antitranspiranzien (Achsel), die Iontophorese (palmoplantar) und Botulinumtoxin.
Die Idee, das Nervengift bei Hyperhidrose anzuwenden, kam bereits 1996 auf. Im Laufe der Jahre hat sich immer mehr Evidenz zur Wirksamkeit angesammelt. Das Toxin wird doppelt so stark verdünnt wie bei den ästhetischen Gesichtsbehandlungen. Welchen Bereich man therapiert, unterscheidet sich von Patient zu Patient. Die infrage kommende Fläche wird vorab über einen Jod-Stärke-Test definiert. Dieser zeigt genau an, wo der Patient schwitzt. Der Test kann auch nach der Therapie zur Kontrolle erfolgen, berichtet Dr. Laubach, z.B. falls der Patient weiterhin über Schwitzen klagt.
Areal mit 1 cm grossen Kreisen ausfüllen
Das betroffene Areal wird mit einem Marker grob umrandet und dann mit runden, etwa 1 cm grossen Kreisen ausgefüllt. In die Mitte der Kreise injiziert man das Botulinumtoxin. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass man so gleichmässig die ganze Fläche abdeckt. Gleichzeitig vermeidet man, in die Markierung zu stechen, wodurch Farbpartikel mit der Nadel in die Haut gelangen können, betonte der Referent. Er empfiehlt zudem, von unten nach oben zu arbeiten, damit, falls es zu Blutungen kommt, das Blut nicht bei der weiteren Behandlung stört.
Die Nadel sticht man in einem 45°-Winkel etwa 1–2 mm in die Haut ein und injiziert ca. 0,1 ml pro Injektionspunkt direkt unter die Dermis, so Dr. Laubach. Er selbst legt sich nicht auf die absolute Einstichtiefe fest: «Ich stoppe, sobald ich die Dermis penetriert habe. Und das kann man spüren, weil der Widerstand durch das Kollagen nachlässt.» Ist man zu tief, muss die Nadel wieder ein Stück zurückgezogen werden, da das Toxin nur wirkt, wenn es auch auf Höhe der Schweissdrüsen injiziert wird.
Generell lässt sich Botulinumtoxin überall einsetzen, wo sich Schweissdrüsen befinden. Im Idealfall sollte das Behandlungsareal allerdings nicht zu grossflächig sein, z.B. nicht die gesamte Brustpartie einschliessen. Bei Patienten, die stark an der Stirn schwitzen (z.B. postmenopausale Frauen), muss man darauf achten, auch ein bisschen den Haaransatz mit einzubeziehen, da die Betroffenen auch dort schwitzen, rät Dr. Laubach. Er verwendet im Gesicht immer eine 34G-Nadel, dadurch haben die Patienten weniger Schmerzen. Man muss allerdings im Gesicht unbedingt darauf achten, oberflächlich zu bleiben.
Schwitzen beim Kauen abstellen
Auch Patienten mit Frey-Syndrom kann man mit Botulinumtoxin helfen. Diese Patienten fangen durch eine fehlerhafte Regeneration von parasympathischen und sympathischen Nerven z.B. nach einer Parotidektomie an, beim Essen oder Kauen stark zu schwitzen. Das liegt daran, dass die Nerven, die ursprünglich den Speichelfluss steuerten, nun die Schweissdrüsen im Bereich von Kiefer und Ohr innervieren. In der Folge fliesst beim Essen nicht der Speichel, sondern es rinnt der Schweiss.
Risiko durch stärkere Verdünnung minimieren
Injiziert man den Wirkstoff als gut sichbare intradermale Papeln, minimiert dies das Risiko, zu tief zu spritzen. Insbesondere in den «Non-Touch»-Regionen könnte man sonst die Muskeln und damit die Gesichtsmimik beeinträchtigen. Dieses Risiko lässt sich weiter verringern, indem man in diesen Bereichen das Toxin deutlich stärker verdünnt und z.B. statt 2 U nur 0,5 U injiziert.
Palmare und axilläre Injektionen sind sehr schmerzhaft. Um diese Schmerzen zu reduzieren, empfehlen manche Kollegen die Verwendung konservierter Kochsalzlösung. Andere setzen an der Hand einen Nervenblock oder betäuben die Areale mit Lidocain/Prilocain-Salben bzw. Lokalanästhetika zum Sprühen. Dr. Laubach schwört allerdings auf die Kryoanästhesie (nach Kreyden), bei der kurz vor jeder Injektion von einem Assistenten die Einstichstelle mit einem Kryospray vereist wird.
An Händen und Füssen bietet es sich zusätzlich an, dem Botulinumtoxin eine Iontophorese voranzustellen, da man in diesem Areal nur eine minimale Menge Toxin einsetzen möchte. «Das grosse Problem vor allem bei den Händen ist, dass das Toxin in die Muskulatur diffundiert […] und die Patienten dann für mehrere Wochen Probleme mit der Bewegung haben», gibt Dr. Laubach zu bedenken.
Bei Patienten, die sich z.B. keine motorischen Nebenwirkungen leisten können, sei auch ein Laser-assisted Drug Delivery möglich. Dabei bereitet man die Handfläche mit einem fraktionierten CO2-Laser (unter Lokalanästhesie) vor und massiert danach die Botulinumtoxin-Lösung ein.
Insgesamt bleibt die Hyperhidrose weiterhin ein ausserordentlich schlecht untersuchtes Feld, schloss Dr. Laubach. Es fehlen definitiv Daten. Dabei steht fest, dass man mit einer Behandlung den Patienten deutlich helfen kann.
Indikation Prothese bei Hyperhidrose
Botulinumtoxin hat auch seinen Stellenwert bei Patienten mit z.B. Beinprothesen. Diese Menschen leiden zwar nicht an einer übermässigen Schweissproduktion. Allerdings sitzt eine Prothese in der Regel sehr dicht abschliessend auf der Haut. Schwitzen unter der Prothese kann zu Mazeration und in der Folge zu Wundscheuern oder Druckstellen führen.
- 31. EADV-Kongress