Medical Tribune
6. Apr. 2023Patienten über Risiko aufklären

OTC-Präparate und Nahrungsergänzungsmittel enthalten viel Salz

Paracetamol ging 2022 durch die Presse als Medikament, das das kardiovaskuläre Risiko erhöht­. Grund dafür ist der hohe Natri­umgehalt in den Präparaten, unter anderem Brauseta­bletten. Und auch Nahrungsmittelergänzungsmittel können schnell zu einer explodierenden Zufuhr von Salz führen.

Vitaminbrausetabletten enthielten in einer Analyse exorbitante Mengen von Salz.
ValentynVolkov/gettyimages

Menschen mit einer Hypertonie sollten grundsätzlich zurückhaltend sein, wenn sie Paracetamol einnehmen, erinnert Professor Dr. Felix Mahfoud, Universitätsklinikum des Saarlandes (1). Bei ihnen führen bereits vier Gramm pro Tag über zwei Wochen zu einem Anstieg des systolischen Tagesblutdrucks um 4,7 mmHg, wie eine aktuelle Studie ergab.

«Populationsbezogen können diese 5 mmHg schon ausreichen, um das kardiovaskuläre Risiko der Patienten deutlich zu erhöhen», so der Experte.

Natriumzufuhr übersteigt schnell den WHO-Grenzwert

Weshalb Paracetamol Schlagzeilen machte, lag allerdings nicht am Wirkstoff, sondern an der Arzneimittelformulierung und dem damit einhergehenden Natriumgehalt. Brausetabletten oder Pulver enthalten das Elektrolyt häufig in Form von Natriumhydrogencarbonat, was beim Auflösen im Glas für das Sprudeln sorgt.

Laut dem Kollegen wird dieser Zusatz oft nicht ausgewiesen – ein ernsthaftes Problem vor dem Hintergrund, dass etwa jeder Dritte in der Bevölkerung (un)regelmässig zu Brausetabletten greift. Bezogen auf Paracetamol liegt der Natriumanteil bei 390–440 mg pro Brausetablette mit 500 mg Wirkstoff. Wenn die Tageshöchstdosis des Analgetikums eingenommen wird, übersteigt die Natriumzufuhr folglich die von der WHO maximal empfohlenen zwei Gramm täglich.

Erhöhtes Risiko für Tod und kardiovaskuläre Ereignisse

Dem Risiko entsprechender Darreichungsformen widmete sich eine britische Kohortenstudie. Ausgewertet wurden elektronische Krankenakten von 151.398 Patienten mit und 147.299 ohne Hypertonie im mittleren Alter von 73,4 bzw. 71 Jahren. 3 bzw. 3,6  Prozent hatten natriumhaltiges Paracetamol erhalten, der Rest natrium­freies (z.B. Standardtabletten).

Im Verlauf des einjährigen Follow-ups ging der Gebrauch natriumhaltiger Präparate mit einem signifikant höheren relativen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Gesamtmortalität einher, und zwar sowohl bei Teilnehmern mit Bluthochdruck (Hazard Ratio, HR, 1,59 und 2,05) als auch bei denjenigen ohne (HR 1,45 und 1,87).

In Vitaminen findet sich der höchste Gehalt an Salz

In einer eigenen, noch nicht publizierten Studie konnte Prof. Mahfoud kürzlich weitere Natriumquellen entlarven. Zusammen mit seinem Team hat er 39 auflösbare Nahrungsergänzungsprodukte und einige gängige OTC-Medikamente analysiert. Ers­tere wiesen pro Brausetablette einen mittleren Natriumgehalt von 284 mg auf, am meisten fand sich in Vitaminen (378 mg). Noch mehr steckte in den OTC-Präparaten (maximal 452 mg). Wer z.B. achtmal täglich Alka-Seltzer® classic nimmt, landet bei 3,5 g Natrium.

«Das wissen viele Patienten nicht», betont der Referent und gesteht: «Mir war das auch nicht so klar, bevor wir diese Analyse gemacht haben.» Bei der nächsten Beratung zur Lebensstilmodifikation sollte man also nicht nur das Salz in der Nahrung adressieren (s. Kasten), sondern auch das versteckte.

Nachsalzen bis zum Tod

Wer sein Essen häufig nachsalzt, hat eine niedrigere Lebenserwartung. Das ergab eine Auswertung von Daten der UK Biobank, die Professor Dr. ­Ulrich Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig vorstellte. Über 500.000 Teilnehmer machten in elektronischen Fragebögen Angaben dazu, ob und wie oft sie bereits zubereitete Mahlzeiten würzten.

Bei einem medianen Follow-up von neun Jahren hatten die Immer-Nachsalzer gegenüber den Personen, die das nie oder selten taten, eine um 28 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, vorzeitig zu sterben. Einen 50-Jährigen Mann kostete das ständige Nachsalzen 2,28 Lebensjahre, eine gleichaltrige Frau 1,5 Jahre. Zudem hatten diejenigen, die öfter Salz hinzufügten, auch höhere Natriumkonzentrationen im Urin, was laut Prof. Laufs einen Kausalzusammenhang beim Sterberisiko plausibel erscheinen lässt.

Referenz